Doku über Ede Zimmermann

Habe die Doku auch gerade mit meiner Frau gesehen.
Irgendwann meinte sie nur: „Die muss ein tiefliegendes Problem mit Männern im allgemeinen haben, so bissig wie sie kommentiert.“
Sie meinte auch, dass es sehr unausgewogen war, dass nur Filmfälle präsentiert wurden, in denen fast ausschließlich weibliche oder homosexuelle Opfer zu sehen waren.

Außerdem beklagt die Autorin, dass Ede sinngemäß vernachlässigt habe, dass die meisten Sexualdelikte im näheren Personenumfeld passieren würden. Dies ist statistisch sicherlich richtig, aber die Fälle mit Morden und/oder Sexualverbrechen an Tramperinnen sind ja tatsächlich wahre, ungeklärte Begebenheiten gewesen, bei denen es darum ging, den unbekannten Täter zu finden.
Sollte man sie nach ihrer Logik dann lieber nicht zeigen, weil das ja „gar nicht so oft“ vorkäme?

Auch das Benennen Ulrike Meinhofs als „Intellektuelle“ (die im gezeigten Ausschnitt ihre Sätze nicht wirklich intellektuell formulieren konnte) und der zwischen Edes erster gezeigter Frauenleiche und der ermordeten Grünen-Politikerin Petra Kelly hergestellte Zusammenhang war nicht nur abenteuerlich, sondern ein journalistischer Totalausfall.
Offensichtlich sollte dort Framing betrieben werden gegen den „alten weißen Ede… äh… Mann“.

Könnte mir jemand Zimmermanns Jagd aus der Reihe Zeichen der Zeit zur Verfügung stellen? Würde ich gerne mal anschauen.

https://www.wikixy.de/Zimmermanns_Jagd

Bei der Kriminalstatistik frage ich mich, ob Ede aus irgendeiner speziellen Veröffentlichung zitiert hat. Man kann den Titel zwar nicht lesen, aber auf dem Deckblatt scheint der Titel viel länger zu sein, als der, den man auf der offiziellen Ausgabe findet. „1981“ kann man noch erkennen, der untere Teil mit Adler, „Bundesrepublik Deutschland“ und „Bundeskriminalamt“ scheint auch identisch.

Ich habe gerade versucht, das mit einem Bildbearbeitungsprogramm perspektivisch nachzuvollziehen, es aber leider durch die Neigung des Buches, den gebogenen Einband und den Knick auf Höhe des Adlers nicht ganz hinbekommen. Ich habe dadurch aber schon den Eindruck gewonnen, dass die Länge des Titels übereinstimmt. Wo bei der oberen Zeile eine Lücke zwischen den Buchstaben ist, befindet sich das L, bei der zweiten Zeile ebenso.

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Ja, könnte tatsächlich sein. Es würde mich ohnehin wundern, wenn in der Kriminalstatistik der Begriff Anhalter auftaucht. Sowas wird normalerweise nicht statistisch erfasst. Ich habe mir auch einige Statistiken aus den 70er und 80ern angeschaut.

Ich habe mir die Doku eben auch angesehen, mir den Text von Stefan Niggemeier durchgelesen und auch hier die Kommentare.

Meiner Meinung nach ist die größte Schwachstelle der Doku, dass zu sehr auf die Erklärung gesetzt wird, dass es sich Propaganda handelt, die eine bestimmte, klare (reaktionäre) Intention gehabt hat. Und das ist dann doch zu wenig belegt, dafür hätte man viel mehr Beispiele finden müssen wie etwa das (nicht vorhandene?) Zitat aus der Kriminalitätsstatistik. Wie in dem Niggemeier-Text ja auch richtig festgestellt wird, werden dann auch noch einige Beispiele zu Ungunsten Niggemeiers ausgelegt, auch wenn sie mindestens mehrdeutig sind.

Auch wird den „Fesseln“, die die Formatidee einer Fahndungssendung mit sich bringt nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt: Klar sind Verbrechen im häuslichen Umfeld unterrepräsentiert, weil die vermutlich schneller aufgeklärt werden. Und dass nicht so viel Fokus auf die Täter gelegt wird bzw. werden kann ist auch klar, wenn diese unbekannt sind. Das alles nimmt doch etwas Wind aus den Segeln des Hauptvorwurfs des Films der Propaganda. Und da tut der Film dann den Machern der Sendung und im Speziellen Eduard Zimmermann vllt. auch etwas Unrecht.

Was mir persönlich aber doch einleuchtet ist (und was mir der Film bei all seinen Schwächen doch auch gut vergegenwärtigt hat) ist, dass das XY-Format auch die Möglichkeit geboten hat, ein paar konservativ-bürgerlichen Botschaften Raum zu verleihen (ohne dass dahinter notwendigerweise ein großer Propaganda-Masterplan stecken muss).

Ich bin kein großer XY-Experte, habe aber auch immer mal wieder einige alte Folgen über die MG-Livestreams gesehen - und es ist doch schon augenfällig, wie oft die Filme mit einem bürgerlichen Ideal beginnen und wie oft (aus bürgerlicher Perspektive) moralisch fragwürdiges Verhalten des Opfers (Homosexualität, Prositution, Trampen etc.) vielleicht nicht verbal in einen Kausalzusammenhang mit dem Verbrechen gesteckt werden, aber doch in der ganzen Komposition der Beiträge solche Schlüsse irgendwie naheliegen.

Gerade die Darstellung des Alltags bietet doch eine gute Bühne für solche Darstellungen. Ich habe nur durchgeblättert, aber in diesem Zusammenhang scheint mir der Beitrag von Jan Pinseler in einem Springer-Sammelband (nicht DER Springer-Verlag :wink: ) ganz aufschlussreich zu sein (ab S. 73) : https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/978-3-531-91949-2.pdf

Nur mal ein Zitat (S. 85-86):

"Der Alltag, wie er in Aktenzeichen XY … ungelöst dargestellt wird, so hat sich
gezeigt, ist ein beständig vom Verbrechen bedrohter Alltag. Menschen werden –
in der Darstellung der Sendung – zu Opfern, weil sie leichtgläubig sind (wie der
alte Mann, der in seiner Wohnung ermordet wird), weil sie hilfsbereit sind (wie
der Mann, der eigentlich nur die Blumen in der Wohnung eines Freundes gießen
wollte), weil sie unvorsichtig sind (wie die junge Frau, die Auto fährt ohne dies
von innen zu verriegeln), weil sie nicht umfassend auf ihr Eigentum aufpassen
(wie die Bauern, denen die Fotovoltaikplatten vom Dach gestohlen werden),
weil sie ein Risiko eingehen (wie der schwule Mann, der einen Unbekannten mit
nach Hause nimmt) oder weil sie ihr Schicksal herausfordern (wie die Polizistin,
die ihren Kollegen überredet, den Dienst zu tauschen). Ihr alltägliches Leben
wird als gewöhnlich, als ‚normal‘ vorgeführt. Worin diese Normalität besteht,
wird in den Darstellungen der VerbrecherInnen deutlich, die die alltägliche
Normalität zerstören. Auffallend ist, dass nur im Fall des überfallenen schwulen
Mannes dessen Alltag kaum dargestellt und nur der Barbesuch gezeigt wird, der
zu dem dargestellten Verbrechen führte. Wenn Alltag in Aktenzeichen XY …
ungelöst als unhinterfragte, selbstverständliche Normalität gezeigt wird, dann ist
dies immer ein Alltag weißer deutscher Menschen aus der Mittelschicht.

Und auch (S. 86):

In den Filmen in Aktenzeichen XY … ungelöst geht es zu einem großen Teil gar nicht um die Darstellung des Verbrechens selbst, vielmehr wird zumeist das Leben der Opfer vor der Tat ausführlich dargestellt. Vor dem Hintergrund einer alltäglichen ‚heilen Welt‘ der Opfer erscheint das Verbrechen, das von außen in den Alltag eindringt, dann umso böser. So entsteht das Bild einer Dichotomie von Gut und Böse, in der diese unterschiedlichen Welten angehören und sich gegenseitig ausschließen. Diese Gegenüberstellung erfolgt mit Hilfe von filmischen und rhetorischen Mitteln. Je weniger sich die Alltagswelt der Opfer und die außeralltägliche Welt der Täter berühren, desto mehr kann das Verbrechen als einfach böse beschrieben, muss es nicht als Bestandteil einer Gesellschaft erklärt werden und können Widersprüche zugunsten einer eindeutigen Ordnung aufgelöst werden.

Das verdeutlich für mich dann schon nochmal, wie in einer Sendung wie Aktenzeichen XY eben auch konservative Moralvorstellungen immer ganz gut eingebunden werden können. In dem Zusammenhang finde ich das Beispiel mit der Darstellung des Trampens als große Gefahr ein ganz schönen Beleg dafür, dass die Fakten der Gefahren dem eigenen Weltbild untergeordnet wurden …

Auch wenn ich sagen muss, dass mich der Film dann letztlich nicht so aufschlussreich waren, wie die paar Passagen aus diesem Beitrag im Springer-Sammelband :wink:

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´Die Aussage von E. Zimmermann bezog sich glaube ich allgemein auf „Vergewaltigungen und sexuelle Nötigungen“ - d.h. in der Statistik taucht der Begriff „Anhalter“ auch nicht auf.

Ich habe mal geschaut, der Report ist auch online zu finden: BKA - Polizeiliche Kriminalstatistik - Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) 1981

Ab Seite 61 geht es um „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ - und tatsächlich, rechnet man die Zahl der Vergewaltigungen und sexuelle Nötigungen zusammen kommt man auf 10.504 Fälle - oder gerundet eben 11.000 Fälle. Aber ich finde da tatsächlich den Satz den Eduard Zimmermann da zitiert auch nicht, jedenfalls nicht in diesem Unterkapitel.

Was dort steht, ist, dass Jugendliche besonders gefährdet sind, da sie einen großen Anteil der Opfergruppe ausmachen. Das geht zumindest in diese Richtung. Wer weiß, wo Zimmermann das Zitat her hat. Dass er absichtlich geschummelt hat, wie es im Film angedeutet wird, lässt sicht aber nicht belegen und halte ich auch für unwahrscheinlich.

Das sind zwei völlig verschiedene Aussagen - Deine Aussage bezieht sich auf das Alter der Opfergruppe, die Moderation bezog sich auf die Ursachen bzw. die Kontexte der Taten. Da braucht Menschen viel Fantasie …

Und naja, wenn er sagt, " in der Kriminalstatistik vom letzten Jahr" habe er diesen Satz gefunden und er steht nirgendwo, dann ist das für mich nicht nur unwahrscheinlich, dass die den Satz erfunden haben. Zumindest deuten ja alle Fakten darauf hin. Die einzige Möglichkeit wäre eine unbekannte Langfassung oder so … Oder nicht veröffentlichte Vorabversion. Aber wdarauf deutet ja nichts hin …

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Theoretisch ist ja vorstellbar, dass die XY-Redaktion und Zimmermann sich die Statistik angesehen haben und dort lasen, dass Jugendliche besonders gefährdet sind. Dann dachten sie sich: hm, das können wir so nicht bringen, ist nicht dramatisch genug und zu unspezifisch. Was machen Jugendliche gerne? Per Anhalter fahren und ausgehen. Also basteln wir uns eine eigene Aussage, die wir so formulieren und präsentieren, als stünde sie in der Bundeskriminalstatistik.

Traut man denen so viel Manipulationswillen zu? Zimmermann war ja immerhin selbst mal Ganove. :smile:
Aber das nur, um Frauen und Mädchen vom Ausgehen abzuhalten? Ich bin da erst mal skeptisch. Wie genau diese Aussage zustande kam, wird sich heute wohl nicht mehr nachweisen lassen. Man müsste mal andere Sendungen in dieser Hinsicht durchforsten. Es wird ja vielleicht öfter was aus Statistiken zitiert worden sein. Oder andere Dinge geben, die man nachprüfen kann.

Vielleicht war es ja auch ganz einfach: die Redaktion hat dies in der Kriminalitätsstatistik und ggf. weiteren Quellen recherchiert und Ede als zusammenfassendes Statement vorgelegt. Er liest dies so vor und ist natürlich im guten Glauben, dass es 1:1 dort so steht…

So wie der Politiker sich auf den Fachreferenten verlässt, der etwas vorbereitet hat.

Dagegen spricht, dass er es ja direkt aus der dicken Kriminalstatistik vorzulesen scheint.
Aber ich will mich an diesem einen Aspekt nicht hochziehen. Es wird ohnehin unklar bleiben.

Ich finde den Kommentar „sonst musst du wieder in den Busch“ aus heutiger Sicht bedenklich - so würde heute wohl kaum noch einer reden. Der Unterschied zu damals ist jedoch der, dass Frank Elstner es überhaupt nicht verletzend meinte und man den Satz auch nicht negativ interpretiert hat… Man hört ja sogar, dass alle lachen und es eher humorvoll aufgefasst haben… Heute „rollen“ dafür Köpfe…

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… oder als HITMAN.

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Ich will jetzt hier keine Diskussion in dem Thread darüber anfangen, aber Blanco selber sieht das wohl vollkommen locker https://youtu.be/vE-vcgBIPcQ

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Wenn man sich für die Vita von Eduard Zimmermann interessiert ist das hier eigentlich deutlich besser als die Doku:

Dieses Gespräch wurde drei Jahre vor Eduard Zimmermanns Tod aufgezeichnet (2006). Seine Autobiographie war damals schon erhältlich und Thema dieser Sendung (erschienen 2005)…

Der You-Tube-User hat dieses Interview in 5 Teilen hochgeladen - es ist komplett verfügbar (ca. 43 Minuten)…

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…gerade gesehen:

Die Doku über Eduard Zimmermann wird morgen,

18.10.2023 auf 3sat um 20.15 Uhr

wiederholt.

Und nicht nur das:
im Anschluß gibt es um

21.45 Uhr

einen 50-minütigen
„3satThema Talk“ zum Thema „True-Crime-Formate“ u.a. mit Regina Schilling, der Autorin des neuen Zimmermann-Filmes…

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Danke für den Tipp. Ist vorgemerkt