Oder korrekter: die Lust am Versagen anderer. Dieser Gedanke kam mir heute wieder, als ich mir das Kochshow-Ranking ansah, insbesondere lag dies an Rach. Eigentlich ist es ja kein Geheimnis, aber ich wollte es hier mal (wieder?) thematisiere; Fernsehen bedient in viele Faellen, vor allem auf den Privaten und natuerlich vor allem durch diese ganzen Billigproduktionen den Voyeurismus, sprich Formate haben nur die Absicht, Menschen in ihnen peinlichen Situationen zu zeigen und diese moeglichst umfassend auszuschlachten.
Die Anfaenge
Meiner Meinung nach began diese ganze Welle mit den mittlerweile fast ueberall verbannten Talkshows. Anfaenglich noch stellenweise informativ mit vereinzelt wirklich interessanten Menschen entwickelte sich ein ganz neuer Typus, welcher meist Nachmittage privater Fernsehsender fuellte. Immer abstruse, immer assozialer und realitaetsferner die Gaeste oder auch SchauspielerInnen, welche in schlechtester Dokunovella-Manier peinliche Scripts vorgesetzt bekamen, begann hier das “Krawallfernsehen”. Diese Sendungen wollten einfach nur moeglichst peinliche MEnschen zeigen, was auch an der Auswahl der Themen immer offensichtlicher wurde. Nymphomanie, Schulabbruch, Fettleibigkeit, Arbeitslosigkeit, Schwanger mit 12, alles Bereiche, die viel Konflik- und "Assi"potential bieten und es wurden nur die schlimmsten eingeladen [oder schlecht geschauspielert]. Dass das Thema der Sendung niemanden interessierte, war den MacherInnen durchaus bewusst, deswegen konnte mensch diese beliebig wiederholen, der Sinn war ja ein ganz anderer: bemitleidenswerte, “assoziale”, “faule” oder sonst irgendwie “komische” Menschen zu zeigen, damit diese vor der Kamera fertig gemacht werden konnten. Diesen Part teilten sich ModeratorInnen und geladene Gaeste. Das Problem war, das Format kam an, ergo wurden vermehrt T-Shows gesendet und das Niveau sank und sank. Der/die ZuschauerIn vor den Geraeten schaute zu, um sich ebenfalls ueber diese Menschen zu amuesieren, aufzuregen oder einfach um sich selbst besser zu fuehlen. Es kam wie es kommen musste, wie jedes Format haben auch diese Shows einen Zenit. Nachdem mehrere Sender ihr gesamtes Nachmittagsprogramm damit gefuellt hatten, entstand eine Ueberpraesenz und der Hype flaute ab, die Gelueste aber blieben.
Denn Durchbruch schafften diese endgueltig mit Deutschland sucht den Superstar, eine Casting Show für den Aufbau der naechsten 1-Hit-Wonder. Nach kurzer Zeit wurde klar, Musik und Talent spielen hier eine untergeordnete Rolle, worauf es ankommt sind komische KandidatInnen und ein Dieter Bohlen, welcher diesen Menschen auch noch das letzte bischen Wuerde nimmt. Auch hier gibt es mittlerweile Vorfaelle, in denen beruechtigten VersagerInnen Geld geboten wurde, damit diese auch in der x-ten Staffel erscheinen. Natuerlich zog auch diese Show einen Hype nach sich, der zu unverhaeltnismaeßig vielen Castingshows fuehrte, zu nennen waeren hier Popstar, das Supertalent, Star Search, aber auch Germany’s Next Topmodel, welches eher durch Zickenkrieg punktete, wobei auch hier viel dafuer getan wurde, um diverse Teilnehmerinnen in ein bestimmtes Licht zu ruecken. So wurde geschnitten bzw. nur ausgewaehlte Momente gezeigt, damit eine “Heulsuse”, eine “Zicke” und aehnliches erschaffen werden konnte. Castingshows, welche sich nicht dieser Hau Drauf Masche bedienten, floppten, unter anderen “Ich Tarzan, du Jane” auf Sat 1 oder auch “Bully sucht die starken Maenner” von Pro7. Obwohl sich diese Shows nur in einem einzigen Punkt von DSDS, Popstars, Germany’s Next Topmodel unterschieden, naemlich dass es sich tatsaechlich nur um ein Casting handelte, ganz ohne Homestories, ohne Zickenkrieg und ohne Spott und Haeme, fanden diese keinen Anklang beim Publikum. Dies zeigt doch wieder den wahren Charakter bzw. den waren Inhalt jener Formate: Voyeurismus, “komische” Gestalten und eben Versagen (auf verschiedenen Ebenen), verbunden mit Spott.
Heute/der Teufelskreis
Heute hat diese Masche fast jeden Aspekt des Fernsehens erreicht, es gibt kaum einen Bereich, in dem keine Sendung auf dieses Niveau herabsinkt. Spontan fallen mir natuerlich die noch gegenwaertigen Klassiker ein: DSDS, Popstars, GNTM, Das Supertalent, aber es haben sich auch viele neue Formate hinzugesellt. Dabei rede ich nicht von offensichtlichen Faellen wie das auch schon aeltere Big Brother oder Frauentausch. “Die Supernanny”, “Raus aus den Schulden” oder auch “Hell’s Kitchen” (wahlweise auch Rach der Restauranttester) funktionieren nach aehnlichem Prinzip. EinE ProfessionelleR kommt zu einem/einer VersagerIn und bringt alles wieder in Ordnung, solange die Kamera laeuft, natuerlich nicht ohne eine Standpauke, die je nach Anspruch des Formates unterschiedlich ausfaellt. Eine Supernanny untergraebt die gesamte Autoritaet der Eltern und das nicht nur vor aller Welrt sondern auch vor dem Kind, ein Gordon Ramsay erleidet seine Wutausbrueche und ruiniert den Ruf der Lokalitaeten, denen er doch helfen wollte, viele Menschen wuerden danach naemlich dort nicht mehr essen, egal ob sich etwas geaendert haben soll. Aber auch ein Andreas Wendt (“Starfriseur von Pro7”) oder diverse Lifecoachs, Anti-Aggressionstrainer oder PsychologInnen von Pro7 arbeiten auf genau dieser Basis, ebenso wie “Die strengsten Eltern der Welt” oder “Die Superlehrer”. Geholfen wird hier selten, meist sind die “Verbesserungen” auf die Drehzeit begrenzt.
Leider haben die Medien einen hohen Einfluss, auch bei der Kindererziehung. Hier werden Zustaende als normal dargestellt, welche weder, abgesehen von Einzelfaellen, Realitaet, noch erstrebenswert sind. Kinder und Jugendliche nehmen sich aber so etwas zum Vorbild, eben das, was sie taeglich sehen und so ist der Alkoholkonsum mit 12, aber auch Voegeln mit 13 nicht nur “in” sondern teilweise ein Muss, um nicht den Anschluss zu seinen Peergroups zu verlieren, nicht als AußenseiterIn zu gelten; nur weil der Schrott bei U20 [mittlerweile abgesetzt] lief. Ich wage auch die Prognose abzugeben, dass diese Menschen spaeter dann wieder solche Formate schauen werden, was eben zu den oben bereits erwaehnten Teufelskreis fuehrt.
Die Zukunft
Ich schaue in meine Glaskugel und sehe…natuerlich alles nur Spekulation. Wie jedes Format werden auch die Castingshows, Dokus, Pseudodokus und Dokusoaps ihren Reiz verlieren, der Voyeurismus aber nicht. Neue Formate werden geschaffen, neue Formate werden konsumiert, die Menschen werden duemmer und egoistischer. Eine mediale Welt, welche Ausgrenzung, Spott etc. propagiert, schafft eben auch solch eine Gesellschaft. Noch bin ich froh, dass Sendungen wie “Nichts als die Wahrheit” gnadenlos floppen, aber wer weiß, wie lange das noch so ist. Ich kann nur hoffen, dass irgendwann ein Sender mal eine “Niveauoffensive” startet, die auch mal juengere ZueschaerInnen anspricht, eben Formate, welche Werte vermitteln.
Nunja, dies war nur ein kleiner Anriss dieses Themas und alle oben genannten Punkten basieren auf meiner persoenlichen Meinung bzw. purer Spekulation, sollten also weder als allgemeingueltig gesehen werden noch waren sie so gemeint.