Frei nach Kallwass

Hallo!

Einige Kommilitonen und ich sind im Rahmen eines Sprachwissenschaftsseminars bei den sog. „Sprech-Kontakten“ eingeladen. Gestern wurde es etwas interessanter, denn zum Thema Mediation war Frau Angelika Kallwass eingeladen. Zwei Stunden monologisierte sie und machte immer wieder Pausen, in denen Fragen gestellt werden konnten, die sie sehr ausführlich beantwortete.
Zuerst muss man sagen, dass die Dame sehr nett, offen, humorvoll und (so schien es) überaus ehrlich mit uns sprach. Auch als einige kritische Fragen zu ihrer Sendung und Person gestellt wurden. Natürlich lag der Schwerpunkt auf dem Thema Mediation, wie was warum etc., aber sie erzählte auch, wie sie selbst die Geschichten bespricht und absegnet, die da laufen; dass in der Redaktion noch zwei andere Psychologen säßen, die die jungen Redakteure beraten.

Psychologen-Kollegen würden sie eher nicht kritisch auf die Sendung ansprechen, nur dass wohl einige Klienten ärgerlich fragen, warum ihre Probleme nicht auch in einer Stunde „wie bei der Kallwass“ gelöst werden würden.
Außerdem habe sie mit der Sendung begonnen, weil sie von einer prominenten Freundin darum gebeten worden sei, die Psychologie ins Fernsehen zu bringen und damit die Angst vor dem Psychologen zu nehmen, zu dem man ja nur ginge, wenn man verrückt sei.

Interessant war schon der Einstieg: Sie stellte sich kurz vor und sagte dann mit übertriebenem Nachdruck, dass ihre Sendung nur gestellt sei und lediglich Laiendarsteller zum Einsatz kommen, was sie auch manchmal dazu brächte sich „fremd zu schämen“, wenn es mal total in die Hose geht mit dem Talent. Dazu sagte sie außerdem, dass sie „es leider nicht geschafft [hat], bei Sat.1 durchzusetzen, dass es ganz dick oben drüber steht, dass das nicht echt ist. Dafür steht’s nur ganz klein am Ende.“

Sie sei froh darüber, dass nach 10 Folgen auf Darsteller umgestellt worden ist, da das Konzept unter ethischem Aspekt so nicht weiter durchführbar gewesen sei – gab aber zu, dass diese Änderung eher deswegen geschehen sei, „weil den Zuschauern die echten Geschichten zu traurig und langweilig gewesen sind.“

Am interessantesten fand ich das kurze Gespräch über Kinderdarsteller und ethische Grenzen, in dem sie sagte, sie achte darauf, dass die Kinder Spaß am Set haben und nicht wegen ihren „Eislauf-Müttern“ da seien. Abbrechen würde sie auch Sendungen, in denen kleine Kinder plötzlich weinen oder sie erkenne, dass da ein tatsächliches seelisches Problem beim Darsteller in der Rolle durchscheint.
Und jetzt kommt’s: Wegen dieser Grundsätze (also Kinder und die realen Personen zu schützen), wird ihre Redaktion senderintern auch als „Pussy-Redaktion“ verspottet.

Frau Kallwass selbst schaut übrigens so gut wie gar nicht fern, wie sie sagt, sondern liest viel lieber^^

Ein Nebensatzzitat zum Schluss:
Kallwass: „[…] naja ich bin ja bei Sat.1, das sich ja auch immer mehr RTL annähert, […]“

Vielen Dank für den Bericht :slight_smile:

Fand ich jetzt sehr interessant. Allerdings wusste ich auch nicht, dass ihre Fälle in den ersten zehn Folgen mal echt gewesen sind.

Auch wenn ich die Sendung nicht gut finde (eben wegen dem schlechten Schauspiel und überdramatisierten Geschichten) war mir die Kalwass schon immer ziemlich sympathisch (auch weil sie sich nicht so heroisch in Szene setzt wie eine Vera oder Supernanny).
Hoffen wir, dass sie ihren Grundsätzen treu bleibt. :slight_smile:

Btw: Wenn ich beim zappen bei Fr. Kalwass lande, sehe ich mir die Sendung schon an. Allerdings nicht um der Geschichte willen, sondern um das Publikum zu beobachten… :lol: Das ist manchmal einfach zu köstlich, wie sie ausdruckslos und genervt da hängen, wie nasse Mehlsäcke und irgendwo in der Gegend umher gucken, weil sie die gleiche Szene nun schon zum 25. mal vorgespielt bekommen.

Da muss ich dich enttäuschen:
Die Sendung wird „so wie sie ist“ an einem Stück abgedreht. Nur ca. 5 Minuten werden am Ende noch geschnitten. Da wird nichts wiederholt - es sei denn, es passieren grobe Patzer. Am Anfang sah das etwas anders aus, aber im Grunde ist eine Folge (es werden am Tag 3 aufgezeigchnet) nun innerhalb einer Stunde im Kasten.

Es gibt, so sagte sie, kein richtiges Script! Die „Schauspieler“ bekommen, neben der Schilderung des Problemfalls, eine Beschreibung ihres Charakters und müssen sich dementsprechend verhalten. Grob wird der Verlauf vorgegeben, vor allem, wenn Wendungen, „Überraschungszeugen“ o.ä. auftreten, aber es kann auch vorkommen, dass da Unvorhergesehenes passiert. Dazu hatte sie auch eine relativ lustige Anekdote parat.
Das Ende ist relativ offen, das heißt die Kallwass spielt zwar eine Therapeutin, aber sie geht mit den Rollen halt so um, wie sie es für richtig hält. Nur dass es nach ihrer Aussage völlig unrealistisch ist, das ganze in diesen kompakten Ausmaßen hinzubekommen.

Über das Publikum hat die Kallwass auch noch nebenbei was bemerkt, aber das kriege ich nicht mehr ganz zusammen.

Danke für den Beitrag. Das bestätigt mich nur wieder in meiner Meinung. Eine sympathische Frau :smt023 mit einer miesen Sendung.

Ich schließe mich DarkSpike an.
Ein wirklich interessanter Beitrag, vielen Dank!

Es müsste mehr “Pussy-Redaktionen” geben.

Allerdings wusste ich auch nicht, dass ihre Fälle in den ersten zehn Folgen mal echt gewesen sind.

Soweit ich weiß, haben mal sämtliche Gerichtsshows mit realen (nachgespielten) Fällen angefangen.
Den Zuschauern war das aber wohl zu langweilig, sodaß jetzt eben Fälle konstruiert werden.

Kallwass ist ja keine Gerichtsshow, aber die Fälle waren bei beiden zunächst echt (Stichwort “Maschendrahtzaun” bei “Richterin Salesch”, die beteiligte Frau bekam ja massive Probleme in Folge des Liedes von Stefan Raab).

Echte Fälle sind meiner Meinung nach aus ethischen Gründen abzulehnen und natürlich kann man unechte noch spannender gestalten und auch besser in die zur Verfügung stehende Zeit einpassen.

Ein interessanter Beitrag, jedoch frage ich mich, warum macht Frau Kallwass weiter, wenn sie es doch selbst gar nicht mal so gut findet? :smt017

jedoch frage ich mich, warum macht Frau Kallwass weiter, wenn sie es doch selbst gar nicht mal so gut findet? :smt017

Hm, das habe ich mich auch die ganze Zeit gefragt.
Also zum einen sagte sie ihm Kontext einer Frage nach kritischen Stimmen, dass ihre jüngere Tochter es wohl anfangs ziemlich nervig fand, immer wieder darauf angesprochen zu werden - d.h. „immer die Tochter der Kallwass zu sein“ - und sie deshalb auch mal darüber nachdachte, aber sie verdient so nun mal um einiges mehr, als in ihrer normalen Tätigkeit („… sonst müssten wir in Zukunft mehr sparen“).
Zum anderen sagte sie auch, dass es ihr einfach sehr viel Spaß machen würde, quasi eine Rolle zu spielen. Sie wollte als Jugendliche auch immer Schauspielerin werden, hat sie uns gesagt. Sie würde auch gerne einmal auf der anderen Seite stehen und eine ganz gemeine Rolle spielen.

Genau das sei auch, so meinte sie, der Hauptanreiz für die Darsteller in der Sendung. Das seien oft mal irgendwelche Angestellten o.ä., die einmal im Leben in einen ganz anderen Charakter schlüpfen wollen, um so ihren Frust oder was auch immer richtig rauslassen zu können ohne Konsequenzen.

Das, was ich hier geschrieben habe, hat nur einen kleinen Teil ihrer Redezeit ausgemacht, aber dennoch hat sie mit pointierter Kritik nicht gespart. Vielleicht auch deswegen, weil sie wusste, dass sie nicht mit der Zielgruppe spricht?
Sie fragte nämlich auch, wer die Sendung überhaupt kennt (etwas weniger als die Hälfte meldete sich) und sagte dann, dass sie es verstehen könne, denn die meisten würden ja schließlich zur Sendezeit arbeiten.