Kampfprogrammierung ARD vs ZDF?

Am vergangenen Montag, dem 23.01., sendete das ZDF um 20:15 mit dem Fernsehfilm “Die Lehrerin” eine Produktion, die bereits im September 2011 vorab auf arte ausgestrahlt worden war.

Die Ausgangssituation der Handlung: Ein Schüler bringt eine Pistole mit in die Schule & ballert damit während einer Unterrichtsstunde unversehens um sich. Bei dem Versuch, Schlimmeres zu verhindern, wird eine allseits beliebte Lehrerin von einer Kugel des Täters getroffen. Die stirbt allerdings nicht, sondern liegt fortan als komatöse Patientin im Krankenhaus. Die Polizei ist zeitnah zur Stelle & sorgt dafür, dass diese Lehrerin de facto das einzige Opfer bleibt, auch wenn natürlich auch alle anderen ihr Trauma weg haben. Der jugendlche Täter überlebt und wird in Gewahrsam genommen. Die Hauptperson, die eine Kollegin und Freundin der Angeschossenen ist, besucht diese regelmäßig am Kramkenbett. (Selbstverständlich kümmert sich erstmal sonst kein Schwein aus der Schule um die Angeschossene.) Außerdem übernimmt sie deren Klasse.

Was hätte ein guter Filmemacher aus diesem Sujet nicht alles herausholen können.

Was die Macher des Fernsehspiels dann aber letztlich draus gemacht haben, das ist m.E. schon mehr als banal. Was dann wiederum auch zu einer Handlung führt, die beim Zuschauer doch recht schablonenartig und erwartbar rüberkommt.

Das fängt schon an bei den Charakteren. Da gibt’s den Pistolentäter (von dessen späterem Schicksal dann nie wieder die Rede ist), der zuvor ein Mobbing-Opfer war und offensichtlich auch nicht der Hellste. Da gibt’s den Leitwolf der Klasse, der den späteren Täter zu seiner Tat provoziert hat. Da gibt’s den aufgebrachten Vater, der auf dem Elternabend die Sau rauslässt. Da gibts die Klasse, die sich erst sperrt, aber dann doch voller Enthusiasmus mitmacht. Da gibt’s die Direktorin, die eigentlich alles im Griff haben sollte, aber vor lauter Traumatisierung ihre Schwierigkeiten hat, angefangene Sätze zu beenden. (Ich habe mich sogar bei der blasphemischen Überlegung ertappt, ob nicht vielleicht Piet Klocke die Dialoge geschrieben hat.) Da gibt’s den psychologischen Berater, der nicht nur die Situation jederzeit voll im Griff hat, sondern anscheinend auch jede künftige Entwicklung um mindestens 5 Züge vorausgeahnt hat. Hätte der sich irgendwann als Börne zu erkennen gegeben (Oder als Thiel? … Naja, als Axel-Prahl-Figur halt) & zugegeben, dass er eigentlich gar kein Psychologe ist, sondern bloß ein simpler Tatort Kommissar … es hätte mich nicht gewundert, und das wäre zumindest authentisch gewesen. Denn so großartigen Raum für darstellerische Entfaltung gibt das Drehbuch dem Axel Prahl ja nun auch nicht.

Desweiteren muss ich zugeben: Eigentlich war ich sogar ganz froh, dass diese doofe Katja irgendwann im Koma lag und nix mehr sagen konnte. Die ist mir mit ihrer überdrehten Art nämlich von Anfang an sowas von auf den Senkel gegangen. Wie die meisten hier musste auch ich irgendwann mal ein paar Jahre zur Schule gehen, von daher kann ich da wohl mitreden. Also, ich habe damals auch jede Mege Arschlöcher im Lehrkörper erlebt und auch mehr als genug “Lehrer”, die bei der Berufswahl die Augen wohl nicht so recht aufgekriegt haben. Zum Glück habe ich zu meiner Schulzeit auch den einen oder anderen fähigen Pädagogen miterleben dürfen. Bloß ist uns seltsamerweise keiner von denen in Schuluniform und mit Erstklässler-Ranzen entgegen getreten. So jemand wäre vermutlich eher ein Fall für den Psychologen als für den Unterricht. Schade eigentlich, dass Axel Prahl nicht zur Stelle war, um die abzufischen, bevor irgendwas passiert ist. Aber dann hätte die Handlung ja auch nicht stattfinden können.

Achja … und wenn schon soziale Problemzonen angeprangert werden müssen, dann musste es natürlich gleich knüppeldick kommen.
So musste es natürlich auch hier die 14-Jährige im Klassenraum geben, die so naiv war, sich von ihrem 18-jährigen Freund einen Braten in die Röhre schieben zu lassen, weil offenbar beide zum Verhüten zu blöd waren. Am Ende genügt aber das Zauberwort “Mutter-Kind-Heim”, und schon ist die Welt wieder voll in Ordnung.

A propos Handlung: Da geht’s mit der Banalität eigentlich gleich schon mal weiter. Natürlich muss die Hauptfigur die Klasse ihrer Kollegin übernehmen. Natürlich ist sie alt und verbittert. Sie will ja am Anfang auch weg vom Lehrerberuf. Aber natürlich wandelt sie sich im Laufe der Zeit zu einer echt wertvollen Pädagogin und lernt, die Schüler liebzuhaben. Und natürlich lernen auch die Schüler, sie liebzuhaben. Am Ende haben sich überhaupt alle lieb.

Irgendwie erwartbar auch Szenen, wo sie mit ihrer komatösen Freundin spricht.
Da dachte ich mir schon vorher:
Gut möglich, dass es jetzt gleich so ausschaut, als würde die Komapatientin plötzlich aufstehen und ganz, ganz tolle Ratschläge geben. Kennt man ja aus dem Episodenfilm “Weihnachten”. Und so war’s dann auch. Auch wenn die dann bloß irgendwas von wegen “Mutter Kind Heim” gefaselt hat.

Die zweitüberraschendste Szene des ganzen Fernsehspiels war für mich daher die, wo sie anschließend ihrer komatösen Freundin davon berichten will, dass sie jetzt voll die Lehrerin ist.
Ich dachte mir vorher:
Na, die Freundin ist doch bestimmt verstorben.
Sie war dann aber doch noch da. :shock:

Die überraschendste Szene war für mich die, wo sie anschließend Schlaftabletten einnimmt.
Was ja nicht verboten ist, nicht mal in Suizidabsicht.
Suizid ist immerhin in Deutschland keine strafbare Handlung!
Natürlich sollte man vorher das Licht löschen, wenn man sowas vorhat, falls Bekannte vorbei kommen.
Aber dass in dieser Situation unversehens irgendjemand Sturm klingelt und fast die Tür einschlagen mag, das ist schon mehr als seltsam. Ebenso wie die Rettungskräfte, die am Ende wirklich die Tür einschlagen.
Wurde sie etwa in ihrer Wohnung bewacht?
Auch vorher?
Passiert das am Ende jedem, der “von oben” als gefährdet eingestuft wurde?
Und ist das legal?!?

Naja, das war jedenfalls “Die Lehrerin” im ZDF.
Am Ende befinden sich im Lehrerzimmer ausschließlich weibliche Lehrkräfte. Der einzige Mann, der zuvor als Teil des Lehrkörpers auftrat, war eh zu alt und zu senil für den Job und wurde kurzerhand in Pension geschickt. Die aus psychiatrischer Obhut entlassene Kollegin wird voller Begeisterung und ganz ohne Misstrauen wieder im Kollegium aufgenommen & braucht zum Erstaunen aller nur noch ihre Pantoffeln anzuziehen, um bereit zu sein für den Unterricht … und prompt ist Standbild & die Welt wieder voll in Ordnung. Warum eigentlich nicht gleich auch Schuluniform & Erstklässler-Ranzen? Dann hätte vielleicht auch der knackige junge Referendar nicht sofort wieder weggeschickt werden müssen, bloß weil der sich im Latex-Outfit vorgestellt hat, womit er die Schüler überraschen wollte … natürlich aus rein pädagogischen Gründen.

Die ARD hat 2 Tage später (ebenfalls um 20:15) mit dem Fernsehspiel “Alleingang” eine Arbeit abgeliefert, die das absolute Gegenbeispiel ist. Ja, so sollte Fernsehen gemacht werden! Ironischerweise geht es auch hier um eine Pistole und eine Extremsituation. Dennoch wurde es nie abgedroschen und langweilig. Den Oliver Wnuk habe ich, ohne ihn zu sehen, an der Stimme erkannt. Trotzdem habe ich ihm die Rolle abgekauft … den Stromberg-Ulf habe ich nicht gesehen. Die Figuren waren keine bloßen Schablonen, sondern haben GELEBT … ich habe ihnen allen ihre Motivation abgekauft. Sogar dem Durchgeknallten mit der Waffe (hervorragend verkörpert von Armin Rohhde). Am Ende konnte ich dem Film jedes Klischee verzeihen & er hat mich dennoch überzeugt bis zur letzten Minute.

Also, falls es reiner Zufall war, dass beide Fernsehspiele zeitnah auf Sendung gingen, dann ist es Pech.
Falls da Kalkül dahinterstehen sollte, so ist es in diesem Fall das ZDF, das definitiv den Kürzeren gezogen hat.
Aber das muss ja nicht immer so bleiben.

Frau Freitag (selbst Lehrerin) hat sich in ihrem Blog auch mit dem Film beschäftigt und kommt zu einem ähnlichen Ergebnis.
Ich habe mir nur den Trailer angeschaut, das hat mir schon gereicht (mal ehrlich, zwei Lehrer, die auf dem Weg zum Unterricht noch schnell die Klassen tauschen und natürlich schon das Material für die jeweils andere Klasse dabei, und nicht noch auf dem Platz im Lehrerzimmer liegen, haben?).

Der Trailer ist so abgrundtief schlecht, da muss man den Film nicht mehr sehen!

“Wohin des Wegs, schöne Frau?” “Immer der Nase nach” -> am Anfang und natürlich noch mal am Ende, weils so lustig war.
“Laaauft, lauuuft!!!” -> ja was denn sonnst?
“Wie konnte das überhaupt passieren?” -> ja eben! Wie nur? Hat denn niemand vorher an die Kinder gedacht?
Schulgarten: “Wir haben da total viel angepflanzt” -> so sprechen also Teenis am Krankenbett einer komatösen Lehrerin? Total viel angepflanzt. :ugly

Oh nee, Leute, das ist wirklich so behämmert, schlecht gespielt und klischeehaft, dass man diese ganzen Aussagen (will nicht wissen, was die noch so für einen Blödsinn von sich gegeben haben) in den Klischee-Thread packen könnte!
Danke für die Zusammenfassung, Horst-Günter! :smt023