Heute abend beginnt das alljährliche Model-Casting wieder und auf FOCUS Online findet man eine hübsche Kolumne zum Thema:
Germany´s Next Topmodel
Im Angesicht des Brotes
Heidi Klum castet wieder, doch welches Prinzip regiert eigentlich an der Pforte zum Model-Himmel? Für die Antwort muss man Klum mit Brot vergleichen, meint FOCUS-Online-Redakteur Florian Festl.
Vor den Model-Himmel hat Gott die Heidi Klum gesetzt. Auf einen großen Thron. Um sich interessant zu machen, lässt sie kurze Blicke ins Paradies zu. Hinter der Pforte schwebt die Vorjahressiegerin in der Kutsche des Hauptsponsors, begleitet von Ooh-Rufen und Klingeltönen. Die Kandidatin auf der Himmelsleiter möchte sofort hineinspringen in das Sehnsuchtsreich. Doch Klum macht nicht Platz. Menno! Die Pförtnerin ist unbestechlich, sitzt da wie ein Kastenbrot, das nur einen Blick zu bieten hat. Stur und unbeweglich, fast immer. Gelegentlich regt sich die ausdruckslose Masse, verformt sich zu einem Grinsen und stößt schrille Töne aus. Suuuuuper! Wow! Haalllloooo! Määädels! Noch während des Ausrufs erstarrt das Gesicht wieder.
Klums Gehilfen
Zigtausende Mädchen hatten bereits diese Nahtoderfahrung. Sie wollten eingehen in Sphären, in denen es keine Hausaufgaben und Gleichaltrigen mehr gibt, dafür Diener, die ihnen Pickel wegschminken und die Haare schön machen. Viele blieben schon im Pferch irgendwelcher Messehallen hängen, die anderen scheiterten eben später im Angesicht des Brotes. Klum hat Gehilfen. Sie sind getarnt als schräge Gesellen, liebkosen Mädchenwangen (Rolf Scheider) oder heulen und bibbern mit den Verdammten um die Wette (Bruce Darnell). Ihre Aufgabe besteht aber nur darin, die Drecksarbeit zu übernehmen. Mit einem Lächeln stoßen sie die Anwärterinnen zurück in die Tiefe.
Als Anführer der himmlischen Gehilfen fungierte eine Zeitlang Peyman Amin. Ein Glatzkopf, den die einen total gemein und die anderen supersüß fanden. Doch er übertrieb es mit seinem diabolischen Spiel und vergaß das erste heilige Heidi-Gebot: Stehle nie dem Brot die Show (ein Gesetz, das aufgrund der begrenzten darstellerischen Fähigkeiten des Brotes nicht dauerhaft einzuhalten ist). Wer gegen das erste Gebot verstößt, wird automatisch Opfer des zweiten: Alle sind austauschbar, nur das Brot bleibt für immer und wird immer härter. Der kahle Januskopf musste gehen, der Mädchenküsser auch, die Heulboje ist schon lange weg. Als Ersatz kommt jetzt ein Modefotograf, der sich mit kecken Franzosenkäppis schmückt. Dazu betritt ein Marketing-Agent die Bühne. Er ist so cool, dass er sich Q nennt.
Auf einmal alles anders?
Modefotograf Q ist mit allen Wassern gewaschen. Er trägt einen Herzsticker am Sakko, der ihn für die Neuankömmlinge auf Anhieb sympathisch macht. Wen man mag, dem glaubt man, hehe. Und so kann Q Unerhörtes verbreiten: „Ein intelligentes, schönes Mädchen sieht immer schöner aus als ein dummes, schönes Mädchen.“ Sowas lässt er mal nebenbei fallen (im Übrigen eine glatte Lüge). Weil sich die Mädchen viele Gedanken machen vor ihrem Auftritt, wird sie Q damit verwirren. Bisher musste man doch nur zu Bumm-Bumm-Beats laufen und vor dem Umdrehen einen Knicks machen, vielleicht noch etwas Haarspray auf die Beine für den Glanz und nur halb so viel Schminke wie sonst. Makelloses Hautbild und porentief dumm, das geht auf einmal nicht mehr? Verdammt, also noch schnell die Formelsammlung und den Stowasser zu den Hair-Extensions packen, und auf geht´s zum Massencasting.
Erst später werden sie merken, dass alles Wissen der Welt nicht weiterhilft, wenn man mit Pasta auf dem Kopf und Chilisauce in den Augen einem Fotografen gefallen soll. Sie werden Q und die anderen, die noch immer das Brot anlachen, verfluchen. Doch Vorsicht, wer austickt, kommt hier nie wieder raus. Ein Mädchen namens Tessa zum Beispiel zückte einst den Mittelfinger, als sie an der Pforte nicht durchgelassen wurde. Eine kühne Geste, die ihr aber nicht Befreiung, sondern Verbannung einbrachte. Ins Fegfeuer. Sie wurde zusammen mit anderen jungen Frauen in einen harmlos wirkenden Backstein-Bau überführt. Das Haus hat den netten Namen Model-WG, doch Hausmeister ist der Glatzkopf, der eine Etage höher gelernt hat.
Am bittersten aber kommt es für die wenigen Auserwählten, die einmal im Jahr durchgelassen werden. Hinter der Pforte müssen sie festststellen, dass Günther Klum schon da war, Heidis Papa und Manager, und er hat Gott eine Unterschrift abgetrotzt: Selbst im Paradies gelten seitdem die heiligen Heidi-Gebote.
Quelle: http://www.focus.de/panorama/boulevard/ … 85581.html