Gast in Veto 83: Prof. Christian Böttger - Thema: 9-Euro-Ticket

Das 9-Euro-Ticket wird von vielen als großer Erfolg gewertet. Nicht so Prof. Christian Böttger, der sagt: Das Ticket ist ein Reinfall.

Welche Fragen / Gedanken habt Ihr zu dem Thema? Das Interview wird bereits an diesem Donnerstag aufgezeichnet.

Ich finde, er spricht natürlich schon aus einer sehr privilegierten Sicht, wenn er als Bahncard 100-Kunde sich darüber echauffiert, dass die Züge überfüllt waren, weil unterprivilegierte Menschen sich auch mal eine Bahnreise leisten konnten.
Man sollte diesen Effekt vielleicht auch weniger unter dem Aspekt „unnötige Reisen“ sehen, sondern eher unter Subvention für die gesellschaftliche Teilhabe von ärmeren Bevölkerungsschichten.

Darüber hinaus hat, glaube ich, keiner behauptet, dass das 9Eur-Ticket der Wahrheit letzter Schluss ist und dass es nun auf ewig so günstig bleiben muss.
Aber ein Erfolg und ein Imagegewinn für die Schiene war es meiner Ansicht nach in jedem Fall. Und irgendeine Anschlussregelung mit vor allem einheitlichen Tarifen ist in jedem Fall wünschenswert.

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Das Ticketing-System ist für den einzelnen Fahrgast nicht so kompliziert, wie immer behauptet wird. Nehmen Sie den DB-Navigator, das ist wirklich eine tolle App. Man kann damit einen Fahrschein vom kleinsten Dorf bis in eine große Stadt buchen – ganz egal, wie viel Verkehrsverbünde genutzt werden.

Früher hat die DB gern (oft etwa doppelt so) teure Bahntarife auf Nahverkehrsstrecken verkauft statt die Tarife des jeweiligen Verkehrsverbundes. Mittlerweile ist das zwar besser geworden, aber sein Vorschlag funktioniert nur begrenzt, weil der DB-Navigator erst mal nur bei Einzelfahrten hilft (oder Hin- und Rückfahrt). Hat man mehrere Fahrten innerhalb eines Tages, einer Woche oder eines Monats, vielleicht auch zu verschiedenen Zielen, muss man sich das in der Regel im Voraus ausrechnen, um nicht zu viel zu bezahlen.

  • Ist es vertretbar, dass alle Steuerzahler günstigere Tickets finanzieren, obwohl Menschen auf dem Land nicht so viele Möglichkeiten haben, sie zu nutzen?
  • Wie kann man den ÖPNV auf dem Land fördern?
  • Zur Kapazitätssteigerung der Bahn sind Aus- und Neubauten von Bahnstrecken nötig. Oft stehen solchen Projekten Bürgerinitiativen in den betroffenen Gemeinden entgegen. Wie ist eine Kapazitätssteigerung möglich, ohne zahlreiche Menschen zu verärgern?

Sorry, wenn ich das aufgreife, aber Gegenfrage dazu:

Ist es vertretbar, dass Steuerzahler aus Baden-Württemberg den Bau einer Autobahn in Mecklenburg-VP finanzieren, obwohl sie nicht so viele Möglichkeiten haben diese zu nutzen?

In beiden Fällen würde ich mit ‚Ja‘ antworten.

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Macht der eine Unsinn den anderen besser? Ich würde mit „nein“ antworten.

Das Problem besteht doch beim 9-Euro-Ticket darin, dass eine strukturelle Asymmetrie im ÖPNV angelegt ist. Es ist von vorne herein bekannt, dass ein Projekt, dass vermeintlich mit der Gießkanne daherkommt, nur hochselektiv wirkt, dies aber öffentlich verschwiegen wird. Hätte man offensiv gesagt, dass man denn ÖPNV der Ballungsgebiete fördern will, wäre es ehrlich gewesen - aber halt schlecht angekommen.

Ich muss sagen, dass ich als eigentlicher Nutznießer des Tickets (ÖPNV-Nutzer mit großer Ersparnis für 3 Monate) froh bin, dass es vorbei ist. Immer wie im Schweinetransport eingepfercht zu sein im Berufsverkehr ist wirklich kein Spaß.

Ich auch, aber mich interessiert, wie der Gast dazu steht.

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Ich gehöre zu den Leuten, die durch das 9-Euro-Ticket und überfüllter Züge umgestiegen sind - auf den Fernverkehr.

  • Wie ist seine Einschätzung in dem Zeitraum, was die Auslastung der FV-Züge angeht? Hat sie eher abgenommen, weil viele Fahrgäste auf den Nahverkehr umgestiegen sind?
  • BC 100 Kunden sind -anders als Abo-Kunden aus Verbünden- leer ausgegangen. Ist das für ihn ok oder hätte man hier auch eine Lösung finden sollen?

Meine persönlichen Erfahrungen haben gezeigt, dass speziell Hauptstrecken und Langläuferlinien überlastet waren. Nebenbahnen auf dem Land, langsamere S-Bahn-Linien und Busse im Taktverkehr (z.B. PlusBusse) waren im Vergleich gering ausgelastet.

  • Hätte man eine bessere Verkehrslenkung schon bei der Verbindungssuche durchführen sollen? DB hat ja nur in den Anmerkungen einer Zugverbindung Alternativlinien vorgeschlagen. Beispiel: Nürnberg - Ingolstadt - München (Direktweg MNX → voll) / Alternative: Nürnberg - Treuchtlingen (Umstieg) - Ingolstadt - München ( → leer)

…und ist nebenbei eine Datenschutz-Katastrophe, wie man im letzten CC2.TV-Audiocast hören konnte, bei der Deine Daten für eine Ticket-Prüfung an gut 10 verschiedene Firmen durchgereicht werden:

(Nicht, dass moderne Autos mit eingebautem Mobilfunk-Notruf-Systemen datensparsamer wären - aber das ist ein anderes Thema!)

Wenn man ehrlich wäre, würde man schnell zu dem Schluss kommen, dass KFZ-Besitzer nicht nur ihren Anteil des Verkehrsnetzes steuerlich finanzieren würden - sondern, dass sie auch viel mit finanzieren, was nichts mit Autofahren & Co. zu tun hat. Es ist ein „Unsinn“, der in dieser Richtung schlicht und ergreifend nicht existiert. :man_shrugging:

Aber Steuern sind bedauerlicherweise nicht zweckgebunden - daher ist das Thema „Welcher Steuerzahler finanziert was?“ so oder so müßig. Kommt alles in einen Topf und dann wird aufgeteilt.

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Exakt das war mein Punkt. Danke!

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