Diskussion über den Blog-Artikel: Die Frau ohne Hintergrund
Ich war heute ein wenig erstaunt, als ich auf PHOENIX live die Vorstellung der Kandidatin der Linken für das Bundespräsidentenamt, Luc Jochimsen, sah. Nachdem vor einem Jahr der ehemalige “Tatort”-Kommissar Peter Sodann von der Partei ins Rennen geschickt worden war, hat man nun erneut eine Persönlichkeit gefunden, die vor allem ältere Zuschauer vom Fernsehen her kennen. Jochimsen war für die ARD u.a. Korrespondentin in London und mehrere Jahre Chefredakteurin des Hessischen Rundfunks. Aber reicht das aus, um als Staatsoberhaupt zu kandidieren?
Gregor Gysi begründete Jochimsens Nominierung u.a. mit folgenden Worten: “Sie war jahrelang Chefredakteurin des Hessischen Rundfunks. Und da hat sie eine Sache gelernt: dass, wenn man Chefredakteurin eines Fernsehsenders ist, der eigene Geschmack zurückgestellt werden muss. Sie musste versuchen, Sendungen für sämtliche Fernsehzuschauerinnen und Fernsehzuschauer zu machen. Und das heißt, sie ist geeignet, an alle Bürgerinnen und Bürger zu denken. Während andere nur eine bestimmte Klientelpolitik kennen, weiß sie was es heißt, einen Sender so aufzubauen, dass man möglichst alle Bürgerinnen und Bürger erreicht - und genauso würde sie auch das Amt der Bundespräsidentin ausüben.” - Dies lässt sich aber auch anders interpretieren: Frau Jochimsen ist eine Frau, die eine Politik wie eine Fernsehshow betrachtet. Was nützt es denn, eine Präsidentin zu haben, die den “eigenen Geschmack” (also die eigene politische Meinung?) zurückstellt? Gregor Gysi hatte sichtlich Mühe, gute Argumente für Frau Jochimsen zu finden. Wie auch? Ist eine Karriere bei einem öffentlich-rechtlichen Sender eine große Lebensleistung? Zumal im Vergleich zu dem, was Joachim Gauck als Bürgerrechtler in der DDR geleistet hat?
Die 74-jährige Jochimsen selbst ergänzte schließlich noch, dass der Zweite Weltkrieg sie als Kind geprägt habe, später habe sie dann den Kalten Krieg unter Adenauer erlebt - sprich: eine Erfahrung, die JEDER Mensch ihrer Generation in Westdeutschland gemacht hat. Bei Bewerbungen ist eines schon mal von Nachteil: wenn man Selbstverständlichkeiten als besonders erwähnenswert hervorhebt. Hätte noch gefehlt, dass sie betont hätte, stets pünktlich zur Arbeit gekommen zu sein.
Irgendwie war es schon unfreiwillig komisch, wie versucht wurde, Jochimsen als besonders geeignet für das höchste Amt in unserem Staate zu verkaufen - obwohl hier doch ziemlich offensichtlich war, dass die Linke schlichtweg keine bessere als sie gefunden hat. Wie hätte wohl die Journalistin Luc Jochimsen selbst in ihrer aktiven Zeit beim Fernsehen eine solche Politposse kommentiert?
Übrigens sendet das Erste am Mittwoch, den 9. Juni, um 21:45 Uhr eine Sondersendung “Farbe bekennen” mit einem Interview mit Christian Wulff und am Freitag, den 11. Juni, um 21:45 Uhr die gleiche Sendung entsprechend mit Joachim Gauck. Eine weitere Interview-Sendung mit Luc Jochimsen ist nicht vorgesehen. Hier stellt sich dann wiederum an Jochimsens ehemaligen Arbeitgeber die Frage, warum hier keine Chancengleichheit für alle Kandidaten besteht. Eine Anfrage an die ARD-Pressestelle ist bereits verschickt.