Ich muss sagen, ich habe seltenst so sehr ein Video gesehen, wo ich mir konstant die Hand vor die Stirn gehauen habe.
Ja, ich bin eine dieser, wie die beiden es nennen würden, “Feminismusfotzen”, aber auch Soziologiestudentin und mir wird deshalb auch öfters eine differenziertere Sicht dadurch nachgesagt.
Eine Sache, die mich schon seit Wochen bei dieser Außeinandersetzung stört ist, dass mehrere Sachen nicht beachtet werden.
Zum einen, ihr seid von all diesen Videos von Jäger und Sammler und auch Andreteilzeit einfach nicht die Zielgruppe.
Bei den Videos geht es darum, Betroffenen Menschen eine Art “du bist nicht allein” Gefühl zu vermitteln, auch wenn zum Beispiel “Hautverdächtiger”, wie Adressiert an einen Rassisten wirkt, ist es das meiner Meinung nach nicht, sondern primär ist es ein “was ich Leuten gerne in gewissen Situationen ins Gesicht sagen würde”.
Um diese Privilegiensache Mal etwas mehr aufzudrößeln, hier geht es nicht um “du fällst unter Kategorie x, ergo erhälst du Vorteil y”, sondern es geht quasi um Wahrscheinlichkeitsrechnungen.
Zbsp ich selbst als weiße Person kriege weniger die Frage gestellt “wo kommst du denn eigentlich wirklich her”.
Ja, das wirkt erstmal lächerlich, aber in der Summe, wenn dir das jeden zweiten Tag entgegen gebracht wird, ist es nervig.
Vor allem werde ich als Weiße weniger auf meine Hautfarbe reduziert.
Der nächtliche Heimweg ist ein greifbareres Wahrscheinlichkeitenspiel: Als Frau werde habe ich eine höhere Wahrscheinlichkeit überfallen zu werden als als Mann, auch wenn einem Mann das auch passieren kann, allerdings statistisch weniger.
Als Transperson noch höher, weil allein durch dein Aussehen schon Angreifer*innen provozieren kannst.
Das gilt auch für Homosexuelle, Personen mit nicht weißer Hautfarbe, Behinderte (weil einfacher zu überfallen) und und und.
Diese Situationen passieren im kleinen tagtäglich und meist weiß man nicht, was im Endeffekt das Verhalten des Gegenübers triggert.
Das bedeutet priviligierter zu sein, bedeutet in vielen Situationen eine höhere Wahrscheinlichkeit zu besitzen aufgrund von Merkmalen nicht negativer behandelt zu werden.
Für die Wertung der einzelnen Kategorien können wir alle nichts, sondern das liegt an der Gesellschaft, die aufgrund der Historie so gewachsen ist, wie sie ist.
Diese Videos, obwohl sie meist aggressiver wirken, richten sich hauptsächlich an Menschen der gleichen Statusgruppen und oder Menschen, die sich ihrer Privilegien bewusster werden wollen.
Die Aggressivität suggeriert in vielem allerdings eine Deutungshoheit, die man seltenst in diesen Situationen hat.
Ein Beispiel dafür ist zum Beispiel eure Kommentare zu Teilzeits Geschlechteridentität: Alle die dort sitzen mussten sich nach eigenen Aussagen nicht persönlich damit außeinandersetzen, sprechen über das Thema allerdings extrem abwertend.
Ihr räumt euch das Recht ein über die Identität einer anderen Person zu urteilen.
Das passiert uns seltenst als cis Personen. Allein diese Macht über die eigene Person zu haben, ist ein Vorteil, weil es für die Psyche extrem belastend ist.
Und genau das wird euch vorgeworfen, Richter über andere zu spielen, wo gar nicht klar ist, warum ihr diese Position überhaupt habt.
Eine weitere oft genutzte Strategie "Transpersonen haben mir auch gesagt Teilzeit ist bescheuert".
Ähnliche Antwort kriege ich, wenn es darum geht, dass “schwul” als Schimpfwort genutzt wird “mein Kumpel ist schwul und der hat gesagt, das ist ok”.
Ja, ok, aber er ist nicht der einzige: Andere, die aufgrund dessen vllt gemobbt wurden, sehen das nicht so cool oder Leute, die noch in ihrer Outingphase sind, entwickeln dadurch vllt Paranoia etc.
Anderen Transpersonen hilft Teilzeit, weil nicht alle trans* Menschen gleich sind/die gleichen Erfahrungen gemacht haben, ist das auch nicht verwunderlich.
Es gibt sehr viele Trans*leute, die ihr Outing sehr spät haben zbsp, so ungewöhnlich ist das nicht.
Und “das kannst du auch bei mir machen, habe da kein Problem mit” zählt nicht: Ihr macht das nicht tagtäglich mit, ihr müsst nicht für Ansehen in der Richtung kämpfen.
Ihr könnt für diese Sichtweise fast auch wieder nichts, weil wir gesellschaftlich so aufwachsen, dass wir uns in diese Rolle erheben dürfen: Heteros diskutieren über die Ehe für alle, was meist darin endet, dass Leute quasi über meinen Kopf vor mir entscheiden dürfen, ob ich eine gute Mutter sein kann etc.’; die Art, wie die Geflüchtenden Debatte geführt wird etc.
Das alles mache ich euch nicht wirklich zum Vorwurf, deshalb der Wunsch: Bitte überdenkt das einfach Mal.
Hautverdächtige zbsp greift euch als Menschen nicht an, sondern das System in dem wir Leben, die Struktur, weshalb ihr nicht die Zielgruppe seid.
Und zu dem ganzen “Die Leute sind halt zu doof zu checken, dass ich nicht rechts bin und das nur provozieren soll”.
Alle Rechtfertigung, die hier kam, warum gewisse Dinge so gewählt sind, wie sie sind, war nur “so wird man fame”/“so kriegt man Aufmerksamkeit”, um es sehr spitz auszudrücken.
Ich glaube nicht Mal, dass die meisten ihn dafür wirklich in die Rechte Ecke stellen, nur ist das für viele eventuell einfach auf ner Ebene von “ich mache Selfies in ehemaligen KZs”, geschmacklos.
Wenn man sowas macht, muss man mit Kritik zurecht kommen und wenn die Kritik halt ist “Ich finde, wer das tut, ist halt ein Arschloch”, dann ist das so, die anderen als dumm abzustempeln, ist da einfach zu kurz gedacht.
Das bei “Sags mir ins Gesicht” auf FUNK nicht eingegangen wird, finde ich ehrlich gesagt auch richtig, wenn die Anwesende sich mit dem Konflikt nicht auskennt, wie soll sie da gerecht urteilen?
Wenn sie nicht weiß, was für Kommentare zbsp als Hatespeech deklariert werden, wie soll sie da diskutieren?
Aufgrund eurer Aussage “das ist so”, das ist keine Diskussion auf Augenhöhe.
Was ich vermisse, auch hier, ist der Dialog: Klar man hätte den beiden allein Zeit einräumen können, aber danach vllt wen noch ins Boot holen können, es muss nicht wer von FUNK sein, aber ihr habt in Hamburg extrem viele Feminist*innen, die dazu auch was hätten sagen können.