Das mag sein, aber wer im Glashaus sitzt… davon abgesehen sollten die persönlichen Ziele der Teilnehmer eigentlich gerade nicht im Vordergrund stehen, darauf wollte ich eigentlich hinaus. Mutiert ist das dann in die Frage, ob der Artikel von einer adäquat qualifizierten Person verfasst wurde um uns zu informieren, oder um uns eine vorgegebene Meinung zu geben. Es ist weder gut, dies zu tun, noch wäre es gut, keine Meinung anzubieten. Deshalb die Forderung nach dialektischer Information.
Natürlich gab und gibt es schon Möglichkeiten, sich einzubringen. Die formelle Möglichkeit alleine ist aber nicht ausreichend. Die Anforderungen an die heutigen Individuen beinhalten auch Zeitplanung und Erörterung von immer mehr Informationen und Reizen. Es ist schlichtweg vielen Menschen nicht möglich sich selbst umfassend zu informieren, ohne dafür auch Informationen angeboten zu bekommen, die neutral die verschiedenen Aspekte aufzeigen. In die gleiche Richtung geht die Frage der Podiumsdiskussion, die ja, wie du auch erwähnst, physische Anwesenheit erfordern und so noch mehr Beteiligungshürden schaffen. Hier liegt ja eben die Kernaufgabe der ÖR, die wie du richtig schreibst, diesen Aufgaben nicht hinreichend nachkommen. Das Phoenix “Versehen” mit vorheriger Planung zu rechtfertigen, offenbart die Nachlässigkeit mit der die ÖR verstärkt vorgehen. Sind die zu dumm um zu ahnen, dass vorgefertigte Beiträge nicht mehr passend sein können, wenn genau über deren Inhalt vorher diskutiert wird? Ist die Einseitigkeit nicht schon für sich ein Armutszeugnis? Manchmal meint man wirklich, die Redaktionen würden einfach die Pressemeldungen der Regierung verwursten und auf einfachste Weise Beiträge zu generieren. Wieso wurde etwa von den Stuttgarter Nachrichten nicht ein ausgewiesener Kommunikationswissenschaftler, Mediensoziologe oder Politikwissenschaftler um einen Artikel gebeten, sondern ein Sportwissenschaftler?
Bitte nicht falsch verstehen, Beteiligung ohne Aufwand kann es nicht geben, es ist aber heute möglich, den Aufwand zu verringern und die Zeit, die die Menschen in Informationsbeschaffung und Meinungsbildung investieren, ist nicht unerheblich. Diese Informationen anzubieten ist oben erwähnte Kernaufgabe für die wir eigentlich die Gebühren zahlen. Unterhaltung war mal im Programm, um Ausgewogenheit zu erreichen, als es mal nur ÖR Fernsehen gab, das ist aber heute den Privatsendern überlassen, denen man trotzdem noch auf Biegen und Brechen gebührenfinanziert Konkurrenz machen will.
Wie ich bereits ausgeführt habe, besteht der Sinn in der Bereitstellung von Informationen und der Transparenzförderung. Dass Hinz und Kunz die Statik des modernen Brückenbaus nicht unbedingt nachvollziehen kann, ist ja unstrittig. Es ist aber auch noch nicht das erwähnte Endprodukt des neuen Transparenzprozesses, sondern der Anfang. Eine Abstraktion kann mit diesen Informationen durch die Medien erfolgen, die dann dialektisch die verschiedenen wichtigen Aspekte zusammenstellen können. Am Ende gewinnen alle, wenn die Bürger die Notwendigkeit verstehen, warum ein solches Projekt nötig ist. Auf diesem Weg kann es passieren, dass die Bürger die Notwendigkeit nicht anerkennen und dann ist das wohl des Volkes Wille an den sich die Politik lieber halten sollte. Keine Frage, dass nicht jede politische Entscheidung vom Volk hinterfragt werden kann und sollte, aber offen gegen den Volkswillen milliardenschwere Großprojekte mit direkter Bürgerberührung durchsetzen zu wollen, ist indiskutabel. Kein Politiker kann Atomkraftwerke als sicher bezeichnen*, keiner von denen kann ernsthaft behaupten, nur der beschlossene Weg führe zum Ziel (welches eigentlich?). Fortschritt im Sinne solcher Großprojekte ist eben nicht aus sich heraus schon notwendig und lässt sich nicht nur mit schwammigen Argumenten großzügiger Prophezeihungen herbeireden. Die heutige “Wissensgesellschaft” mit ihrer Pseudorationalität lässt Basta Entscheidungen einfach nicht mehr im selben Umfang wie früher zu. Das Milieu der Politiker muss das erst noch verinnerlichen. [Der Charakter des Großprojekts entsteht, weil man nicht das Gesamtkonzept nach und nach verwirklicht und so eine Übergangszeit zulässt, sondern alles auf einmal durchdrücken will. Das ist in heutigen Größenordnungen nicht wirklich sensibel gegenüber der Bevölkerung, die eben nicht nur durch Arbeit und Essen glücklich sein kann.]
Tragischerweise gibt es Befürworter, die allein aus persönlichem / ökonomischem Vorteil diese Position einnehmen (Irgendwer baut diese Tunnel, plant sie, profitiert von dem Bau, etc.) und genauso gibt es Kritiker aus diesem Grund und die, die einfach nur dagegen sind um dagegen zu sein. Dazwischen aber sind die wichtigen Leute, die sich gerne überzeugen lassen wollen, die eine diktierte Meinung nicht einfach abnicken, aber in dieser Hinsicht nicht befriedigt werden. Was hat es für einen Sinn, einen Fortschritt zu erzwingen, der die Menschen nicht mitnimmt? Es gibt bei solchen Transformationen von Systemen (Details mal beiseitegelassen) auch Menschen die damit nicht plötzlich zurechtkommen und wenn das zuviele werden, ist es kontraproduktiv. Die Deutsche Wende ist eine Transformation, die immer noch nicht abgeschlossen ist und auch immer noch sichtbar ist. Manche haben sie wunderbar verkraftet und sich das neue System des “Westens” zu eigen gemacht, andere konnten es nicht und manche sind kläglich gescheitert. Auch das ist ein Grund (neben der bekannten Plünderung durch westliche [im Sinne von nicht ostdeutsch] Geschäftemacher) wieso es so viel Landflucht und Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern gibt, wobei dies ja regional auch noch unterschiedlich ausfällt.
Bezüglich des Gewinnens beim Bürger - wer wirklich überzeugt ist, darf auch Herzblut in eine Sache stecken und dürfte aus eigenem Interesse wohl nicht in solch gehobener Position darauf verfallen, jede Kritik mit Basta zurückzuweisen. Politiker haben in gehobener Position Privilegien auch über ihre Amtszeit hinaus und unabhängig von Erfolgen - sie sollten den Anstand haben und dafür das Amt auch bestmöglich ausfüllen und nicht nur so wie gerade nötig. Politik hat nicht nur für wirtschaftlichen Wohlstand zu sorgen, eigentlich sogar dies nur sekundär und primär dagegen die Lebensqualität der Bürger. Das kapitalistische Paradigma (das nicht siegte, sondern übrigblieb) ist so wie es gegenwärtig existiert nicht der Weisheit letzter Schluss und hoffentlich bereits unbemerkt im Wandel begriffen.**
Unfassbar, während des Schreibens ist die Foren-Session abgelaufen… eindeutiges Zeichen sich kürzer zu fassen. :oops:
- Atomkraftwerke werden mit zunehmendem Alter immer sicherer, vor allem wenn man die Kosten für Nachrüstungen - auch bezüglich Terrorsicherheit - auf einen irrwitzigen Wert deckelt. Immer weniger sicher wird unser gesamtes Land durch steigende Terrorgefahr, wofür wir ja eine Vorratsdatenspeicherung brauchen. Die Terroristen schicken nämlich immer Emails in Deutschland rum, wenn sie mit einem Flugzeug auf die nachgerüsteten Atomkraftwerke stürzen wollen. Es gibt auch keine unvorhersehbaren Unfälle bei moderner Technologie und menschliches Versagen ist so gut wie ausgerottet. Wenn ein AKW doch mal einen Störfall hat, kommen bestimmt die Russen gegen Geld helfen und wir haben noch genug freies Land für die ganzen umgesiedelten Leute mit Langzeitschäden.
** Ich kenne den groben Inhalt bisher nur aus einem Seminar, werde es aber wohl noch lesen: Boltanski, Luc; Chiapello, Eve: Der neue Geist des Kapitalismus. Konstanz: Universitätsverlag Konstanz. 2003 (Sonderausgabe von 2006)