Folge 84: Das verpflichtende soziale Dienstjahr

Ich kann Blumes Argumentation nachvollziehen und sehe auch die große Crux, nämlich die anekdotische Evidenz, die für oder gegen ein Pflichtjahr ins Feld geführt wird. Nun mache ich an dieser Stelle dasselbe und spreche aus meiner Sicht als Studien- und Berufsberater an meiner Schule. Dass meine Schüler erschlagen sind von der Vielfalt der Studiengänge, kann ich genauso bestätigen. Im Gegensatz zu früheren Generationen bieten sich heutigen Jugendlichen eine Vielzahl von Möglichkeiten und ihnen fehlt teilweise Orientierung, was ich abzufedern versuche durch diverse Beratungsangebote. Und zudem ist durch Bologna das Studium zunehmend verschult worden, sodass viele von ihnen quasi nur in die nächste Klassenstufe versetzt werden, obwohl sie vielleicht etwas anderes machen wollen (ohne das zu ahnen). Wenn man jungen Menschen also eine Möglichkeit bietet, nach dem Schulbesuch ein „Wahlpflichtjahr“ zu absolvieren, um aus dem System Schule einmal herauszubrechen und zu entdecken, was es an Berufsfeldern gibt, halte ich das für eine gute Sache, die nicht zuletzt auch dazu beiträgt, die eigene Persönlichkeit zu fördern.

Ob das erzwungen werden muss, ist sicherlich der andere große Kritikpunkt, den ich der Gegenseite zugutehalten muss. Wenn dieses Dienstjahr so gestaltet wird, dass man eine vernünftige Auswahl treffen kann und dass vielleicht auch nicht alle ausgeschriebenen Stellen besetzt werden, dann verpflichtet man junge Menschen zwar, lässt ihnen jedoch ein Mitspracherecht, in welchem Sektor sie einen Dienst leisten wollen. Mit dem GWDL und dem Zivildienst hat das mit der Orga ja auch geklappt, warum also nicht mit einem allgemeinen Dienstjahr?

Der nächste Kritikpunkt wäre mit Sicherheit die Bezahlung, die angemessen sein muss, um jungen Menschen nicht das Gefühl zu geben, als billige Arbeitskraft ausgenutzt zu werden.

Lange Rede, kurzer Sinn. Wenn die CDU das fordert, würde ich gerne deren konkret ausgearbeiteten Vorschlag sehen. Das kann und muss man im Parlament und in der Gesellschaft diskutieren, um am Ende abzuwägen, ob der gesamtgesellschaftliche Nutzen höher wiegt.

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Bin gerade an der Stelle (ca. 14:00) bei der es darum ging, dass WENN auch die Rentner ihren Beitrag dazu leisten sollen.

Ein schönes Beispiel für die egoistisch aufgeladene emotionale Dummheit darin.
Denn: „Die Rentner“ haben bereits ihren Dienst (Ziviel/Bund) geleistet.
(Solange ist die Aussetzung der Wehrpflicht gar nicht her, dass die alle schon in Rente wären!)

Die Konsequenz der Forderung wäre demnach, dass die sich beschwerende Klientel dann gezwungen wäre 2 Mal den Dienst zu verrichten. Ich glaube, dass wäre es mir als Rentner dann wert. Nur um die Klageschreie dieser Klientel vernehmen zu können. :smiling_imp:, :smiling_imp:, :smiling_imp: & :smiling_imp:!!!11!11!!!1

Nebenbei: Die Wehrpflicht ist nicht abgeschafft - sie ist ausgesetzt - sie kann also wieder eingesetzt werden.
Die Verantwortlichen bei der Bundeswehr dürften aktuell hauptsächlich deswegen davon nicht begeistert sein, weil sie gerade alle Ressourcen dafür zurück gebaut haben - und ein solcher Zickzack-Kurs nur Zeit, Geld und Ressourcen kostet. Nicht, weil es per se generell eine blöde Idee wäre. :man_shrugging:

Sorry, aber warum soll der Staat/ Gesellschaft die Pflege(r)krise lösen, nur weil die Unternehmen etc. sich zu fein sind, für bessere Arbeitsbedienungen und faire Bezahlungen zu sorgen? Schon schlimm genug, dass der Spahn und der Lauterbach Billigkräfte aus dem Balkan einkaufen.

Unterschied ist, dass Israel in einer instabilen Region lebt und de facto mit jedem (Nachbarn)Staat verfeindet ist und auch das ein oder andere Mal angegriffen wurde. Deutschland wurde seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr angegriffen und die Zone ist jetzt auch schon seit ein paar Jahren weg.

Ich habe erst den Anfang gesehen. Gut finde ich, dass er aus Sicht des Schülers denkt. Seine Argumente haben mich bisher aber nicht überzeugt. Es gibt doch freiwilligen Dienste. Die kann der Staat doch einfach fördern. Wieso Schülern, die genau wissen was sie wollen, noch 1 Jahr warten aufbrummen. Ich sehe auch nicht inwieweit der Zwang dem Mindset der Schüler helfen soll. Als 2011 die Wehrpflicht abgeschafft wurde waren alle total happy. Ich denke, dass er viel zu erwachsen denkt. Eine Hilfe was die Intressen sind und klar machen, dass man eben nicht 40 Jahre in dem Beruf bleiben muss und den Druck aus der Entschuldigung nehmen würde viel mehr helfen.

Ich kann dem Herren gar nicht zustimmen. Da koennte man auch direkt die Wehrpflicht wieder einsetzen.
Ich musste ja noch Wehrdienst leisten. In meinem fall dann halt Zivildienst. Und auch da hatte ich schon keinen bock drauf. Ich hab meinen Dienst in einem Krankenhaus gemacht und es war mit eine der schlimmsten Erfahrung und Erinnerung meines Lebens. Hat nicht geholfen dass das ganze in Bayern stattgefunden hat. Das hat mich u.A. dazu bewegt auszuwandern.
Man wurde halt nicht Menschlich behandelt und man musste auch immer die ganze Drecksarbeit machen die die Pfleger nicht machen wollten. Dann wurde sich noch beschwert warum die Pflege nicht ordentlich ist. Die Bezahlung war auch mist und nicht genug um sich eine kleine Wohnung zu mieten. Nachdem der Dienst um war wusste ich immer noch nicht was ich machen wollte.

Warum soll ich der Gesellschaft was zurueck geben? Die ganzen alten Boomer haben unsere Umwelt kaputt gemacht, das ganze Geld eingesteckt, uns wie Dreck behandelt und dafuer soll man jetzt noch Dankbar sein?

Deutschland ist auch ein bischen im Hinterwald, mit einem Job suchen, Ausbildung machen, etc. und die dann fuer 40 Jahre lang machen. Man muesste Leuten mal beibringen das man nicht die gleiche Arbeit machen muss fuer den Rest seines Lebens. Das ist voelliger Unsinn.

Alle die im Parlament dafuer stimmen sollten erst mal selber so ein Soziales Jahr abgeben und fuer die gleichen Konditionen arbeiten. Die koennen dann zusammen mit den Rentnern arbeiten, die aus gutem Grund in Rente gegangen sind. Kann man doch direkt das Rentenalter aufheben und alle bis zum Tode arbeiten lassen.

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Nach dem Abitur 1999 leistete ich in einem Altersheim den Ersatzdienst in der Pflege.
Schon damals war der Notstand in solchen Einrichtungen so groß, dass ich in kürzester Zeit (nach einer Woche begleitetes Einarbeiten) für neun bis zehn Bewohner zuständig war - von mobil, über dement bis bettlägerig und Kombinationen davon war alles dabei.
Ich wusch, kleidete an, renigte Magensonden, fütterte, legte Infusionen, begleitete den Toilettengang, machte Betten und so einiges mehr. Oft bekam ich die gteilte Schicht, also das Schlechteste der Früh- und Spätschicht mit „freier“ Vor- und Nachmittagszeit.
Es war hart und ungewohnt.
Aber es war die sinnvollste Arbeit, die ich bis dato verrichtet habe. Die Frage, ob ich das ohne staatliche Verpflichtung gemacht hätte, ist rhetorischer Natur: natürlich nicht.
Aber ich war schnell von der Arbeit erfüllt und konnte überraschenderweise mit all den Unannehmlichkeiten problemlos umgehen.
Auch im ausschließlich weiblichen Kollegenkreis fand ich als junger Hüpfer große Anerkennung und mein heutiges Selbstvertrauen fand ihre Wurzel dort.
Der Wermutstropfen an der Sache war, dass ich damals leider doch den finanziell wesentlich lukrativeren Weg eines dualen Informatikstudiums gewählt habe, denn ich war dann doch auf meine Zukunft bedacht. Da sind wir schon im Feld der arbeitsgerechten Verhütung aber so tief steige ich nicht ein.
Es geht ja um die Sinnfrage und meine Antwort ist ein klares Ja!
Ich bin mir sicher, dass ich ohne dieses Jahr ein anderer Mensch geworden wäre und sicher kein besserer. Es hat mich geprägt und mich viel über den Umgang mit Menschen gelehrt.

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DAS sind die zwei Kernaussagen, um die sich viele rumwinden.

  • Durch den Wegfall des Zivildienstes hat sich der Pflegenotstand meiner Beobachtung verschärft.
  • Nur Wenige machen einen solchen Dienst freiwillig. (#metoo!)

Die ganze Debatte zeigt m. E. den puren Egoismus dieser Gesellschaft: Den persönlichen Unwillen auch nur einen kleinen Zeitraum mal für die Allgemeinheit da zu sein.
Wenn es anders wäre, dann könnten sich die Leute vom sozialen Jahr vor Bewerber nicht mehr retten.

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Das sagt nicht generell etwas über die Gesellschaft aus. Die meisten Menschen entdecken erst in mittlerem bis fortgeschrittenen Alter, dass sie vielleicht doch auch gerne mal etwas für die Allgemeinheit tun wollen und fangen dann an, sich ehrenamtlich zu engagieren. Wenn man aber gerade die Schule hinter sich gebracht hat und vor Beruf, Ausbildung oder Studium steht, kann man es niemandem übelnehmen, dass erst mal andere Dinge im Vordergrund stehen. Vor allem dann, wenn man schon konkrete Pläne hat.

Das verpflichtende Dienstjahr ist nichts anderes als eine Machtdemonstration des Staates. „Du gehörst dem Staat, du bist Humankapital und hast dich unterzuordnen.“ Es ist egal, ob es Dienst an der Waffe oder ein vorgeblich soziales Jahr ist, sobald es ein Zwang ist, ist es gestohlene Lebenszeit durch ein Konstrukt, das man nicht ablehnen kann. Ein Instrument autokratischer Staaten, dem Volk zu vermitteln „vergiss dein Individuum, du dienst dem Kollektiv“ - ekelhaft.

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Quasi wie bei der Schulpflicht?

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Die gilt nur für Minderjährige. Für Menschen ab 18 Jahren gilt diese nicht mehr.

…was bezüglich des von Trichophyton genannten Arguments genau Null Unterschied ausmacht. :man_shrugging:

Wenn dir der Unterschied zwischen einem Minderjährigen (der ja grundsätzlich unter der Fuchtel seiner Erziehungsberechtigten steht) und einem volljährigen Bürger mit seinen Rechten und Pflichten nicht bekannt ist, dann hat sich wohl jegliches Weiterdiskutieren erledigt. :man_shrugging:

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Auch Rainer Winkler weiß: Lesen und Schreiben lernen ist gestohlene Lebenszeit

Es handelt sich dabei um Kinder, die keine eigenen Zukunftsentscheidungen treffen können. Hier kann ich die Argumentation vertreten, dass man keine Zukunftsprobleme durch falsche Entscheidungen von Eltern verursacht sehen möchte.

Einem Erwachsenen ein Jahr zu stehlen, ist etwas anderes.

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Staatzi.

Doch, doch - hat m. E. nur nichts mit dem ursprünglichen „Argument“ der „gestohlenen Lebenszeit“ zu tun - es sei denn, Du wertest die Lebenszeit von Minderjährigen nicht so hoch, als die von Erwachsenen. In dem Fall hätten wir tatsächlich eine deutlich unterschiedliche Ansichten von Wertigkeiten.
Guckst Du:

ich habe von 1989 bis 1990 meinen Militärdienst abgeleistet, und das tut es, was Papa Staat mir an Zeit gestohlen hat! Ob ich nun Zivildienst leiste oder irgendwas im Namen des Staates, weil ich dazu GEZWUNGEN werde, ich doch sch…egal. Es ist eine verlorene Zeit.
Leute, wie Holgers Interview-Partner, die dies befürworten, sind meistens Berufspolitiker oder aber auch Staatsangestellte wie Lehrer, die wissen doch gar nichts von der realen Berufswelt, wo einem jungen Menschen Zeit gestohlen wird, sich ins reelle Leben hineinzu leben. hat der Typ selber auch ein Ziviljahr abgeleistet? Weiss dieser Theoretiker was Praxis bedeutet? Der Staat (also die Staatsverwaltung) ist ein notwendiges Übel, mehr nicht.
Jedes Staatsjahr ist ein verlorenes Jahr.
Zivildienst? Ein Gesundheitswesen, das auf Zivilsienstleistende angewiesen ist, ist ein Armutszeugnis für ein solches System, kein Dazugewinn.
Militärdienst? Heutige moderne Waffensysteme sind so komplex, (Bsp. US-Army), dass es eine Zeitverschwendung ist, einen Rekrut an ein kompliziertes System anzulernen, um den nach einem Jahr wieder zu entlassen. Der Beruf eines Soldaten hat sich in den letzten 30 Jahren sehr spezialisiert, ein Soldat ist eine FACHKRAFT, die nicht einfach ersetzt werden kann. Dass es in der Ukraine und auch in Russland noch Militärdienst gibt, ist ein Zeichen dafür, dass diese Armeen im grunde genauso „primitiv“ ausgerüstet sind wie vor Jahrzehnten.
Je mehr ich reinhöre, desto mehr geht mir dieser Typ auf die Nerven.

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Ja, leider und ich fasse mich dabei auch ganz hart an der eigenen Nase an. Auf dem Papier schreit man gerne nach Solidarität, aber wenn es an die eigene Existenz geht (womit wir meist den Geldbeutel oder unseren persönlichen Luxus meinen), endet jegliches Miteinander und jeder steht nur noch für sich selbst ein.
So sehr ich staatliche Regulierung verachte oder in einigen Feldern höchst umstritten finde, aber an diesem Punkt muss was passieren.
Dazu aber auch noch ein wichtiger Punkt: ich habe den Job während des Studiums weitergemacht (und das nicht wegen dem Geld, davon blieb nach Abzug der Steuern nicht mehr viel) und an Wochenenden und Feiertagen ausgeholfen und ich lehne mich mal so weit aus dem Fenster, dass ich das möglicherweise auch heute noch tun würde - aus Überzeugung.
Gescheitert ist es dann aber an der Bürokratie, denn als ungelernte Pflegekraft durfte ich schlicht nicht weitermachen, trotz all der praktischen Erfahrung.
Ich kann das einerseits verstehen, denn wenn etwas passiert wird das schnell ein Versicherungsthema für den Träger, aber rein vom gesunden Menschenverstand her konnte ich all die Handgriffe ausführen und war unter den Pflegerinnen eine willkommene Aushilfe, eine Entlastung.

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Anstatt Leute verpflichten Lebenszeit zu Verschwenden kann man Pflegeheime auch verpflichten genug Personal einzustellen. Aber das waere ja zu teuer, dann doch lieber billig arbeiter? Kann ja nicht sein das Firmen es schlechter haben als die Leute die dafuer arbeiten.

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