Hallo Leute!
Ich habe damals, im Zuge der Folge 142 mit Helmut Thoma als Gast, eine kleine Kritik der RTL-Kritik von Holger geschrieben und wollte sie mal hier eurer Meinung aussetzen.
Ich weiß jedoch nicht, ob sie noch berechtigt ist, da ich Holger schon seit Längerem nicht mehr verfolge.
Um so mehr interessiert es mich, wie ihr das jetzt seht.
Meine Kritik ist ziemlich bildungssprachlich geschrieben, weil ich damals einfach einen schönen Text zaubern wollte.
Trotzdem hoffe ich, dass man sie sich geben kann.
[B]Eine Kritik der Kritik an RTL[/B]
Ich habe gestern mal wieder in das Webformat Fernsehkritik-TV reingeschaut.
Das Format beschäftigt sich investigativ und kritisch mit der deutschen Fernsehlandschaft und läuft seit 2007 unter der Leitung von Holger Kreymeier recht erfolgreich.
Holgers Steckenpferd scheint es zu sein, in jeder Folge mindestens einmal das Programm des Senders RTL möglichst unterhaltsam im Bezug auf inhaltliche, sowie handwerkliche Qualität zu kritisieren.
“Super, gib ihnen!”, denke ich mir jedes Mal.
Bis in der letzten Folge ein sehr interessanter Gast im Studio saß, Ex RTL-Chef Helmut Thoma. Ich verfolgte zunächst erstmal ein sehr interessantes Gespräch, in welchem mir aber nach und nach bewusst wurde, wie naiv Holgers Kritikansatz bzgl. RTL ist und vor allem, wie sehr seine Kritik doch den Kern des Problems verfehlt.
Nach dem Gespräch mit Helmut Thoma über RTL, frage ich mich, inwieweit es noch Sinn macht, die Enttäuschung des eigenen kulturellen Anspruchs an ein rein kapitalistisch orientiertes Unternehmen in einem kritischen Format wie diesem zu verarbeiten.
Die kulturelle Kritik dieses Formats ist doch im Kontext RTL nicht wirklich subversiv. Sie bleibt viel eher zwecklose Empörung, da sie den eigentlich strukturellen Kern des Problems “Kulturverfall” verfehlt
Jener Kern ist die kapitalistische Struktur mit ihrem Prinzip “Mehr Geld durch billigere Produktion, angepasst auf Masse”. Sich ständig über das kulturelle Niveau innerhalb dieser kulturfeindlichen Struktur zu beschweren, anstatt die Struktur an sich zu kritisieren, kommt dem gleich, tagtäglich mit einer Gourmet-Zunge bei MCDonalds zu futtern, um sich dann darüber auszulassen, wie scheiße es dort schmeckt, anstatt das Fast-Food-Prinzip im Allgemeinen anzuprangern.
Anders gesagt habe ich das Gefühl, dass der kulturelle Verfall bei RTL eher als gesellschaftliches Problem beim Konsumenten oder personelles Problem beim Produzenten bzw. Sender missinterpretiert und kritisiert wird.
Stattdessen ist der Kulturverfall vielmehr ein notwendiger, da rationalisierender, Faktor einer kulturfeindlichen kapitalistischen Wirtschaftspolitik innerhalb der Unternehmensstruktur. Dort liegt die Ursache.
Dass die Konsumenten den Scheiß gucken und die Produktionen den Scheiß machen, entpuppt sich also schlussfolgernd nur als Wirkung dieser Ursache, in Form der Instrumentalisierung von Konsument und Produzent.
Quasi der kulturelle Fatalismus, als Kapitulation vor der kapitalistischen Struktur.
Um das jetzt mal in der MCDonalds-Metapher zu halten:
Die Kritik müsste viel weiter gehen, als bis zur Küche, die den Scheiß zubereiten muss, an welchen sich die Menschen gewöhnen.
In logischer Konsequenz müsste sie bis zur Ursache im Finanzmodell gehen.
Bezogen auf die menschenverachtenden und korrupten Praktiken des Senders bzw. der Produktion, halte ich Holgers investigative Arbeit und seinen Kritikansatz dennoch für völlig legitim und wichtig und seinen Grimmepreis für mehr als verdient.
Ich denke aber, dass auch diese Praktiken dem niedrigen kulturellen und damit ethischen Maßstab der Unternehmensstruktur entspringen, und somit zum Stück auch strukturell betrachtet und kritisiert werden sollten.
Holger sollte mit seinem Kritikansatz bzgl. RTL jetzt einen Schritt weiter gehen und somit auch mit seinem Format.
Ich verstehe, dass kulturelle Kritik den Unterhaltungsfaktor erhöht.
Aber sie ist viel mehr Vehikel subversiver Arbeit, als dass sie jene in diesem Kontext sein kann.