Folge 84 - Urlaub in der fremden Welt

Ich setze mich ja immer für die öffentlich-rechtlichen Sender ein. Doch wenn das ZDF hier so weitermacht, gibts dafür keinen Grund mehr. Ich bin sicher, Holger hätte diese Sendung auch kritisiert, wenn sie auf RTL2 gelaufen wäre. Doch da wären wir zumindest nicht mehr verwundert gewesen.

Dass das Ganze aber im ZDF lief, ist nicht entschuldbar. Womit wollen sie denn überhaupt noch ihre Daseinsberechtigung begründen, wenn sie die Privaten sogar in Bezug auf Menschenverachtung überbieten! Diese Sendung ist ein Schlag ins Gesicht für jeden Obdachlosen!

Im ZDF gabs schonmal sowas Niveuloses, was in FKTV kritisiert wurde. In der ARD kann ich mich bis jetzt nicht erinnern. Hoffentlich bleibt das so. Momentan gibts übrigens eine Doku-reihe, die montag abends um 20.15 im Ersten läuft. Vergangenen Montag der “Lidl-Check”. Es folgen noch der “McDonalds-Check” und “H&M-Check”. Dies so als TV-Tipp meinerseits.

Der Wohlhabende Arzt läd einen Penner zu sich nach Hause ein und ist entsetzt, dass ihm was geklaut wurde. Was hat er erwartet? Mich wundert das kein Stück, dass der Obdachlose was aus der Bude hat mitgehen lassen. Der Hintergedanke war sicher kein Böser und der Obdachlose ist jetzt nicht zwingend ein schlechter Mensch. Aber ne bessere Gelegenheit um an Geld zu kommen gab es für ihn einfach nicht und er hat sie genutzt. Wie Naiv manch Reiche doch sind

Wie der Fernsehkritiker schon gesagt hat:
Soetwas muss über einen längeren Zeitraum und OHNE Fernsehteam gemacht werden!

Mies fand ich vor allem, wie der Beklaute dann noch sagt, dass er ja nicht alle Obdachlosen über einen Kamm schert. Er wird als das tolerante und sympathische Opfer dargestellt, während der verwöhnte Penner aus Durchtriebenheit das Vertrauen so missbraucht.

Ich finde es zunächst in Ordnung, dass der Beklaute es so gesagt hat. Es ist dem ZDF anzulasten, dass es den Anschein erweckt, dass seine angemessene Aussage dafür missbraucht wird, ihn im Gegensatz zum Obdachlosen sympathisch erscheinen zu lassen.

Mich wundert das kein Stück, dass der Obdachlose was aus der Bude hat mitgehen lassen. Der Hintergedanke war sicher kein Böser und der Obdachlose ist jetzt nicht zwingend ein schlechter Mensch. Aber ne bessere Gelegenheit um an Geld zu kommen gab es für ihn einfach nicht und er hat sie genutzt.

Das sehe ich ähnlich. Der Obdachlose ist in finanzieller Notlage und war auf Grund dessen gezwungen, etwas zu klauen, weil es für ihn überlebenswichtig ist. Jemand der wohlhabend ist, hat es hingegen niemals nötig, Diebstahl zu begehen.

Ich könnte mir auch vorstellen, daß der Obdachlose auch gedacht hat, er müsse auch mal ein solch perverses Experiment machen und dem Klischee gleich mal Futter geben. Sich für diese unmenschliche Sendung über sich und Seinesgleichen in Sendermanier verabschieden und sich gleich noch seinen gerechten Lohn für einen Auftritt in der Sendung zu akquirieren!
Er hat bestimmt keinen Lohn bekommen dafür, daß er sein Gesicht und sein Leben im TV ausgebreitet hat.

Mich wundert das kein Stück, dass der Obdachlose was aus der Bude hat mitgehen lassen. Der Hintergedanke war sicher kein Böser […]

Nein, bestimmt nicht. Wer klaut, dessen Gedanken sind meist von Rechtschaffenheit und Edelmut. :roll:

Der Obdachlose stand vor der Wahl “Heute Nacht auf der Straße sitzen und Hungern und frieren” und “Dem Reichen Arzt die Uhr und ein bisschen Kohle klauen”.

Ich kann da bei dem Obdachlosen keine Niedertracht erkennen, ich hätte vermutlich genauso gehandelt.

Nö, du hast ja Recht. Seinem Gastgeber die Schubladen zu durchwühlen und Geld und Schmuck mitgehen zu lassen ist schon o.k. - man muss halt nur einen echt guten Grund haben. Und wer hat das nicht?

man muss halt nur einen echt guten Grund haben. Und wer hat das nicht?

Jemand, der nicht auf der Straße lebt und genug Geld hat, um nicht zu verhungern?

Außerdem sag ich nicht, dass das Verhalten des Obdachlosen OK sei; ich finde es einfach nur in hohem Maße nachvollziehbar und halte es nicht für Niederträchtig.

Und einfach mal zu fragen, ob der Arzt einem finanziell aushelfen kann, ist wohl zu kompliziert. Am Ende sagt der noch nein, dann klaut man lieber was. Da ist man auf der sicheren Seite.

Wie ich bereits gesagt habe: Nicht OK, aber nachvollziehbar.
Ich bin sicher, der Obdachlose hat in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass Leute einfach immer selbstlos helfen, wenn man sie nur freundlich genug bittet - insbesondere arrogante Reiche, die finden, obdachlos sein sei ein Klacks (warum sonst hätte der Typ bei dieser Show mitmachen sollen?)

Außerdem, wenn der Obdachlose nichts geklaut hätte, wär ja die ganze Dramaturgie und „Moral“ der Sendung im Arsch gewesen :wink:

Gut, ich will das hier nicht weiter vertiefen, verstehe auch deinen Punkt, aber ich finde es immer noch einen himmelweiten Unterschied, ob man aus der Not heraus irgendwelche fremde Reiche beklaut oder Menschen, die einem bereits so nahe stehen, dass sie einen bei sich zu Hause zum Essen einladen. Das finde ich ehrlich gesagt, nicht mehr nachvollziehbar. Allerdings bin ich zugegebenermaßen auch nicht in der gleichen Situation wie ein Obdachloser - eventuell, sieht man da einige Dinge mit anderen Augen.

[quote]Mies fand ich vor allem, wie der Beklaute dann noch sagt, dass er ja nicht alle Obdachlosen über einen Kamm schert. Er wird als das tolerante und sympathische Opfer dargestellt, während der verwöhnte Penner aus Durchtriebenheit das Vertrauen so missbraucht.

Ich finde es zunächst in Ordnung, dass der Beklaute es so gesagt hat. Es ist dem ZDF anzulasten, dass es den Anschein erweckt, dass seine angemessene Aussage dafür missbraucht wird, ihn im Gegensatz zum Obdachlosen sympathisch erscheinen zu lassen.[/quote]

Ich stimme dir zu. In der Sendung kommt Die Aussage ja auch vom Sprecher (und nicht vom Beklauten selbst, wie man meinen obigen Beitrag verstehen könnte). Ich habe aber auch die Darstellung durch das ZDF gemeint und nicht so sehr den Beklauten selbst. Insofern liegt eine Kritik am ZDF umso näher, wenn ein Sprecher diese Feststellung trifft.

ich finde es immer noch einen himmelweiten Unterschied, ob man aus der Not heraus irgendwelche fremde Reiche beklaut oder Menschen, die einem bereits so nahe stehen, dass sie einen bei sich zu Hause zum Essen einladen.

Naja für einen knurrenden Magen ist das kein Unterschied denke ich. Wie heißt es so schön: „Not kennt kein Gebot“
Dass wir es für moralisch noch fragwürdiger halten ist klar (warum eigentlich genau?), nur ist es schwer, an jemanden, der sicherlich auch oft enttäuscht wurde, dieselben maßstäbe anzulegen. Vielleicht ist das hier wirklich ein Fall wo man sagen könnte „Moral muss man sich leisten können“

Oder: “Erst kommt das Fressen, dann die Moral.”

Es ist schon ein Unterschied, wenn man einen Penner zum Essen einlädt und sich selbst ob dieser Milde einen Heiligenschein aufsetzt oder diesem wirklich einen gewissen Startschuss gibt, damit dieser eine Chance auf ein neues Leben hat. Letzteres wäre wohl zu teuer und würde diese für den edlen Spender so angenehme Bittstellerposition des Penners verwässern.

Ich fand den wallraffschen Selbstversuch “Unter Null” zum Thema wesenlich authentischer.

Das ist eine sehr merkwürdige Einstellung. Nach dem Motto: Wenn man schon einem Penner entgegen kommt, muss das gefälligst so viel sein, dass dieser gleich ein Chance für ein neues Leben hat. Ist man unter diesem Limit, gilt man selbst als arrogantes Schwein, das sich nur profilieren will. Und dann verdient man es natürlich, beklaut zu werden.

Ich finde den Gedanken, dass der Herr sich in erster Linie profilieren wollte, durchaus naheliegend. Aber man müsste wohl die ganze Sendung gesehen haben um das besser beurteilen zu können. Oder am besten bei der Produktion dabei gewesen sein.
Es geht auch nicht darum ob es jemand “verdient hat” beklaut zu werden nach dem Motto “geschieht ihm recht”. Es geht eher darum, dass es vielleicht die moralische Wertung des Diebstahls beeinflusst: Der Unterschied zu einem Diebstahl bei irgendeinem Fremden ist hier, dass der Arzt dem Obdachlosen vertraut hat und ihn in einen sehr persönlichen und auch rechtlich besonders geschützten Bereich gelassen hat: das eigene Haus. Der Obdachlose hat diesen Vetrauensvorschuss missbraucht und deshalb den Menschen ausgenutzt und als Mittel zum Zweck betrachtet. Wenn wir aber annehmen, dass auch der Arzt den Obdachlosen nur benutzen wollte, dann relativiert sich dieser Vorwurf in gewissem Maße, da man jedenfalls meiner Ansicht nach jemandem, der einen benutzt, nicht in der gleichen Weise moralisch verpflichtet ist, was das Wertschätzen von Vertrauen betrifft. Diesen moralischen Anspruch hat der Arzt gewissermaßen selbst verwirkt.
Das betrifft aber meiner Meinung nach auch nur den Vertrauensbruch (den einige hier ja als schuldvergrößernd betrachtet haben). Der Diebstahl an sich bleibt natürlich ein Angriff auf ein hohes Rechtsgut und ist mehr als fragwürdig. Aber von “durchtrieben” zu sprechen (was ja genau auf diese moralische Komponente des Vertrauensmissbrauches Bezug nimmt) wird der Notlage des Obdachlosen und dem Verhältnis der beiden nicht gerecht

Bzgl. armer Obdachloser beklaut reichen Pinkel:
Egal in welcher Situation sich ein Mensch befindet, wenn er einen anderen menschen beklaut ist dies zunächst mal nicht in Ordnung. Da kann die Not noch so groß sein! Dies ist ein Straftatbestand, und vor dem Gesetzt sind alle gleich.
Zumindest sollte man diesen hohen Grundsatz annehmen, wenn man mit Moral und Menschlichkeit argumentiert.
Insofern habe ich hier kein Mitleid für den Obdachlosen und kann den Ärger des reichen gut nachvollziehen.

Dass die Darstellung des Sachverhaltes schwer verzerrend und daher nicht in Ordnung (unter gewissen Aspekten ebenfalls unmoralisch) war stelle ich allerdings in keiner Weise in Frage.

Und einfach mal zu fragen, ob der Arzt einem finanziell aushelfen kann, ist wohl zu kompliziert.

Ist es in der Tat.
Zunächst steht man eh schon als der da, dem geholfen wird. Als Ausdruck seiner Dankbarkeit soll er nun den Mann, der sein Freund sein soll, auch noch anbetteln?
Wenn er nicht gewaltige Summen bekommt, wird das Geld vermutlich nicht allzu lange reichen, sicher nicht um sich soweit aufzupäppeln, dass man auf dem Arbeitsmarkt Chancen hat. Das Geld wird er also definitiv nicht zurückzahlen können.
Ich jedenfalls nehme an, dass er sich für das Anbetteln eines Freundes mehr geschämt hätte, als für den Diebstahl. Und genau das ist der Punkt, den man erstmal verstehen muss. Möglicherweise ist es dem Obdachlosen egal. Wahrscheinlich jedoch schämt er sich selbst ja auch für den Diebstahl. Nur hat er eben abgewogen zwischen nichts haben und sich noch mehr schämen.

Ich wollte mal drauf hinweisen das es zu diesem Thema auch gute Beiträge gibt unter anderem die Doku von Günter Wallraff- Unter Null.
Zu sehen unter anderem bei Youtube oder einfach Bei Google suchen. Lieber kein Link weil ich mir da nicht sicher was die Rechtssituation betrifft. Ist aber auf alle fälle sehr sehenswert und im gegensatz zu dieser aktuellen “Doku” wirklich undercover gedreht.

Hätte erstmal eine Wohnung beim Amt beantragt. :ugly