Diskussion über den Blog-Artikel: “Ich sag Dieter, Ihr sagt Bohlen”
Im Publikum bei DSDS - Ein kleiner Erfahrungsbericht von René
“Wir nehmen jetzt erstmal ein paar Appläuse auf” - Appläuse. Da saß ich nun im Publikum der vierten Mottoshow von DSDS und musste an diesem Abend nicht das erste und letzte Mal schmunzeln. Aber von Anfang an.
Ich behaupte, mit meinen Mitte 20 nicht unbedingt in die Kernzielgruppe von “Deutschland sucht den Superstar” zu fallen. Aber als sich mir dank eines glücklichen Zufalls die Möglichkeit bot, kostenlos eine der Mottoshows anzuschauen, musste ich nicht lange nachdenken. Nicht, dass ich den Namen eines einzigen Kandidaten gewusst hätte, aber mal bei dem größten und erfolgreichsten Castingformat Deutschlands hinter die Kulissen zu schauen, das fand ich spannend.
Wir fanden uns also bereits gegen 18 Uhr vor dem Studiogebäude ein, wo direkt die großen Reisebusse mit Schweizer Kennzeichen auffielen. Ein nicht unerheblicher Teil des Publikums schien aus Freunden und Familienmitgliedern der Kandidaten zu bestehen. Und damit man auch direkt weiß, wer zu wem gehört, trugen die auch meistens lustige T-Shirts mit dem Konterfei ihres Kandidaten, manche sogar Masken oder Kappen.
Diese Pulks an Fans, zwischen 20 und 50 Leuten, wurden draußen vor dem Studio erstmal von einem Kamerateam abgeklappert. Wichtig war dabei der Animateur. Der forderte dann auf, mal richtig dolle zu jubeln und der Kameramann hielt die Kamera etwa aus Kniehöhe nach oben und wenn man 2-3x hektisch von links nach rechts fuhr, sah das später im TV nach riesiger Menschenmenge aus.
Im Studio selbst gab es dann drei große Fraktionen an Fanpulks, für Kristof, Daniele und Hamed. Man muss sich mal vorstellen, wie sehr so eine DSDS-Teilnahme für eine Familie ins Geld gehen muss. Ob RTL den Familien Rabatte einräumt?
Nachdem wir im Studio also unsere Plätze eingenommen hatten, drehte der lustige Animateur erst mal die Musik laut auf, gezwungene Malle-Partystimmung mit Aviciis “Levels”, inklusive “Ich sag’ Dieter, Ihr sagt Bohlen”-Part.
Dann ging es auch schon los mit den “Appläusen”. Der Animateur erklärte uns, dass sie zwei Sequenzen aufnehmen müssten, für die Sonntagswiederholung und zum Einblenden in besonders emotionalen Momenten. Einmal nur Applaus im Sitzen und dann Applaus im Sitzen beginnend und in Standing Ovations übergehend. Die Familien der Kandidaten gaben sich dabei schon sehr routiniert. Insgesamt schien das für alle total okay und normal zu sein, dass man erst Eintritt bezahlt und dann als Statist herhalten muss.
Überspringen wir die offensichtlichen Dinge, die man auch von Zuhause beobachten kann, wie die Tatsache, dass die wenigsten Songs zum Motto “Ab in den Süden” passen und dass man den später von Fanmags und Bild-Zeitung aufgebauschten “Eklat” als Dieter Bohlen das Studio verließ für inszeniert halten konnte.
Ich war besonders neugierig darauf, was in den Werbepausen passiert. Wenig überraschend werden dann die Moderationen von Marco Schreyl für die Sonntags-Wiederholungen aufgezeichnet. Und unabhängig davon, was man von Schreyl halten mag, er ist 100% konzentriert, fokussiert und brauchte für keine Moderation mehr als einen Versuch. Gut, die DSDS-Sonntagswiederholung ist nicht die Oscar-Verleihung, aber diese Routine von Marco Schreyl und der ganzen Crew fand ich beeindruckend. Auch hier wird das Publikum aber wieder als Klatschfutter gefordert: Ruhig die ganze Moderation durchklatschen. Vielleicht sogar im Stehen? Und das Publikum macht das auch, wie frenetische Duracell-Häschen wird da alles gegeben.
Womit ich an einem weiteren interessanten Punkt bin. Marco Schreyl behauptete in einer Moderation, im Studio befänden sich 1400 Zuschauer. Ausgehend von meiner Platznummer und der Anzahl an Rängen würde ich eher von 800 Personen ausgehen.
Eine interessante Szene ergab sich während einer der Werbepausen. Die Bühne musste von Konfetti befreit werden und aus dem Hintergrund huschten einige Personen mit Besen auf die Bühne. Dann erhob sich Dieter Bohlen vom Jurytisch, ließ sich einen der Besen geben und fegte mit. Dass das keine RTL-Inszenierung war, merkte man daran, dass die Kamera erst draufhielt, als Bohlen den Besen wieder zurückgab. Trotzdem könnte man mit ein bisschen Argwohn vermuten, dass Dieter Bohlen sich so selbst als crewverbunden inszeniert hat.
Auch die Kandidaten schienen genau instruiert worden zu sein. Das ständige gegenseitige Händeschütteln und Umarmen kam speziell bei den Jüngeren im Publikum sehr gut an, scheint aber Bestandteil eines guten Coachings gewesen zu sein. Selten entglitten den sieben Kandidaten mal die Gesichtszüge.
Sehr professionell ist die Crew auch, was die Bühnenumbauten angeht. Bei der Bühnendeko funktionierte bei einem dieser Bögen die Beleuchtung nicht. Es wurde kurz probiert und nachdem in dem straffen Zeitfenster keine Lösung gefunden wurde, so gefilmt, dass es nicht auffiel. Insbesondere bei Danieles Auftritt wurde die Routine deutlich. Die Bühnendeko wurde auf einem Rollwagen gestapelt hereingefahren und verließ die Bühne nach dem Auftritt auch wieder exakt so gestapelt wieder. Genauso beeindruckt war ich, als ich bemerkte, dass die Tänzer und Tänzerinnen immer die gleichen sind, bei jedem der Auftritte. Sieben Choreographien lernen ist sicherlich nicht ohne. Das heißt, die Tänzer sind absolute Profis - oder die Songs für die Samstags-Show müssen schon sehr früh feststehen. Fernsehkritik.tv-Zuschauer dürften von der Feststellung, dass die Kandidaten sich die Songs nicht selbst aussuchen, wenig überrascht sein.
In der Entscheidungsshow habe ich leider zu spät auf den Notar geachtet. Für mich steht auf jeden Fall fest, dass er nicht bis zum letzten Moment persönlich irgendetwas überwacht. Er stand eine ganze Weile am Bühnenrand und ging dann eines der Podeste herauf und wieder herunter, um Marco Schreyl den Umschlag in die Hand zu drücken und wieder zu gehen. Dort stand er aber auch in den letzten Minuten, in denen die Leitungen noch geschaltet waren schon.
Während der Show hatte ich im Publikum ein Mädchen um die 12 Jahre entdeckt, das sich ein Wende-Schild gebastelt hatte. Auf der einen Seite jubelte sie für Daniele, auf der anderen für Hamed. Ich fand das zunächst sehr lustig, bis ich feststellte, dass das schlichtweg genial war: Mindestens einer ihrer beiden Lieblinge würde weiterkommen. Da soll noch einer sagen, RTL würde die Kinder verdummen…
Was habe ich mitgenommen? Die Feststellung, dass bei RTL auch nur mit Wasser gekocht wird. Dass DSDS eine straff durchorganisierte Veranstaltung ist. Dass Marco Schreyl zumindest zeitweise ein professioneller Moderator ist. Und dass ich jetzt alles gesehen habe und mir keine weitere Mottoshow anschauen muss. Weder vor Ort, noch im TV.