McCarthy-Ära umfasste die 40er/50er Jahre. Aber ja, warum nicht? Was spricht konkret gegen diesen Vergleich? Historisch betrachtet ist es in diese Ära ein Katzensprung. Glaubst du ernsthaft, wir hätten die Mentalitäten von damals in wenigen Jahrzehnten komplett hinter uns gelassen?
Außerdem: Woher willst du so genau wissen, dass Schauspieler in der Branche nicht komplett verbrannt sind, wenn sie bei den Öffis in Ungnade fallen? Nach allem was Künstler immer wieder berichten, ist die Branche sehr eng miteinander verflochten. Große Produktionsfirmen, die für ARD und ZDF produzieren, nehmen genauso auch Aufträge von Privaten an und wollen es sich sehr wahrscheinlich weder mit der einen noch mit der anderen Seite verscherzen. Bei namhaften Produktionen sieht man an der Spitze immer wieder nur eine winzige Gruppe von Verantwortlichen. Die deutsche Filmbranche wird nicht ohne Grund als „inzestuös“ bezeichnet. Hier ein interessanter Artikel dazu:
So viel Marktdiversität wie du dir das in deiner Lilalaunewelt vorstellst, gibt es in der deutschen Film- und Fernsehbranche womöglich nicht. Was meinst du, warum so viele Schauspieler sofort einen Rückzieher gemacht haben, nachdem ihnen mit Veröffentlichung der #allesdichtmachen-Kamapgne aus der eigenen Branche so viel Ablehnung entgegen geschlagen ist? Warum diese Angst vorm Karrieretod, wenn es doch so zahlreiche andere Optionen in der Branche gibt wie du es zu glauben meinst?
Dass man an die Freiheit des Marktes glaubt, ist eine Sache. Darüber lässt sich weithin diskutieren. Wobei du in deiner Antwort bequem ignoriert hast, dass ARD und ZDF nicht wirklich unter freien Marktbedingungen agieren, aber dennoch eine enorme Marktmacht besitzen. Der Kunde kann somit kaum Einfluss nehmen, anders als bei anderen Marktteilnehmern. Wenn ich bspw. mit dem Quasi-Berufsverbot von Schauspielern nicht einverstanden wäre, könnte ich mein Öffi-Abo nicht einfach kündigen und damit marktgerecht mit meinem Geldbeutel abstimmen.
Bei Anbietern wie Disney+ wiederum besteht diese Möglichkeit. Ich kündigte mein Abo, nachdem der ekelhafte Umgang mit Gina Carano ( ) bekannt wurde. Fans solcher geschassten Schauspieler haben jedoch kaum eine Möglichkeit, ihre Marktmacht als Kunden ggü. ARD und ZDF geltend zu machen. Damit löst sich dein Markt-Argument praktisch in Luft auf.
Dennoch: Man kann zumindest diskutieren und abwägen, inwieweit die Öffis im freien Markt eine Rolle spielen und wie groß dann der restliche Markt privater Anbieter/Produzenten ist, der für Künstler und Kreative dann noch übrig bliebe. Wo aus meiner Sicht allerdings kaum Abwägungsspielraum besteht, ist die Frage, ob das Verhalten von Rundfunkräten wie Garrelt Duin legitim sein kann. Ein Rundfunkrat, der sofort nach Veröffentlichung von #allesdichtmachen gegen die Beteiligten gehetzt hat - völlig selbstverständlich in aller Öffentlichkeit. Zu einem Zeitpunkt, als keinerlei genaue Hintergründe zur Kampagne bekannt waren und noch keiner der Beteiligten sich zu den Vorwürfen äußern könnte. Dennoch war Duins erster Impuls, diesen Schauspielern zu attestieren, sie hätten sich damit für die weitere Zusammenarbeit mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk „unmöglich gemacht“.
Was das betrifft, gibt es für mich kein Abwägen. Diese Haltung finde ich für einen Rundfunkrat (sowie generell für Medienverantwortliche) absolut beschämend und ablehnenswert. Wer solche Haltungen schön redet, agiert gefährlich naiv und begünstigt Entwicklungen, die uns tatsächlich immer näher an Zustände bringen, die mit der Ära unter McCarthy und Stasi vergleichbar sind.