Interview mit "Thomas Kuban" - "Blut muss fließen"

Thomas Kuban ist ein Pseudonym, unter dem ein Journalist innerhalb der rechtsextremen Musikszene recherchiert hat. Die Ergebnisse sind in dem Film „Blut muss fließen“ und dem gleichnamigen Buch dokumentiert.

Vorweg: Es geht mir dabei weniger um den Inhalt der Recherche, sondern um die Aussagen, die Thomas Kuban in dem Interview mit Endstation Rechts über die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten getroffen hat:

Der Regisseur Peter Ohlendorf und auch Sie kritisieren des Desinteresse vieler Verlage und Sendeanstalten, sprechen von einer „Rendite statt Recherche“-Mentalität. Sie konnten keinen Sender finden, der die Dokumentation finanzieren und ausstrahlen wollte.

Ja, das ist ein einziges Desaster. Pro Jahr fließen mehr als sieben Milliarden Euro an Rundfunkgebühren. Davon haben die Sender über die fünf Produktionsjahre hinweg, von 2007 bis Anfang 2012, keinen Cent in dieses Filmprojekt investiert, dessen inhaltliche Relevanz spätestens seit dem Auffliegen der NSU-Terroristen eigentlich jedem klar sein sollte.Schon vorher hätte die Relevanz klar sein müssen. Schließlich gab es seit der deutschen Wiedervereinigung eine Vielzahl von Toten, die auf das Konto von Neonazis gingen. Die Amadeu-Antonio-Stiftung hat inzwischen über 180 Todesfälle gezählt.Trotzdem gibt es für den Dokumentarfilm von Peter Ohlendorf bis heute keinen Sendeplatz. Und das mehr als ein halbes Jahr nach der Berlinale. Das hätte ich mir trotz allem Pessimismus, der auf jahrelanger Erfahrung beruht, nicht träumen lassen, dass der fertige Film über so lange Zeit keinen Abnehmer im Bereich des öffentlich-rechtlichen Fernsehens findet.Hätte Peter Ohlendorf als Regisseur und Produzent nicht seine Existenz aufs Spiel gesetzt, indem er Schulden in einem Volumen von rund 200.000 Euro angehäuft hat, würde es diesen Film nicht geben, den inzwischen viele tausend Leute bei seiner Film-Tour durch Deutschland gesehen haben. Hinzu kam das unglaubliche Engagement des Cutters Stefan Ganter, der rund 1000 Schnittstunden geleistet hat, ohne zu wissen, ob er dafür überhaupt irgendwann Geld erhält. Hinzu kommen der Komponist der Filmmusik und andere Helfer, die sich aus Idealismus mit eingebracht haben.Es handelt sich um ein generelles Problem: Medienprojekte, die mit Recherche zu tun haben, werden für Freiberufler zunehmend zu einem Engagement, das bestenfalls ehrenamtlichen Charakter hat. Und das wirkt sich negativ auf die ganze Gesellschaft aus: Wenn Recherchen nicht mehr oder nicht mehr auskömmlich bezahlt werden, wird weniger recherchiert. In der Folge werden weniger Missstände aufgedeckt. Und daher bleiben mehr Missstände bestehen.Wer weiß – vielleicht hätten die weltweite Finanzkrise und jetzt die Staats-Krisen im Euroraum verhindert werden können, wenn die Medien als Vierte Gewalt fungiert und als Frühwarnsystem funktioniert hätten? Aber ich habe vor der Pleite der US-Bank Lehman-Brothers leider keine warnenden Berichte in Massenmedien gesehen… - gab es welche?

In Teilen kann man diesen Trend schon als Zuschauer bemerken.

Da hat er Recht, die Medien fungieren längst nicht als Vierte Macht im Staat. Das sieht man ja alleine daran, wie sich die wirklichen Enthüllungen mittlerweile auf kleinere Lokalblätter/formate beschränken bzw. auf Privatleute im Internet - während die großen Namen der Branche nur noch Türen auftreten, die längst schon offen stehen…

Zum Thema Medien:

Zitat aus dem Interview von Thomas Kuban: “Wenn Recherchen nicht mehr oder nicht mehr auskömmlich bezahlt werden, wird weniger recherchiert.”

Hier haben wir auch ein Problem der Organisation der Verlage, die ja auch größtenteils börsenotiert sind, wie beispielsweise Springer-Verlag oder Bertelsmann. Das wirkt sich auch natürlich auch auf die Redaktionen der unterschiedlichen Zeitungen und auch auf deren Journalisten aus, die einfach marktwirtschaftlich funktionieren müssen, damit auch noch weiter Dividenden an die Aktionäre ausgeschüttet werden können. Das führt dann unter anderem zu Dumpinglöhnen bei den betreffenden Journalisten.
Wenn schon nicht genug Geld für die arbeitenden Journalisten da ist, welche Zeitung kann es sich dann schon leisten in eine Investigativ-Recherche zu investieren, die doch finanziell soviel teurer und zeitlich viel aufwändiger ist?
Das führt dann größtenteils dazu, dass der Eindruck einer “Mainstrem-Presse” entsteht, da alle “gefühlt” von einander oder von den Nachrichtenagenturen abschreiben.
Ein weiteres Problem ist hier wohl das Internet mit der umsichgreifenden “Umsonst-Mentalität” der User der Online-Redaktionen. Ob sich das mit einem “Leistungsschutzrecht” (wie das die Bundesregierung plant) behoben werden kann, wage ich zu bezweifeln, solange man auf Marktwirtschaft anstatt auf Informationsvielfalt setzt.

Bei dieser ganzen Problematik des Journalismus ist der Öffentliche-Rechtliche Rundunk ausgenommen. Die Öffentlich-Rechtlichen müssen nicht marktwirtschaftlich funktionieren und es ist mir unverständlich, warum diese das Investigativ-Projekt von Thomas Kuban nicht unterstützt haben.

Lange Rede kurzer Sinn. Ich wollte nur zum Ausdruck bringen, dass man nicht einzig auf die “4. Macht” schimpfen sollte, sondern das Ganze doch etwas differenzierter betrachtet.

Ich erwarte nicht, dass so ein Projekt bei einem Privatsender oder einem börsennotierten Unternehmen gesendet wird. Bildung ist Gift für die Quote!

Die Hauptkritik liegt bei den öffentlich-rechtlichen Sendern und ist klar berechtigt! Die ÖR haben einen Bildungsauftrag und gerade bei diesem Thema könnten sie ihn eigentlich mal wahrnehmen und wenn es nur auf einem Spartensender wäre.

Sehe ich im Grunde genauso wie die Vorredner.

Meiner Meinung nach ist ohnehin eine Art Teufelskreis entstanden aus dem es kaum noch einen Ausweg zu geben scheint. Die Medien bringen was die Masse der Bevölkerung hören will, und diese konsumieren und stellen das auch immer weniger bzw. gar nicht mehr in Frage. Man füttert sich gegenseitig, und viele Medien untereinander auch. Auch hier ist eben alles dem Wettkampf untergeordnet. Da ist kein Platz für Kritik, Kreativität oder Aufklärung. Der gemeine Konsument will ja nicht Böses hören oder sehen, wenn es ihn und seine Art zu Leben betrifft oder in Frage stellt. Und das wird bedient. Auch die Öffis sind zuallererst der Quote hörig.
Ein Armutszeugnis für die öffentlichen Medien und ein Schlag ins Gesicht für die Menschen, die da nicht nur viel Arbeit investiert, sondern Leib und Leben riskiert haben.

Das Problem ist eindeutig fehlende Medienkompetenz. Wir haben überhaupt nicht die Fähigkeit, mit einer solchen Masse an Informationen umzugehen.
Information ist nicht nur ein Segen, und nur weil es Informationszeitalter heißt, braucht man nicht zu glauben, die Menschen wüssten mehr als früher. Schön wäre es…