Jetzt seid doch mal ganz ehrlich, all diese Randgruppen definieren sich doch auch unter anderem durch ihre Kleidung. Wer genau definiert jetzt also, wer ein ECHTER Metaller/Punk/Gothic/etc. ist? Die Leute, die von sich glauben, selbst total in der Szene zu sein?
Kurzum, ich finde solche „Szenen“ in der Regel relativ lächerlich, zumal oft eine gewisse Arroganz hinzu kommt, weil sich die wirklich ECHTEN sich meinen irgendwie besser fühlen zu dürfen als sogenannte „Normalos“. Oder gar Leute, die ihren Kleidungsstil nach einer der „Szenen“ ausrichten, nur weil es ihnen gefällt.
War übrigens auch mal witzig: Ich wurde mal als Möchtegern-Punk bezeichnet, weil ich mir meine Haare grün gefärbt hatte. Niedlich!
Natürlich definieren sich Randgruppen auch durch ihre Kleidung und die Unterscheidung, was ein ECHTER Metaller/Punk/Gothic/etc. ist, fällt schwer. Genauso wie Berufskleidung den Beruf anzeigt, aber nicht unbedingt (Art der Kochmütze und Abzeichen auf der Uniformjacke mal ausgenommen) die Art der Auslebung, das Einsatzgebiet oder gar das Können verrät…
Aber was da meiner Meinung nach des Pudels Kern ist: es gibt Menschen, die eine gewisse Einstellung/Meinung vertreten, die sich dann im Kleidungsstil niederschlägt. Das kann z.T. auch nur den Musikgeschmack betreffen, soll heißen, dass man eine Musik gut findet - und damit meist die Ideologie, die dahinter steht - und sich entsprechend kleidet, um diese Einstellung auszudrücken. Für andere wiederum kann Musik nur ein Ausdruck einer Einstellung sein, die ihnen ohnehin innewohnte. Wobei teilweise die Frage, ob nun Henne oder Ei zuerst da waren, gestellt werden müsste… aber für mich bedeutet „ECHT“ ganz einfach, dass man die Einstellung und Ideologie, die man ausdrückt, auch verinnerlicht hat. Wenn ich mir Lederhosen anziehe und zum Fasching als Bayer gehe, bin ich auch kein „ECHTER“ Bayer - eben weil ich die dortigen Ansichten/Bräuche nicht teile bzw. sie mir fremd sind und weil ich nicht von dort komme.
Und es gibt nun noch andere, die diese Meinung, den Hintergrund, nicht teilen, sondern diese Kleidung aus anderen Gründen tragen. Oftmals nun leider nur deswegen, weil sie „besonderer“ sein wollen als ihre Mitmenschen. Abgesehen davon, dass es in meinen Augen Firlefanz ist, zu glauben, man wäre unter Milliarden Menschen irgendwas besonderes und auch nur die Annahme, man könnte unter all den Anderen einen besonderen Platz einnehmen, nur weil die Kleidung andersfarbig ist, grenzt an Irrsinn.
Und das ist dann eben der Punkt, der vielen „Echten“ missfällt. Man kann nicht mehr einordnen, wer dieselben Ansichten/Meinungen vertritt, wer dieselbe Lebensauffassung vertritt und außerdem kann es leicht passieren, dass man sich für seine Einstellung in der Gesellschaft schämen muss bzw. man sie einfach für sich behält, nur weil soviele „Möchtegerns“ sich damit als coole Draufgänger oder sonstiges profilieren mussten. Nehmt das Beispiel der Satanisten. Wer von uns hat denn keine vorgefertigte Meinung über sie? Friedhöfe, Tieropfer, satanische Rituale und Teufelsanbetungen, Blut trinken und so weiter. Selbst die dunkle Kleidung der Gothics und Grufties wird mit Satanisten in Verbindung gebracht. Allesamt Punkte, die von der Bild-Zeitung und drittklassigen Hollywood-Streifen gesetzt wurden und die sich durch die „ich mach auf böse dann bin ich der Held in der 7a und auf dem Pausenhof“-Mentalität in die Köpfe der Meisten eingeprägt hat. Dabei ist „Teufelsanbetung eines Satanisten“ ein Paradoxon allererster Güte (wir haben keinen Gott; Satanismus ist eine Form des Atheismus und „Satan“ steht als Gegenpol zum christlichen Glauben in Europa). Tieropfer widerspricht den Regeln und würde niemandem in den Sinn kommen, Blut trinken noch weniger, Friedhöfe sind nicht bedeutungsvoller als für andersgläubige und durch die Kleidung wird schon gar nichts ausgedrückt. Trotzdem behält man diese Meinung für sich, einfach weil das Bild von so vielen „Pseudos“ derart vorgeprägt ist, dass man im Vornherein für etwas verurteilt wird, das man niemals machen würde.
Apropos: Die „Arroganz“, die du beschreibst, ist mir bei „Echten“ noch nie aufgefallen. Einfach, weil’s ihnen vollkommen egal ist, ob sie was besseres sind oder nicht bzw. weil sie wissen, dass ihre Einstellung sie nicht höherwertiger macht. Ich persönlich bin der Meinung (wirklich nur ganz subjektiv), dass gerade die, die sich unbedingt als „die Echten“ fühlen wollen, die „Falschen“ sind. Weil sich durch diesen Zwang, eine elitäre Gruppe darzustellen oder darstellen zu wollen doch nur dasselbe ausdrückt, was sie bei den „Pseudos“ verurteilen.
Aber mal ganz allgemein: Egal in welchem Zeitalter, egal in welchem Land und egal für welche Ansichten - es war schon immer so, dass Menschen durch ihre Kleidung und Accessoires ihre Meinung vertraten. Autoaufkleber, Buttons, Sticker, Poster, Fahnen, Kleidung in allen Größen, Farben und Motiven. Und ich finde das nur natürlich - selbst wenn man’s nicht drauf anlegt, drückt Kleidung doch etwas über den Träger aus. Eine Freundin von mir liebt grüne/gelbe/lila Blusen, die ich nie im Leben anziehen würde. Auch natürlich deswegen nicht, weil’s Blusen sind und ich männlich, aber auch wegen der Farbe… dass sie eine strahlende, Energie verbreitende Person ist, wird auch da durch Kleidung ausgedrückt.
Im Endeffekt haben wir doch alle unsere Vorurteile über alles mögliche. Und, wie Woodstock es schon beschreibt, hat jeder von uns mal solche Phasen durchgemacht. Ich war auch mal Punk (30cm-Irokese ), dann mal in Springerstiefeln, eine Zeit lang recht Gothic-mäßig und momentan… naja… Privatsache.
Aber ich wäre stark dafür, dass man einfach andere Menschen ihren Weg bzw. ihre Art der Selbstfindung durchmachen lässt. Auch wenn mich manche 14-jährige „Ich bin BÖÖÖÖÖSE! Guck, da, ein Satanistenstern und schwarze Schminke!“-Menschen etwas aufregen, weiß ich doch, dass sie das in 5 Jahren oder in 10 Jahren aufgeben - und dann wahrscheinlich, so wie ich, mit einem lachenden und einem beschämten Auge auf solche Dinge zurückblicken. Es gehört eben dazu. Und wie gesagt, wer sich als was Besseres vorkommen will und deswegen die „Möchtegerns“ verurteilt, ist selbst nicht wirklich mehr.
Aber auch diese Suche, dieser Wunsch, etwas Besonderes zu sein, ist durchaus menschlich. Man sollte eben alles nicht so ernst nehmen im Leben
/edit. in gewisser Weise trifft da auch meine Signatur zu. Auf Deutsch ungefähr „Wenn du ein Schiff konstruieren willst, fange nicht damit an, Planken/Werkzeuge anzufertigen und Arbeit zu verteilen, sondern wecke im Bewusstsein der Menschen den Wunsch nach dem großen, weiten Meer“. Bei der richtigen Einstellung ergeben sich eben andere Dinge ganz von selbst, ohne dass man sie extra beachten müsste…