Irgendwie fehlt mir hier eine Beobachtung, die bisher eher im Subtext mitschwingt.
Die gesteigerte Gewaltdarstellung in Computerspielen, Filmen, Serien o.ä. könnte doch auch durchaus mit technischem Fortschritt erklärbar sein.
Zombie, Splatter usw. gibt es schon lange, allerdings vor einigen Jahren mit eher billigen Specialeffects und Masken.
Heutzutage sind die Effekte verglichen mit dem was möglich ist eigentlich immer noch relativ „billig“, allerdings sind die Möglichkeiten so gut, dass man auch mit einem recht niedrigen Budget astreine Ergebnisse erzielen kann.
Ähnliches gilt bei Computerspielen. Frühere Computerspiele waren nicht wirklich „friedlicher“ oder „gewaltfreier“, lediglich die Grafik hat nicht soweit mitgespielt wie heute.
Man denke nur an den ersten Resident Evil Teil, wenn die Designer damals die heutigen Möglichkeiten gehabt hätten, dann hätten sie diese vermutlich voll ausgereizt.
Auch sonst waren gerade die 90er berühmt für regelrechte Gewaltorgien auf dem Bildschirm. (Quake, Carmageddon, Fallout 1 und 2, Doom, GTA)
Bei all diesen Spielen kann man sich in einer Hinsicht wirklich sicher sein: Die für heutige Verhältnisse wenig beeindruckte Gewaltdarstellung war lediglich der technischen Begrenzung anzukreiden und mitnichten einer geringeren „Gewaltlust“ der Gesellschaft.
Wenn man sich folgende Dinge überlegt:
Galdiatorenkämpfe im alten Rom
Ritterturniere und öffentliche Hinrichtungen im Mittelalter
Schaulaustige in der Nähe der Schlachtfelder der Neuzeit
Begeisterung junger Männer für den Krieg trotz Verdun, Stalingrad oder Vietnam…
es gibt keine Zunahme in der „Gewaltgeilheit“, es gibt heutzutage lediglich eine bessere Möglichkeit diese graphisch darzustellen und das zu einem zumutbarem Kostenaufwand.
Noch dazu kommt eine andere Sache, wir sind einfach viel besser verbunden.
Der Gladiatorenkampf im alten Rom blieb in der Arena und wurde nur weiter erzählt.
Die öffentliche Hinrichtung war für ein Dorf oder eine Stadt bestimmt.
Der Krieg wurde vll durch einige Fotos o.ä. übertragen.
Heutzutage können wir Gewalt in all ihren Ausmaßen in Echtzeit um den Globus schicken und das im Zweifel auch noch in HD.
Aber auch hier sehen wir: Es ist keine gesellschaftliche sondern eine technische Veränderung.
Natürlich wirkt so eine technische Veränderung auch auf die Gesellschaft ein. Man kann sich heutzutage schlechter verstecken.
In meiner Schulzeit ging die Seite rotten.com als der absolute superduper „Geheimtipp“ überall rum. Jeder Kerl der wirklich ein Kerl sein wollte der musste rotten.com kennen und alles lieben was dort zu sehen war.
Ich hatte damals den Vorteil von schlechtem Internet, daher bin ich nie in die Verlegenheit gekommen mir die Seite mal ernsthaft anzusehen.
Würde ich heutzutage zur Schule gehen, dann würde ich einen entsprechenden Link oder besser noch ein entsprechendes Bild sofort per Smartphone zugestellt bekommen. (Gut ich jetzt vielleicht nicht… da ich keines habe… aber ihr wisst was ich sagen will…)
ergo: Die großen „Probleme“ die hier gesehen werden sind meiner Meinung nach keine „gesellschaftlichen“ sondern eher „technische“. Die Frage ist ob man dabei wirklich von „Problemen“ reden sollte.
Anmerkung:
Niemand ist sicher. In einer Zeit, wo man sich zu sehr daran gewöhnt hat, das ein James Bond oder ein Stallone noch so tief in der Scheiße sitzen kann, er wird es immer irgendwie schaffen, ist es gerade diese Kompromisslose Beseitigung von Hauptcharakteren, die dich dazu umerzieht wirkliche und echte „Angst“ um deine Lieblingscharaktere zu bekommen.
Diese Beobachtung teile ich allerdings auch, begrüße sie aber auch von ganzem Herzen. Nichts ist langweiliger als die Garantie des überlebenden Charakters. Klar ich mag James Bond Filme… aber man fiebert bei einem Bondfilm nicht wirklich mit, man wartet auf die übertriebene/lustige/überraschende Befreiung. Aber Angst um Bond hat man einfach nicht.
Bei Lied von Eis und Feuer hatte ich hingegen teilweise Angst umzublättern, ich habe während des Lesens das Buch zugeklappt und Martin und alle die ihn kennen sollten verflucht. Ich musste mich zwingen nicht vorab die Kapitelüberschriften zu lesen um zu erfahren ob bestimmte Charaktere noch leben.
Das ist es doch was ich von einer Serie erwarte. Ich will nicht vorab wissen wer gewinnt.
Insofern würde ich hier sagen: Wenn jemand aufgrund dieser Entwicklung eine Verohung der Gesellschaft sieht, dann soll das Drehbuch seines Lebens fürderhin von Martin persönlich geschrieben werden. (hm… unter Umständen beweise ich damit einen gewissen Hang zur Verrohung…)
In jedem Fall muss man sich bei dieser Art des Geschichtenerzählens vermutlich viel häufiger Gedanken um die Moral der Sache machen. Und zwar wirklich Gedanken.
Auch die Moral wird einem nicht mehr so einfach vorgekaut. Wenn es früher eindeutig war, dass am Ende die Botschaft stand: Drogen sind schlimm hmmkay.
Dann ist es heute halt komplizierter und vielschichtiger. Der Drogendealer ist nicht mehr einfach der platte Bösewicht sondern es wird die Geschichte hinter dem Bösewicht gezeigt.
Im Prinzip eine Geschichte mit der Tarantino angefangen hat und die nun in sehr viel weiter ausgebaut wird.
Hier wird im Prinzip die moderne Sozialwissenschaft angenommen. In einer Gesellschaft in der man nach dem Grundsatz lebt, dass Verbrechen immer eine Geschichte hat in der muss man eben auch die Geschichten mit der Geschichte des Verbrechens füllen.
Die Grundsätze von gut und böse funktionieren gesellschaftlich nicht mehr so einfach. Also funktionieren sie auch nicht mehr in einer Geschichte.