Körperlichkeit im Fernsehen

Was mir schon seit längerem im Fernsehen, ob jetzt öffentlich-rechtlich oder privat, auffällt, ist der merkwürdige Umgang mit dem Thema Körperlichkeit und Nacktheit. Schon mit Kindern und Jugendlichen wird im Rahmen des Casting-Shows ein sehr sexualisiertes Menschenbild ausgelebt: Neben dem, wie jemand “abliefert” entscheidet immer auch, wie “sexy” jemand ist. Es wird ein idealisiertes Körperbild vorgelebt, und bei Sendungen à la “Extrem schön” werden alle anderen denkbaren Werte auf dem Altar des massenkompatiblen Aussehens geopfert. Kein Blick auf die “Problemzonen” ist zu voyeuristisch, alles Intime wird preisgegeben. Wenn es dann aber um ganz normale Nacktheit von ganz normalen Menschen geht, marschieren wir auf direktem Wege zurück ins dunkelste Vergangenheit: “Nackt” ist bei Wetten dass gleichbedeutend mit “in Unterhose”, da scheut man davor, wie in unzähligen vergleichbaren Projekten von z.B. Spencer Tunick natürlich Nacktheit zu zeigen. Bei den nicht seltenen Reportagen über FKK, Sauna usw. werden Geschlechtsteile verpixelt, es sei deren bloßes Vorhandensein schon sexuell und nicht zeigbar.

Für mich ist dieses Nebeneinander von Sexualisierung in fast allen Bereichen, aber wohl nicht mehr zumutbarer Nacktheit in ganz normalen Situationen einer der Trends auf dem fernen Amerika, auf die ich gerne verzichten könnte.

Ja, es wäre schon fast eine schöne Gegendarstellung zu dem ganzen oberflächlichen und jugendgefährdendem Dreck, der im frühen Abendprogramm gesendet wird, wenn es einfach mal ganz unaufgeregt und ehrlich um Nacktheit ginge. Obwohl ich das jetzt eigentlich nicht gerade wünschenswert finde.
Aber ich habe neulich mal wieder gesehen, was bei explosiv auf rtl so berichte… äh… gezeigt wird. Da ging es darum, dass ein alter Erotikstar mit einer Anzahl Frauen im 4-stelligen Bereich Sex gehabt haben soll. Das zeichnet den Mann aus, so dass man ihm zu Ehren einen Beitrag dreht. Im frühen Abendprogramm wohlgemerkt. Direkt davor wurde bereits eine “Reportage” darüber gebracht, wie die “Ossis” sich in Sachen Sex einschätzen. Nach Meinung der Redaktion haben die ostdeutschen besseren Sex. Es wurde dann auch ein Paar vorgestellt, das sich ausführlich darüber auslassen durfte. Das hat für mich überhaupt keinen Unterhaltungscharakter. Das ist vor allem kein Thema für den frühen abend. Zu viele Fernseher werden zu dieser Zeit von Kindern belagert.

Aber wenn es nur das wäre… wir kennen ja die ganzen anderen Formate. Ach…

Im Vorabendprogramm über Sex zu reden, finde ich auch höchst unpassend.

Was mich jedoch nicht stört, ist, wenn Nacktheit als etwas Natürliches dargestellt wird - auch wenn Kinder zusehen.

Woher kommt denn die allgemeine Verklemmtheit ?
Geschlechtsspezifische Merkmale sind unanständig, böse, böse und nochmal böse und müssen verpixelt werden.

Ein Mann hat nunmal einen Penis und einen Hodensack. Das wurde ihm angeboren wie z.B. abstehende Ohren oder eine krumme Nase. Warum soll man das nicht unverpixelt zeigen - vorausgesetzt natürlich, der Penis ist nicht errigiert !

Frauen haben eine Scheide. Was gibt es da zu sehen ? Einen Schlitz zwischen den Beinen und je nach Ausprägungsgrad der inneren Schamlippen zwei mehr oder minder große Hautfalten.
Oder die Nippel weiblicher Brüste: Warum werden DIE verpixelt ? Was ist daran anders, als an männlichen Nippeln - außer, daß sie im Bedarfsfall eine äußerst nahrhafte Flüssigkeit zur Ernährung der eigenen Nachkommenschaft abgeben ?
Mädchen werden ja schon mit (wasweißich) sechs Jahren darauf getrimmt, daß sie im Schwimmbad ein Bikinioberteil zu tragen haben, um ihre “Mäusefäustchen” zu verhüllen.
Weibliche Brüste (Nippel) sind unanständig und werden nur von Schlampen öffentlich gezeigt - ja, klar !

Selbstverständlich bin ich dagegen, das Kindermodels in besonders aufreizenden und sexy Posen dargestellt werden, aber ein natürlicher Umgang mit der angeborenen menschlichen Nacktheit ist doch sehr wünschenswert.

Sex ist wohl das geringste Problem im Deutschen Fernsehern, wobei die ganze unnötige Verpixelung schon nervt, gerade bei Männern als wenn ein Penis die Möglichkeit hätte durch den Fernseher, den Zuschauern ins Gesicht zu springen.
Was problematisch ist hingegen ist sicherlich wenn Jugendliche oder Kinder animiert werden sollen möglichst sexy zusein als wenn eine Frau in T-Shirt und Jeans hässlich wäre. Ich erinnere mich da an den Faschistomat. Aber ansonsten sollte man die Prüderie doch mal langsam hinter sich lassen.