Naja, das hängt so ein bisschen von der Wissenschaftstheorie ab, der Du folgst. Natürlich, wenn Du z. B. einen radikal-naturalistischen Ansatz wie z. B. die Skeptikerbewegung nimmst, kommst Du da zu so einem Ergebnis. Wenn Du hingegen eher Feyerabend folgst mit seinem „Anything goes“ wirst Du das ganz anders sehen.
An einer griffigen Beschreibung und Begründung was „Wissenschaft“ nun eigentlich besonders machen soll, beißen sich Wissenschaftstheoretiker und Wissenschaftsphilosophen ja schon ziemlich lange die Zähne aus. Denn das Kernproblem ist ja folgendes: Die meiste Zeit propagiert sogar die Wissenschaft falsche Modelle. Kleines Beispiel? Galileo ist ja dafür bekannt, dass er sehr erfolgreich das kopernikanische Weltbild vertrat zu einer Zeit, wo das geozentrische Weltbild weit verbreitet war. Das kopernikanische Weltbild besagt, dass die Sonne still ruhend in der Mitte ist und das die Planeten auf perfekten Kreisbahnen um diese unbewegliche Sonne kreiste. Galileo verwendete zum Beweis dafür Beobachtungsdaten aus dem Teleskop. Das ganze hatte aber zwei Probleme:
- Hatte Galileo nie den Beweis erbracht, dass Beobachtungsdaten aus einem Teleskop überhaupt geeignet sind, Daten zu dieser Frage zu sammeln.
- Ist das kopernikanische Weltbild evident falsch. Weder steht die Sonne unbeweglich in der Mitte (der gemeinsame Umdrehungspunkt mit Jupiter und Saturn kann sogar außerhalb der Sonnenoberfläche liegen) noch bewegen sich die Planeten auf perfekten Kreisbahnen, sondern auf elliptischen Bahnen.
Galileo bewies als mit einer Methode die er nicht verifizierte ein nachweislich falsches Weltbild. Er war aber trotzdem erfolgreich. Warum? Er konnte gut schreiben, er schrieb auf Italienisch und wandte sich an Leute die den aktuellen Machtverhältnissen ohnehin skeptisch gegenüber standen. Sprich: Er betrieb geschickte Propaganda. Er wurde am Ende durch Dogmatiker bekämpft.
Auch erwies sich ja das Newtonsche Gravitationsgesetz als falsch, weil es z. B. nie in der Lage war, die Perihelverschiebung des Merkur zu erklären. Das konnte dann erst die Relativitätstheorie.
Wenn wir also davon ausgehen, dass die Wissenschaft natürlich nicht die Realität abbildet sondern nur lediglich ein reduziertes Modell gibt und diese Modelle in der Vergangenheit sich immer letztendlich als falsch herausgestellt haben, ist es nahezu absurd übermäßig auf die Wissenschaft zu hören.
Und es wird sogar noch schlimmer: Jeder Wissenschaftler arbeitet, je nachdem ob wir Kuhn folgen in einem Paradigma oder wenn wir Lakatos folgen in einem Forschungsprogramm. Der Punkt ist: Das Paradigma oder Forschungsprogramm gibt vor welche Fragen und Methoden überhaupt als legitim betrachtet werden. Aber gleichzeitig sind sich Wissenschaftler des eigenen Paradigmas/Forschungsprogramms gar nicht bewusst. Wenn Du die Probe mal aufs Exempel stellen willst frag doch mal einen studierten Informatiker danach, was eigentlich das zentrale Paradigma oder Forschungsprogramm der Informatik ist.
Zwei Wissenschaftler die in unterschiedlichen Paradigmen arbeiten, leben in unterschiedlichen Welten und erachten Fragen und Methoden des anderen generell als illegitim.
Und jetzt kommen wir zum eigentlich Problem. Vor 200 Jahren konntest Du jede Diskussion mit dem Ausspruch „Das ist unchristlich“ tot machen. Vor 100 Jahren konntest Du jede Diskussion mit dem Ausspruch „Das ist unpatriotisch“ tot machen. Heute kannst Du eine Diskussion mit dem Ausspruch „Das ist unwissenschaftlich“ tot machen.
Es beziehen sich heute Leute auf die Wissenschaft die weder Teil der Wissenschaft waren, noch ein tiefergehendes Verständnis von Wissenschaftstheorie oder Wissenschaftsphilosophie haben. Und hier liegt eine tatsächliche Gefahr, denn diese Leute wissen nicht, was Wissenschaft leisten aber insbesondere nicht leisten kann. Genau von diesen Leuten wird der Dogmatismus vertreten den Feyerabend meinte. Denn Wissenschaft ist für diese Leute eine Wahrheitsverkündung, die nicht hinterfragt werden darf.
Und diese Leute sind nach meiner Meinung eine größere Gefahr in der Gesellschaft als diejenigen, die der Wissenschaft absolut feindlich gegenüber stehen. Denn es ist immer problematischer was deine „Freunde“ machen, als das was Deine Feinde machen.
Doch, das geht in einigen Fällen. So kann man z. B. beweisen, dass zwischen 5 und 7 keine Primzahlen existieren. Oder Du kannst auch die Nicht-Existenz eines Gasriesen zwischen Erde und Venus beweisen.