Folge 411: Oscar-prämierte Dokumentationen

Moores Filme muss man als karikaturhafte Unterhaltungsfilme sehen. Dann ist es auch egal, ob das Gewehr direkt in der Bank übergeben wird oder in Wahrheit erst ein paar Wochen später irgendwo anders. Das ist eine Überspitzung der Wahrheit. Am eigentlichen Kern seiner Filme gibt es ja nie etwas zu rütteln.

Allerdings sollten solche Filme dann auch nicht mit dem Oscar für den besten Dokumentarfilm ausgezeichnet werden. Auch der alleinige Begriff Dokumentation ist schon etwas fragwürdig. Es wird ja deutlich mehr getan, als dokumentiert.

3 „Gefällt mir“

Das stimmt, allerdings trifft das im Kern auf die Mehrheit der Dokumentarfilmer zu. Da kann man schon bei Flaherty anfangen, der seinen Protagonisten 1922 eine tote Robbe aus einem Eisloch ziehen liess, um zu zeigen, wie die normalerweise gejagt werden. Biss aber gerade keine an :wink: Obwohl das unethisch war, hat der normalo Zuschauer vermutlich einen Eindruck über das Leben der Inuit bekommen. Moores Methoden treiben natürlich alles auf die Spitze, aber was er erreicht hat, ist eine globale Masse auf Waffengewalt aufmerksam zu machen, und das war zumindest eins seiner Ziele.

1 „Gefällt mir“

Danke für den Hinweis. Ich kam darauf, weil ich tatsächlich 2 Familien kenne, in denen mehrere Familienmitglieder (Mutter und beide Kinder Autisten / Onkel und Neffe Asperger) betroffen sind. Aber das kann natürlich Zufall sein.
Ausserdem hat mich sein Kommentar, er wãre nie umarmt worden und hätte sich das selbst beigebracht, als er älter wurde, an Temple Grandin erinnert. Sie ist eine Autistin, die laut eigener Aussage Ängste von Tieren nachempfinden kann und ihre Fähigkeiten dazu eingesetzt hat, „humane“ (jaja, Widerspruch ins ich, ich weiss) Schlachtanlagen und anderes in der Landwirtschaft zu entwickeln. Als sie erfolgreich wurde und somit auch Vorträge halten und allgemein unter Menschen musste, hat sie sich selbst eine „Hug Machine“ gebaut, um sich an Menschenkontakt zu gewöhnen. Hab ich mal in einer Doku gesehen und da musste ich sofort dran denken, als Honnold das im Film erzählt. Aber das heisst natürlich noch nicht, dass er auch Autist ist.

Auch sehenswerte Oscar-Dokumentationen der letzten Jahre sind American Factory (über eine chinesische Firma, die in den USA eine Niederlassung aufbaut) und Inside Job (über die Finanzkrise 2007/2008). Erstere ist eher unterhaltsam, letztere eher verstörend. American Factory gibts auf Netflix, Inside Job findet man auf Youtube.

1 „Gefällt mir“

@svenve Finde ich auch, nichts ersetzt das Besuchen von (guten) Gedenkstätten und den Austausch mit Zeitzeugen vor Ort. Ich glaube, der Verlust von Zeitzeugen wird noch einen sehr negativen Einfluss auf das Geschichtsverständnis der kommenden Generationen haben. Schon jetzt gibt es ja immer mehr Menschen, die bestimmte Sachen leugnen oder einfach auch nicht mehr lernen.

@BenVegas Ich kann sehr gut verstehen, dass man aus Selbstschutz auf bestimmte Erlebnisse oder Filme oder Bücher verzichten möchte (oder muss), das geht mir auch so. Aber trotzdem möchte ich an alle appellieren, sich Gedenkstätten anzuschauen und Gespräche zu führen, so lange es noch geht!

Wir waren mit der Schule in Auschwitz und dort haben wir auch mit einem ehemaligen Häftling gesprochen. Das werde ich nie vergessen. Am Ende von „The Zone of Interest“ wird zwar als Teil der modernen Sequenz der Todesblock und die Öfen von Auschwitz gezeigt, aber diese Bilder haben überhaupt keine Wirkung im Vergleich zu „ich stehe da drin / davor“. Natürlich ist das nicht schön (ich bin da mehrmals fast umgekippt), aber man kann es sich ja das Ausmaß des Grauens in den meisten Fällen wirklich gar nicht vorstellen. Und dann stehst du da vor einem Berg von menschlichem Haar und Goldzähnen (im Film haben sie nur die Schuhe und Brillen gezeigt), und danach braucht man auch keinen Film mehr anzuschauen. In Buchenwald war ich nie, daher kann ich das nicht vergleichen, aber z. B. Bergen-Belsen ist im Vergleich zu Auschwitz oder Majdanek viel weniger eindrucksvoll, weil man fast nichts mehr vom eigentlichen Lager sieht.

Übrigens: in der Gedenkstätte Hohenschönhausen in Berlin (ehemaliges Stasi-Gefängnis) gibt es Führungen von ehemaligen Insassen. Sehr zu empfehlen

9 „Gefällt mir“

Das wird Pietätsgründe haben, die Sachen so sind ja nur Kleidungsstücke, aber Haar und Goldzähne sind ja so gehesen schon Körperteile, ich meine deshalb ist an diesen Stellen auch ein ausdrückliches Fotografierverbot.
Mittlerweile zensiert man ja auch schon in Kriminaldokus Skelette etc. wobei MG sowas eben auch schon bei Trip im Krematorium gemacht hat.

In der Tat, wir waren vor 11 Jahren in Auschwitz und letzten Sommer war ich in Dachau, letzteres fand ich im Vergleich etwas „enttäuschend“ weil die Räume an sich ziemlich leer waren, weiß nicht wie der Zustand so war, aber es waren wenig Exponate und das meiste auf diesen großen Infotafeln.

Die Gedenkstätte Hohenschönhausen sollte man gleich mit einem Besuch im Stasi-Museum verbinden:

Und natürlich das Deutsche Historische Museum, aber die drei Sachen werden zuviel für einen Tag, die Museen sollte man auf zwei Tage aufteilen.
Jugendwerkhof Torgau war auch übel:

1 „Gefällt mir“

Hi ihr Lieben,

jetzt hat Dennis es auch noch geschafft, dass ich mit Dokus anfangen möchte. Wirklich tadellose Pantoffelkinofolge und sehr starker Lebemannwunsch. Ich habe von Dennis aber nichts anderes erwartet. Ich mag ihn seit der ersten Stunde und freue mich immer, wenn er Gast ist.

Bei Dokus habe ich bisher immer einen großen Bogen gemacht, weil mich die reinen Spielfilme schon gut genug beschäftigen und erfreuen. Aber Dokus, und gerade die oscarprämierten Vorschläge, die hier von allen rezensiert werden, sind genau das richtige, um sein Horizont zu erweitern.

Also danke an Dennis und alle anderen natürlich für diese bemerkenswerte Besprechung jüngster Dokumentationen und die neu gefundene Motivation für Dokumentationen, so erschreckend manche Seeerfahrungen auch sein werden. Aber so ist das auch manchmal bei Spielfilmen.

Beste Grüße,
Marco

3 „Gefällt mir“

Hallo @signore ,
das freut mich sehr!
Es gibt bei Pantoffelkino schon mehrere Specials mit tollen Dokus, jemand hier hat bestimmt die Nummern parat…
Aber hier schon mal ein paar Tipps:

Falls du den erwähnten Kletter-Film über die Huber-Buam sehen willst, die gemeinsam El Capitan erklommen haben (Alexander Huber hat eine der Strecken designt, die Alex Honnold klettert)

Searching for Sugarman (eine der besten Musikdokus aller Zeiten): https://youtu.be/QL5TffdOQ7g?si=Clqielxzwl2bJtIh

The Thin Blue Line (und überhaupt alles von Errol Morris!): https://www.youtube.com/watch?v=dNL5A4D0G4g

Man on Wire:

Einer meiner absoluten Favoriten: (ganzer Film!) „Blindsight“
über die blinde Deutsche Sabrye Tenberken, die in Tibet eine Schule für blinde Kinder eröffnet und ihnen im wahrsten Sinne des Wortes neue Horizonte eröffnet):

Und wenn dich auch klassische Dokus interessieren, Primary (von Pennebaker), Chronik eines Sommers (Jean Rouch), Berlin Sinfonie einer Großstadt (Ruttmann)

1 „Gefällt mir“

Liebe Anna,

Wie aufmerksam und lieb, Empfehlungen zu posten. Vielen herzlichen Dank!!!

Davon werden viele profitieren, die im Forum stöbern.

Ganz viele Grüße,
Marco

1 „Gefällt mir“

@signore

Ich würde diese Dokus auch noch sehr empfehlen

Über einen Killerwal in gefangenschaft und wie der durchdrehte

Unglaubliche Geschichte über Identitätsklau

Fantastische Doku über Michael J Fox. Absolut unentschuldbar, dass der nicht dieses Jahr für den OScar nominiert wurde

Sehr spannende True-Crime Story über einen dreifachen Kindermord, wo die Justiz völlig unsauber gehandelt hat

2 „Gefällt mir“

Vielen Dank für die Tipps und direkten imdb Verweise, kkt!

Was habe ich eine erste gute Watchlist aufbauen können?! Danke!

1 „Gefällt mir“