(Diesen text stelle ich hier ein, weil er weniger politische Inhalte als solche thematisiert, sondern den ungeschickten journalistische Umgang - vor allem im Fernsehen - damit.)
Es ist zweifellos ehrenwert, extreme oder gar extremistische politische Positionen zu kritisieren. Jedoch habe ich das Gefühl, dass das oft eher unprofessionell geschieht.
Beispiel 1:
http://www.youtube.com/watch?feature=pl … 86U#t=394s
Ein offenbar sehr rechtsgerichteter Autor (Götz Kubitschek) wird hier interviewt. Die Leistung des Interviewers ist m.E. sehr schwach.
Kubitschek spricht von einer “etnischen Kontinuität”, die es zu schützen gelte. Aus dem Beitrag wird aber nicht klar, ob damit auch ein rassitischer Gedanke verbunden ist. Die allgemeinen Fragen zu Rassen und Kubitscheks Antworten waren so nichtssagend, dass sie keine wirklichen Schlüsse erlauben.
Der Journalist fragend zur ethnischen Kontinuität: “Aber hat mit Rasse nichts zu tun.” Kubitschek entgegnet, dass Rasse auch etwas damit zu tun hat, negiert aber, dass es eine deutsche Rasse gebe. Er meint, dass es so etwas wie eine germanische Rasse oder dann indogermanische Großrasse gebe. Entschieden wehrt er sich gegen den Vorwurf, an “Rassenhygine” zu denken. Mehr erfahren wir dazu eigentlich nicht. Nun ist es natürlich so, dass rein faktisch die Deutschen überwiegend europäischen “Rassen” angehören. Ob man “Rasse” allerdings als “bedeutsam” ansieht und gar Menschen mit anderer Rasse abwertet und ausschließt, ist eine andere Frage. Die Frage des Journalisten war so unglücklich fromuliert, dass sich Kubitscheks Position nicht eindeutig ableiten lässt.
Dennoch ist es geschickt gemacht: Durch die Fragen zu Rassissmus und deutscher Kontinuität, die durch den Hournalisten miteinander verhandelt werden, ensteht leicht der Eindruck, dass für Kubitschek “deutsche Kontinuität” und Rassismus Hand in Hand gehen. Auch mir ist das erst mal so gegangen, bis ich das Interview dann noch mal in Ruhe analyisert habe.
Was haben wir nämlich wirklich erfahren?
- Dass Kubitschek in einem ganz allgemeinen Sinne annimmt, dass es Rassen gibt. Nach eigener Darstellung meint er das in derselben Weise wie Ethnologen. (Kubitschek antwortet hier nur; er hat das Thema nicht selbst aufgebracht.) Dass Kubitschek ein weitergehendes Rassendenken hegt, wird in dem Beitrag durch nichts belegt.
- Dass in irgendeinem Sinne deutsche Kontinität auch etwas mit “Rasse” zu tun hat. Ob das nun nur aber eine konstatierende oder auch eine normative Aussage ist - die eigentlich entscheidende Frage -, bleibt unklar. Als Kubitschek seine position erklären wollte, ist der Journalist ihm gleich ins Wort gefallen.
Was haben wir nicht erfahren?
- Ob Kubitschek von der Überlegenheit mancher Rassen über andere ausgeht.
- Ob er glaubt, dass Menschen verschiedener Rassen sich nicht vermischen sollten.
- Ob jemand mit nicht-europäischer Rasse für Kubitschek problemlos Teil der deutschen Kontinuität sein bzw. werden kann.
Viel erhellender wären Fragen gewesen wie:
“Gibt es Wertunterschiede zwischen den Rassen?” und “Ist es für Sie problematisch, wenn Rassen sich mischen?” und “Können auch Menschen ganz anderer Rassen sich hier integrieren, so dass sie dann Teil der deutschen Identität und Kontinuität werden”?
Die Antworten auf solche Fragen hätte wirklichen Aufschluss gegeben. Nichts dergleichen. Auch Zitate aus seinen Büchern, die einen Rassimus belegen würden, wurden nicht geboten. (Vielleicht gibt es keine?) Stattdessen der etwas hilflose Versuch, Kubitschek mit den Begriff “Rassenhygiene” aufs Kreuz zu legen. Es war doch gleich klar, dass Kubitschek das zurückweisen würde.
Zum rechten Terror kommt eigentlich auch nicht viel. Kubitschek scheint es nicht für beweisen zu halten, dass alle zehn Morde des NSU wirklich vom NSU verübt wurden. Allerdings entsteht nicht der Eindruck, dass er Terror gutheißt - auch wenn der Beitrag festhält, dass Kubitschek sich nicht eindeutig distanzieren würde. Auch da hätte eine Nachfrage geholfen.
Was bleibt? Ein Journalismus, der auf etwas plumpe Weise mithilfe verfänglicher Begriffe versucht, einen Rechten zu “entlarven”, anstatt seine Position erst mal herauszuarbeiten und ihn ggf. dann zu entlarven.
Am Ende weiß man eigentlich gar nichts: Ist Kubitschek nur ein ziemlich rechtslastiger Autor mit Neiung zu Verschwörungstheorien? Oder ist er auch ein Rassist?
Damit will ich keine Lanze für Kubitschek brechen. Aber gerade in solchen Fällen wäre ein sorgfältiger Journalismus wichtig, der wirklich kritisch hinterfragt. Auch wenn es um den Nazi-Verdacht geht, ist sorgfältiges Arbeiten nötig. Es geht darum, fundiert herauszuarbeiten, was jemand wirklich denkt, nicht darum, einen Eindruck zu erwecken.
Beispiel 2:
Zwar will ich Thilo Sarrazin nicht als (Rechts)extremisten bezeichnen, aber sicher nimmt er eine ziemlich “rechte” Position ein. Keine extremistische, aber eine relativ “extreme”. Als sein Buch “Deutschland schafft sich ab” erschien, gab es gleich viel Kritik. Leider aber oft in Form von politisch korrekter Empörung.
So erinnere ich mich an eine Talkshow, in der Sarrazin u.a. mit Michel Friedman in einer Talkshwo zusammensaß. Es wurden aber eigentlich wenige Argumente gegen Sarrazins Thesen ins Feld geführt. Stattdessen empörte man sich hauptsächlich über sie. Um nur ein einziges Beispiel herauszugreifen:
Es genügt nicht, dass man Sarrazins Thesen von speziellen genetischen Unterschieden ethnischer Gruppen (die auch mit verschiedener Intelligenz einhergehen), als abstoßend zu empfindet und das zu sagt. Vielmehr geht es darum, herauszustellen, dass das wissenschaftlich gesehen Unsinn ist. Dazu muss man sich eben dann auch etwas in die entsprechende Materie einarbeiten, wenn man mit jemandem, der pseudo-wissenschaftliche Thesen vertritt, diskutieren will. Moralische Betroffenheit und politische Korrektheit genügen so wenig wie im Fall des oben verlinkten Interiews.
Summa Summarum: Es ist ehrenwert, wenn man versucht, argumentativ oder journalistisch einen Beitrag gegen extremes und extremitisches Gedankengut zu leisten. Sachkunde, Objektivität, Hintergrundwissen und vor allem große Sorgfalt sind dafür aber unverzichtbar.