@megabjörnie
Es gibt sicher genausoviele gute Gründe für das Privatfernsehen wie für das Staats-, bzw. Gebührenfernsehen. Dass Precht die kommerziellen Sender für unnötig hält, ist nun mal seine Meinung. Aber es gibt sicher auch viele Experten, die das anders sehen.
Ich bin auch ein Verfechter des von der Gesellschaft finanzierten, im besten Falle unabhängigen Fernsehens.
Aus folgenden Grund:
Den deutschen Massenpublikumsmarkt beherrschen eine handvoll undurchschaubar auch miteinander vernetzter Verlags- und Medienkonzerne, die unrechtmäßig zusammenwirken, sich jederzeit ein Meinungsmonopol schaffen können, vor allem, wenn es um ihren kleinsten gemeinsamen Nenner, die Unterstützung marktradikaler Reformen geht.
Dementsprechend ist Meinungsvielfalt längst kein Begriff, den ich mit den Hauptmedien in Verbindung bringe. Umso brisanter das auf der Tagesordnung stehende Thema, desto deckungsgleicher werden die vermittelten Informationen. Selbst die öffentlich-rechtlichen Sender, sogar dazu verpflichtet eine Gegenöffentlichkeit zu dem Mainstream der kommerziellen Konkurrenz herzustellen, schwimmen lieber, warum auch immer, im Kielwasser von “Bild” und Konsorten.
Wegen der wirtschaftsliberalen Dauerpropaganda wird das Märchen vom unbezahlbaren Sozialstaat von den Meisten für wahr gehalten. Und wenn ihre vereinte Meinungsmacht mal nicht ausreicht, um den Deregulierungswahnsinn schön zu reden oder gänzlich totzuschweigen, führen sie wie die Kureten einen lautstarken Pseudokriegstanz auf, um die Wut des Pöbels von den Verursachern in den Chefetagen abzulenken.
Als Ziel bietet sich wie üblich eine Minderheit an, die leicht zum Sündenbock gemacht werden kann. Zur Zeit gehts den moslemischen Migranten an den Kragen. Die westliche Medienwelt ist seit dem “Scheitern” des Kommunismus intensiv damit beschäftigt “die Moslems” als Feindbild zu etablieren.
Die mediale Herabwürdigung dieser Menschen hat mittlerweile demagogische Züge angenommen, während der “Aufstand der Anständigen” immer leiser wird, obwohl die Fanatiker das Gegenteil behaupten. Sukzessive wurde der Rahmen eines konstruktiven Dialogs in der Integrations- und Islamdebatte aufgelöst, indem man den geistigen Brandstiftern, den Sarrazins und Broders, sowie den Hasspredigern und Islamisten, ein Forum gab, ihnen ein Echo verlieh.
Diese Scharfmacherei setzt offenkundig eine Spiralle des Hasses in Gang, denn sie zeigt nicht nur Wirkung bei der beeinflussbaren “breiten Masse”, sondern verleitet auch die sich diskriminiert sehenden Minderheiten und die islamische Welt zu einer provokanten, Haltung, zu einem engeren, präventiven Zusammenschluss untereinander oder dazu, radikalen Rattenfängern zu folgen, wodurch die Aufwiegelung neue Nahrung bekommt usw.
Wichtig für die Interessenvertreter des Kapitals in den Sendern und Verlagen ist natürlich die Tatsache, dass Fanatismus den Einblick in die Wirklichkeit der eigenen Gemeinschaft erschwert. Sie agieren wie Wärter, die Häftlinge gegeneinander ausspielen. Wenn einer der Sträflinge gegen die unmenschlichen Haftbedingungen protestiert, wird der ganze Zellenblock für die Aufmüpfigkeit bestraft, so dass sich der Unmut der Inhaftierten gegen diesen vermeintlichen Sündenbock richtet.
Anstatt sich mit dem Widerständler zu solidarisieren und Gerechtigkeit zu fordern, wird er zum Aussenseiter abgestempelt.
Nach dem Motto: Gegen “die da Oben” kann man ja eh nichts ausrichten, aber der Türke gegenüber, der von der Sozialhilfe lebt und trotzdem ein dickes Auto fährt, kann bekämpft werden.
Diese Medienkartelle stellen eine große Gefahr dar, weshalb
Eine Neugestalltung des “Staatsfernsehens” bitter nötig ist.
Schließlich haben die ÖR ihre Mission, sich als Alternative zu den Privaten zu etablieren, nicht im Geringsten erfüllen können, haben sich von den marktbeherschenden Medienkonzernen instrumentalisieren lassen.
Der CDU-Politiker Beermann kritisierte vor kurzem die “Boulevardisierung von Nachrichtensendungen”, womit er Recht hat.
Das wird z.B. überdeutlich, wenn man sich die manchmal laufenden Tagesschau-Wiederholungen anguckt. Vor 20 oder 25 Jahren wurden die Zuschauer informiert, während heutzutage die Tagesschau aus “Meldungen” “Meinungen” macht.
Auch Nachrichtensendungen, die dafür zuständig sind, die Massen mit differenzierten Meinungen zu versorgen, bei kontroversen Themen für Aufklärung zu sorgen, schaffen es nicht aus dem Schatten von Bild und Co. zu treten.
Dabei bieten die ÖR enorme Möglichkeiten, dem Ideal der absoluten Medienobjektivität einigermaßen näher zu kommen.
Die ÖR werden sich auch bei einer möglichen Reformierung, dem Dilemma stellen müssen, dass sie den kommerziellen Sendern nur Konkurrenz machen können, wenn sie sich von ihrem Bildungsauftrag lösen.
Selbst, wie ich finde, gute Ansätze wie ZDFNeo und EinsFestival, die mehr werberelevante Zuschauer aus den Fängen der Privaten retten sollten, funktionieren nicht gut genug, wobei man den beiden Sendern auch ein bißchen Zeit geben sollte. Ich glaube sowieso, dass man nicht auf Kommando Sendungen produzieren kann, die den Spagat zwischen Unterhaltung und Anspruch schaffen. Solche Perlen sind nicht planbar.
Im Grunde genommen bewirkt jede auf mehr Bildung, mehr Kultur und mehr seriösem Journalismus hin ausgerichtete Neujustierung des Rundfunkauftrags das Gegenteil.
Der Precht hat absolut Recht, wenn er sagt, dass es ein Fehler war, Privatfernsehen zu erlauben. Der negative Einfluß der Kommerziellen ist mit den ÖR in ihrer jetzigen Form nicht ausgleichbar.
Ich finde sowieso, dass die Kritikfähigkeit des gemeinen Medienkonsumenten überschätzt wird. Wenn man bedenkt, dass vier Medienriesen (burda, bertelsmann, springer und ProSiebenSat1) den Meinungsmarkt dominieren, fragt man sich schon, inwieweit das Bundeskartellamt denen auf die Finger schauen kann.
Sollte der vierten Gewalt im Lande nicht der gleiche Maßstab in Bezug auf Transparenz angelegt werden wie bei Polizei, Justiz und Politik?! Vielleicht sogar strenger beäugt werden?!
Im Moment scheint die Bändigung der Mediengewalt meiner Meinung nach nicht Ernst genug genommen zu werden. Ein großer Fehler!
Politisch Einfluß auf das Programm der Privaten zu nehmen wäre natürlich Zensur. Doch inwieweit ein unmoralischer und trotzdem erlaubter Journalismus gesellschaftlichen Schaden anrichten kann, hat ja der Fernsehkritiker im Fall von Stern-TV in Folge 63 gezeigt.