Fußballbegeisterung = harmloser Patriotismus?

Kommt sicherlich auch auf das jeweilige Bundesland an. :wink:

Ich hatte durchaus mal Fahnen rausgehängt.
Ein St. Pauli Flagge und eine Deutschland Flagge.

Einen Tag später hatte ich Besuch von meiner Vermieterin, ob ich meine Flaggen abnehmen könnte.
Ihr war die Gefahr zu groß, daß “gewaltbereite” HSV Fans und Ausländer die Fenster einschmeissen könnten.

Um des lieben Friedens Willen hab ich sie letztenendes abgehängt.
Nicht das die alte Dame sich übermäßig Sorgen macht.

@ Enzio:

Verdammt. Der Punkt geht zweifelsohne an dich. :smt011
In den neuen Bundesländern könnte man auf Grund von patriotischem Verhalten durchaus Aufmerksamkeit bekommen.

@ Blacky:

Gut das widerspricht tatsächlich meine These. Das hätte ich nicht gedacht.
Aber immerhin hattest du eine fürsorgliche Vermieterin. Ist ja auch was wert. :smiley:

Gruß
Otto

Stimmt irgendwie.
Es war ja schliesslich tiefster Winter und ohne Fenster hätte ich frieren müssen. :smt023

Also ein gefährlicher Nationalismus ist mir dabei bisher nie aufgefallen. Es ist ausnahmsweise mal ein kleines Bisschen Zusammengehörigkeitsgefühl da, was es hierzulande eigentlich sonst kaum gibt. Sonst wird von vielen doch eher eine Art Rassismus gegen sich selbst gelebt. Im Vergleich zu 2006 flattern (zumindest bei uns in der Stadt) kaum Flaggen.

Ich finde es auch erstaunlich, wieviele Menschen sich urplötzlich für eine Sportart begeistern können, die sie vermutlich gar nicht interessiert. Das ist aber absolut kein deutsches Phänomen und auch nicht auf eine Fußball-Europa- oder Weltmeisterschaft beschränkt. Auch bei anderen Turnieren oder Spielen, frage ich mich oft, ob diese vielen Menschen in den kolossalen Stadien, sich wirklich für die Sportart interessieren oder ob das nicht viel eher eine Form von Lokalpatriotismus ist. Also mir persönlich kommt es nicht so vor, als würde der Sport wirklich im Vordergrund stehen.

Ich wette auch nächsten Sommer wird auffällig viel von Parlamenten verabschiedet… auch ohne Fußball.
Mag vielleicht daran liegen, dass bald Urlaub ist und bis dahin man die Dinge fertig bekommen will. Das ist in der Politik nicht anders :wink:
Gut das könnte von mir jetzt auch nur eine üble Verschwörungstheorie sein. :roll:

Naja, ich wünsche Anchantia noch viel Erfolg beim Aufdecken von großen, schleichenden Gefahren, ich feiere daweil die EM und erlaube es mir die eigene Nationalmanschaft anzufeuern.

Über was man sich alles aufregen kann :roll:
[ironie]Haben Linke eigentlich auch mal Spaß, mal abgesehen davon wenn sie Polizisten verprügeln?[/ironie]

Weil hier entsprechende Äußerungen bereits getätigt wurden:

Darf ich mal nachfragen, wie man konzeptionell gesehen auf ein Land (!) stolz sein kann, in welches man vollkommen zufällig hineingeboren wurde und zum Erhalt dessen Zustands als einzelnes Individuum vermutlich 0 beiträgt?

MfG Forger

Tja, ich bin stolz auf Deutschland wegen seiner Landschaft, der unvergleichlichen Natur, der Bauwerke, Burgen, Schlösser, Denkmäler, seiner Kultur, seinen Errungenschaften und darauf, dass ich Teil einer Nation bin, die diese Welt jahrhundertelang geprägt hat. Aber das ist nur meine eigene Definition. :wink:

Stolz impliziert, dass man für sich selbst eine Leistung erbringt.

Dass ich in einem Land LEBE, ist imho keine Leistung o.O

MfG Forger

Dann hast du dazu eine andere Einstellung. Das definiert jeder selbst. :wink:

Darf ich mal nachfragen, wie man konzeptionistisch gesehen auf ein Land (!) stolz sein kann, in welches man vollkommen zufällig hineingeboren wurde und zum Erhalt dessen Zustands als einzelnes Individuum vermutlich 0 beiträgt?

Nein, man kann nicht auf ein Land stolz sein, wenn man von den folgenden zwei Prämissen ausgeht:
[ul]1. Man versteht unter Stolz ganz streng, dass dieser nur auf eigene Leistungen möglich ist.
2. Man stellt, so wie du, in Abrede, dass man zum Zustand des eigenen Landes etwas beiträgt.[/ul]

Aber, dieses Verständins greift meiner Meinung nach zu kurz und ist viel zu eng.
Denn was meinen Leute, wenn sie von Stolz auf ihr Land sprechen?
Einige denkbare Beispiele:
[ul]- Sie sind „stolz“ auf die Errungenschaften eines Landes, seien es technische Erfindungen oder gesellschaftliche Errungenschaften.

  • Sie sind „stolz“ auf die Existenz von Menschenrechten und Rechtsstaat in ihrem Land.
  • Sie sind „stolz“ auf den Wohlstand den sie (und ihre Vorfahren) der Nation erarbeitet haben.
  • Sie sind „stolz“ auf ihre Vorfahren und für das, wofür sie gekämpft haben, z.B. Freiheit, Menschrechte, Demokratie etc.
  • Sie sind „stolz“ auf Gewicht und Einfluss ihres Landes in der Welt, sei es politisch, wirtschaftlich, militärisch.
  • Sie sind „stolz“ auf die Schönheit ihres Landes.
    und so weiter …[/ul]
    Auf manches dieser Dinge könnten sie nach dem engen Verständnis von Stolz nicht stolz sein. :ugly
    In diesen Fällen wird aber von „Stolz“ gesprochen, weil dies einfach eine übliche Art ist, die Gefühle in diesem Zusammenhang zu beschreiben.
    Ich denke, dass dies damit erklärt werden kann, dass patriotische Gefühle dem Gefühl des Stolzes sehr ähnlich sind.
    Desweiteren gibt es kein besseres Wort um diese Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Es gibt das Wort Patriotismus, welches diese umfasst, doch klingt „ich bin patriotisch auf mein Land“ irgendwie komisch.
    Man könnte an Stelle von „stolz“ sein, beispielsweise auch „zufrieden sein“ sagen, aber ich denke, dass das diese Gefühle nur unzureichend beschreiben würde.

Außerdem gehe ich sehr wohl davon aus, dass man auf sein Land auch im Sinne von eigener Leistung stolz sein kann. Jeder trägt zu einer Gesellschaft bei und sei der Beitrag noch so klein.
Beispielsweise ein Polizist (in Deutschland). Er leistet seinen Beitrag zur öffentlichen Sicherheit des Landes, zur Bekämpfung von Verbrechen und zur Aufrechterhaltung des staatlichen Gewaltmonopols und damit zum Rechtsstaat.
Deshalb kann er auch stolz auf sein Land sein, stolz, dass es ein Rechtsstaat ist und das es sicher ist, denn er hat dazu beigetragen.
Auch ein Industriearbeiter leistet einen Beitrag zu seinem Land. Er stellt Güter für seine Firma her und mehrt somit nicht nur den Wohstand dieser Firma, sonder auch den des Landes.
Oder ein Ingenieur. Er erfindet, konstruiert und wartet Maschinen und trägt auf diese Weise zum technologischen Fortschritt des gesamten Landes bei.
Dies sind nur einige Beispiele.

Man kann also sehr wohl stolz auf sein Land sein.

“Die wohlfeilste Art des Stolzes hingegen ist der Nationalstolz. Denn er verrät in dem damit Behafteten den Mangel an individuellen Eigenschaften, auf die er stolz sein könnte, indem er sonst nicht zu dem greifen würde, was er mit so vielen Millionen teilt. Wer bedeutende persönliche Vorzüge besitzt, wird vielmehr die Fehler seiner eigenen Nation, da er sie beständig vor Augen hat, am deutlichsten erkennen. Aber jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz sein könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu sein. Hieran erholt er sich und ist nun dankbarlich bereit, alle Fehler und Torheiten, die ihr eigen sind, mit Händen und Füßen zu verteidigen.” - Arthur Schopenhauer

Ziemlich harte Worte findet hier Schopenhauer für den Nationalstolz. Mir persönlich ist Stolz eine gänzlich unsympathische Eigenschaft. Ich wäre viel lieber bescheiden, aber ob ich es bin, das müssen andere entscheiden.

Vor vier Jahren bin ich beim EM-Spiel Polen - Deutschland als Holländer zum Public Viewing: Oranje-Hemd, Holland-Fahne und oranggelbes Weizen. (;)) Das Resultat war damals schon beachtlich. Mir wurde regelmäßig die Fahne aus der Hand geschlagen. Es gab allerdings andere Reaktionen: Einige wohlmeinende Grinser; den Hinweis von Freundes-Freunden, die ich zufällig traf, dass es mir ja nur um Provokation ging; hämische Blicke, als vor dem Spiel “Orange trägt nur die Müllabfuhr” gespielt wurde.

Nun frage ich mich, ob ich es wagen sollte am kommenden Mittwoch das Sozialexperiment um eine Stufe zu erhöhen. Als ich vor einigen Tagen meine Holland-Fahne einem Freund präsentierte, der ansonsten ein besonnener Typ ist, griff er übertrieben hart danach, wollte sie aus dem Fenster schleudern und warnt mich eindringlich und hoch persönlich, bloß nicht als Holländer zum Spiel zu kommen. “Das ist eben so. Man geht auch nicht mit Schalke-Trikot ins Westfalenstadion.”

Hat er damit recht? :smt017 Er weiß ja, dass ich mit Holland tatsächlich nichts am Hut habe. Nicht, dass das einen Unterschied machen würde, aber es ist Antrieb des Arguments, mir ginge es bloß um Provokation. Was aber, wenn ich tatsächlich ein Holländer wäre? Wie sollte man mich entlarven und wie würde die Reaktion beim PUBLIC Viewing aussehen? Sind Holländer in der Öffentlichkeit für mindestens zwei Stunden nicht erwünscht? Ich bin noch schwer am überlegen, ob ich mich der Scheiße aussetzen soll - aber ich bin auch mindestens genauso neugierig.

Patriotisches Fahnengeschwenke kotzt mich grundsätzlich an, egal aus welchem Anlass, egal für welche Nation.
Patriotismus spaltet, fördert Fraktionsdenken. Scheiss auf Nationen. Scheiss auf Fußball.
Wer sich selbst über seine Nationszugehörigkeit definieren muß, ist ein armer Wicht.
Ein weiser Mann sagte einmal, sollte jeder kennen:

“Die wohlfeilste Art des Stolzes hingegen ist der Nationalstolz. Denn er verrät in dem damit Behafteten den Mangel an individuellen Eigenschaften, auf die er stolz sein könnte, indem er sonst nicht zu dem greifen würde, was er mit so vielen Millionen teilt. Wer bedeutende persönliche Vorzüge besitzt, wird vielmehr die Fehler seiner eigenen Nation, da er sie beständig vor Augen hat, am deutlichsten erkennen. Aber jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz sein könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu sein. Hieran erholt er sich und ist nun dankbarlich bereit, alle Fehler und Torheiten, die ihr eigen sind, mit Händen und Füßen zu verteidigen.”

Und nun auf, die Zeckenkeule aus dem Schrank geholt :smt025

PS:
Ich empfehle als Lektüre unbedingt Terry Pratchett’s
"Club der unsichtbaren Gelehrten"

Edith: Okay, das Zitat wurde schon gebracht… Kann man aber gar nicht oft genug wiederholen ^^

Ein weiser Mann sagte einmal, sollte jeder kennen:

Zumindest einer hier, gerade mal 2 Posts über deinem!

Ich sehe das ganze bunte Treiben entspannt bis amüsiert! Idioten bleiben bei Großveranstaltungen nie aus, bei den Fußballereignissen sind sie zum Glück eindeutig in der Minderzahl. So habe ich das jedenfalls bisher erlebt.

Wer sich selbst über seine Nationszugehörigkeit definieren muß, ist ein armer Wicht.

Falls du damit JEDEN meinst, der einfach nur seine Nationalmannschaft anfeuert/feiert (oder eine andere, auch das kommt ja vor), dann finde ich das ziemlich arrogant.

Bling Wieder ein typischer Thread von Anchantia. Anchantia, ich bin gerne Deutscher. Ich freue mich in diesem Land leben zu dürfen, liebe die Landschaft, die Kultur und die Menschen. Joa ich sage sogar ich bin ziemlich patriotisch eingestellt. Auch ohne Fußball. :slight_smile:

Wenn Du nun aber auf Leute triffst die lauthals rausbrüllen: „Deutschland den Deutschen, Deutschland über alles usw.“, dann gibt es 3 Möglichkeiten. Entweder die sagen das aus Spaß (Du musst auch bedenken, dass beim Fußball oftmals viel Alkohol getrunken wird und es sich möglicherweise nur auf Fußball bezieht), oder es sind vollkommene Vollhonks, oder es sind Nazis. Also los Anchantia, schnell Antifa anrufen und Demonstration organisieren. :wink:

Zumindest einer hier, gerade mal 2 Posts über deinem!

Jupp, schon bemerkt, siehe Edit.

Falls du damit JEDEN meinst, der einfach nur seine Nationalmannschaft anfeuert/feiert (oder eine andere, auch das kommt ja vor), dann finde ich das ziemlich arrogant.

Nein, damit meine ich JEDEN, der sich über seine Nationalität definiert. Habe ich auch so geschrieben. Hast du auch so zitiert.

Es war nicht klar, wo das sich-definieren über die Nationalität für dich anfängt, weil du einem viel Spielraum bei der Auslegung lässt:

Patriotisches Fahnengeschwenke kotzt mich grundsätzlich an

Das ist ja eben gerade das, was sehr viele Menschen in diesen Tagen tun.

Die Frage

Fußballbegeisterung = harmloser Patriotismus?

geht für mich am Thema vorbei.

Denn es ist nur Patriotismus, Fußballbegeisterung kann ich da nicht erkennen.

Ich werde es nie verstehen, warum Menschen, die größtenteils noch nie ein Stadion von innen gesehen haben, geschweige denn mal beim örtlichen Dorf- oder Stadtteilverein waren, alle 2 Jahre mit Halbwissen und Vollsuff zu „Fußballfans“ werden müssen.

Ich bin Deutscher, das steht in meinem Ausweis, hab ich gerade nachgeschaut. Ich bin Fußballfan, hab in der vergangennen Saison um die 30 Spiele im Stadion/auf dem Sportplatz gesehen. Und am Mittwoch drücke ich Holland die Daumen, weil ich das Land mag, weil ich dort gerne Urlaub mache, weil ich die Fußballphilosophie dort mag.

Ich werde das Spiel für mich alleine zu Hause schauen, mit meinem Freund. In der Öffentlichkeit wurde ich bei vergleichbaren Anlässen schon als „Vaterlandsverräterin“ und „Franzosenschlampe“ (deren Fußball mag ich auch) bezeichnet: schöne Auswüchse des ach so friedlichen Patriotismus.

Für mich sind die Menschen auf den Fanmeilen „White Trash“ der schlimmsten Sorte.