[post=472915]@Lea.B[/post]
Hallo Lea,
beim Lesen deiner Ansätze zur Auswertung sind mir einige Dinge aufgefallen, die ich im Rahmen meiner Statistikausbildung vielleicht anders gelernt habe und gerne ansprechen würde. Bitte betrachte meine Punkte nicht als vernichtende Kritik, sondern als Hinweise, wo du vielleicht noch einmal genauer hinschauen könntest, um dir deiner Sache noch sicherer zu sein.
Da ich sehr viele Variablen abfrage, brauche ich auch entsprechend viele Fälle, damit meine statistischen Rechenmodelle nicht „kollabieren“, wie man sagt.
Was verstehst du unter „statistischen Rechenmodellen“? Sprichst du von Signifikanztests zur Prüfung von Unterschieden in Mittelwert und Streuung? Außerdem frage ich mich, was „kollabieren“ in diesem Zusammenhang bedeuten soll.
Dass aus einer großen Zahl an „Fällen“ bzw. präziser einem großen Stichprobenumfang nicht automatisch Repräsentativität für die Allgemeinheit folgt, ist dir hoffentlich bewusst und wird in der Arbeit auch umfangreich diskutiert, oder? Schließlich erhebst du nur Daten für eine stark vorgefilterte Gruppe, Rückschlüsse auf die Allgemeinheit sind aufgrund fehlender Kenntnisse über die Zusammensetzung deiner Stichprobe quasi unmöglich.
Die Einstufung auf dem politischen Spektrum werde ich nicht einteilen sondern als Kontinuum verwenden.
Ganz so einfach ist das nicht, denn deine Daten sind formal ordinalskaliert.
Ein weiteres Problem ist, dass du an keiner Stelle genau festlegst, was du unter „links“ oder „rechts“ verstehst. Definiert die Partei „DIE LINKE“ das Ende des linken Spektrums? Oder geht es generell um linke Werte? Oder muss man Molotow-Cocktails gegen Polizisten werfen, um sich ganz links einordnen zu dürfen? Selbiges gilt natürlich auch für rechts: Definiert die CDU das Ende der Skala, oder doch die NSDAP?
Folglich wird jede Person die eigene Definition als Maßstab anlegen, du bekommst also Zahlen, die noch nicht einmal untereinander vergleichbar sind, weil sie mit Hilfe unterschiedlicher Maßstäbe aufgenommen worden sind, deren Zusammenhänge du nicht kennst.
Daher wird die Auswertung so aussehen, dass ich nach sinnvollen Zusammenhängen suchen werde, die mit meiner Forschungsfrage zu tun haben.
Wahrscheinlich wirst du genau jene Zusammenhänge finden, die du implizit durch dein Fragebogendesign bereits suggerierst.
Und da die Items miteinander verrechnet werden, entstehen dann ja auch alle Nachkommastellen, die es gibt.
Du erhebst ordinalskalierte Daten, sprich, es gibt eine Menge an Kategorien mit geordneter Wertigkeit, echte Abstände zwischen den Elementen existieren nicht, sondern wurden von dir willkürlich auf den Wert „1“ gesetzt. Wie lässt sich eine politische Distanz von 2 Einheiten denn verstehen? Wie ist eine „Links-Rechts-Spektrum-Einheit“ definiert? Besteht tatsächlich ein linearer Zusammenhang zwischen der „Links-Rechts-Spektrum-Einheit“ und einer tatsächlichen Merkmalsausprägung? Da dies ungeklärt ist und kaum sinnvoll quantifiziert werden kann, wären Median und Quartile die ehrlicheren Größen zur Charakterisierung der Stichproben. Hier fließt nur das ein, was tatsächlich gegeben ist: Die relative Wertigkeit zueinander.
Es ist zwar erschreckend verbreitet die Werkzeuge für metrische Daten (Varianz, arithmetisches Mittel, die dazugehörigen Signifikanztests) auch auf ordinalskalierte Daten anzuwenden, formal korrekt und mathematisch abgesichert ist das jedoch nicht und Gegenstand hitziger Debatten. Solche und ähnliche Ungenauigkeiten führen dann zum Beispiel auf dem Gebiet der Psychologie zu großen Problemen:
http://www.nature.com/news/over-half-of-psychology-studies-fail-reproducibility-test-1.18248
http://www.nature.com/news/replication-studies-bad-copy-1.10634
Da ich aber die allgemeine Einstellung zum Journalismus messen wollte, habe ich die Aussagen entsprechend allgemein umformuliert.
Sei hier strenger bezüglich der Formulierung: Du führst keine replizierbare Messung metrischer Daten durch, sondern die Teilnehmer antworten passend zur ihrer jeweils sehr subjektiven Interpretation deiner Fragen. Auch das gleiche Individuum wird bei einem zweiten Versuch wohl nicht exakt gleich antworten. Sei (selbst-)kritischer! Einer meiner Professoren (naturwissenschaftliches Studium) sagte einmal, dass es der beste Ansatz sei, die eigene Hypothese widerlegen zu wollen - so schwer es auch fällt. Man darf nicht in die Falle geraten statistische Zahlenspiele zu betreiben, bis irgendetwas Schönes oder Signifikantes herauskommt.
Ich hoffe, dass meine Hinweise hilfreich sind und wünsche dir noch viel Erfolg und Spaß mit deinem Projekt!