Die Brüder Grimm drehen sich im Grab

Hallo,

die ARD hat die Märchenklassiker neu verfilmt.
http://www.maerchenfilme.com/Deutsche-M … ngen.shtml
Ich mochte schon die alten Fassungen und sah nicht wirklich Bedarf nach neuen Versionen. Ob’s notwendig war sei aber mal dahingestellt. Mir geht es in erster Linie um die Umsetzung.

Meine Meinung (kurz und bündig:)
Ich hab bisher 3 gesehen und muss sagen: Den Rest muss ich mir nicht mehr antun: Sie sind scheiße geworden. Scheinbar brauchten die ganzen Laienschauspieler der dritten Programme etwas Zuschuss für Weihnachten - die Schauspielleistung ist knapp über dem Niveau früherer Schulaufführungen. Noch mehr stört mich wie die Märchenvorlagen umgesetzt wurden. Rumpelstilzchen (der in jederlei Hinsicht ein Zwerg/Gnom/Männchen ist) beispielsweise wird von einem Mann mitte 20 mit toll angeklebtem Bart gespielt. Alles scheint 5 Minuten vorher geplant und hergerichtet worden zu sein, die Dialoge inklusive. Mein persönliches Highlight: der Prinz bei Rumpelstilzchen jagt zu Beginn des Filmes ein “Reh” - welches in Wirklichkeit ein Stück Damwild oder Rotwild ist. Die Müllerstochter spricht zu ihm, er solle lieber etwas “wehrhaftes” erlegen - einen Wolf oder Fuchs. Vielleicht für die Stadtkidies hier nicht nachvollziehbar, zeigt es mir doch aber auch dass dort Deppen am Werk waren, die von tuten und Blasen keine Ahnung hatten.

Dann doch lieber die alten Verfilmungen oder das Buch. Das Geld für die Neuverfilmung hätte man sich sparen können.

Habs heute nicht gesehen, aber gestern der gestiefelte Kater war super. Zu den heutigen Märchen kann ich nichts sagen, aber Leute wie Suzanne von Borsody, Jürgen Tarrach und Jan Fedder kann man wohl kaum als “Laienschauspieler der dritten Programme” bezeichnen.

Man sollte Märchen halt mit den Sinnen und der unverdorbenheit eines Kindes geniessen.

Sehe ich nicht so. Sind ganz schön geworden.
An die DEFA-Märchen oder den tschechischen Verfilmungen kommen diese nicht ran. Aber so schlimm sind sie nicht, dass man gleich von “Scheiße” reden muss.
Ob man diese neuen Verfilmungen braucht oder nicht, ist eine andere Frage.

Die Pro7-Verfilmungen fand ich hingegen ziemlich beschissen.

Die Märchen müssen an die neuen Religionen angepasst werden. Also politisch korrekt und ge - gendermainstreamt. Und das ist das Resultat. Der Durchschnittsmichel wird aber die feinen Unterschiede nicht bemerken, weil er bei den Originalversionen schon erhebliche Probleme haben dürfte, der Handlung zu folgen.

Was ich gesehen habe, sind ratlose, zu Waschlappen verkommene Männer in Statistenrollen. Könige intelligent wie zehn Meter Feldweg. Femifaschismus pur.

Was ich gesehen habe, sind ratlose, zu Waschlappen verkommene Männer in Statistenrollen. Könige intelligent wie zehn Meter Feldweg. Femifaschismus pur.

Märchen eben, Dinge die Mütter (im Allgemeinen Frauen) ihren Kindern erzählen…

Ich guck mir sowas erst gar nicht an. Ich denke mir „MÄRCHEN? ALS FILM?“
Ich bleibe, wenn ich denn irgendwann mal Märchen sehe/lese, bei eben Letzterem.
Das ist mir durchaus angenehmer, weil ich dort sozusagen mir die Schauspieler im Kopf denken kann, wie es mir passt.

I lol’d.

Die Märchen müssen an die neuen Religionen angepasst werden. Also politisch korrekt und ge - gendermainstreamt. Und das ist das Resultat.

Das ist ganz im Sinne der gebrüder Grimm! Wenn irgendjemand weichgespült hat, dann waren es diese Brüder! Die meisten Märchen gibt es in vielen Varianten quer durch Europa. Ich hab ein englisches Märchenbuch, und mir darin die Geschichte von „Mister Fox“ gelesen. Ich habe natürlich schnell gemerkt dass es derselbe Plott wie bei Grimms „Blaubart“ ist. Später hab ich mir dann die Grimmsche Version durchgelesen, und war geschockt. Jetzt rein aus dem Kopf, hab die Bücher grade nicht da und ist bestimmt 10 Jahre her, aber das war so nach dem Motto „englisch: …und als er das sagte standen alle Männer um ihn herum auf und schlugen ihn in Stücke“ und dann Grimm: „… und als er ausgeredet hatte sprangen die Männer um ihn herum herbei, nahmen ihn fest und übergaben ihn der Justiz“. Naja mag sein dass ich eine verharmloste Version für Kinder hatte, aber irgendwie fand ich das enttäuschend. Aber es ist jedenfalls bekannt dass Märchen in neuerer Zeit extrem verharmlost wurden, vor allem auch etwa im Punkt auf die Mutter: in den klassischen Märchen war oft der Vater der gute, die Mütter die böse. Dies wurde irgendwann verharmlost, in dem man die Figur der Stiefmutter einführte. Und so weiter.

Das ist ganz im Sinne der gebrüder Grimm! Wenn irgendjemand weichgespült hat, dann waren es diese Brüder!

Ganz so ist es nicht. Die Originaltexte der „Kinder- und Hausmärchen“ kennt heute kaum noch jemand, sie mussten schon sehr früh von den Grimms selbst auf Druck der Kirche und des „Zeitgeistes“ abgeändert werden. Ich besitze noch weitgehend unveränderte Texte.
Zu Blaubart:

und eben hatte er sie an den Haaren gefaßt, und wollte ihr das Messer in das Herz stoßen, da schlugen die drei Brüder an die Hausthüre, drangen herein und rissen sie ihm aus der Hand, dann zogen sie ihre Säbel und hieben ihn nieder. Da ward er in die Blutkammer aufgehängt zu den andern Weibern, die er getödtet, die Brüder aber nahmen ihre liebste Schwester mit nach Haus, und alle Reichthümer des Blaubarts gehörten ihr.«

Es gibt immer noch eine Kammer voller Blut und Leichen, ein Psycho, der Frauen umbringt…

Mal zu …

Das ist ganz im Sinne der gebrüder Grimm! Wenn irgendjemand weichgespült hat, dann waren es diese Brüder!
… und ein bißchen „Off-Topic“.

Die Gebrüder Grimm haben genau DAS gemacht, was die Kirche seit Jahrhunderten macht: Geschichten gesammelt, zusammengepappt in eine Erzählung, mit eigenen Verhaltensregeln garniert und gesagt. „So isset!“.

Märchen (Sagen, Mären, Kindergeschichten) waren seit jeher schon immer eine Methode, wie Eltern ihren Kindern bestimmte Dinge einfach und verständlich verklickert haben. In jedem Märchen steckt eine bestimmte Message, die natürlich der jeweiligen Epoche und dem allgemeinen Erziehungsverständnis angepasst ist.

Mädchen haben brav und sittsam zu bleiben, bis der Prinz kommt und sie zu seiner Frau macht, ergo im Haushalt der Eltern ihren Dienst zu verrichten, bis sie später heiraten … Kinder sollen nicht mit Fremden mit-, bzw. alleine durch den Wald gehen … Geschwister müssen auf einander aufpassen … usw.

Dieses Prinzip funktioniert auch heute noch … heute sind es „Doku-Soaps“, die so etwas (für Erwachsene) übernehmen … Filme transportieren eine bestimmte Message, die Erwachsenen ein bestimmtes Verhalten vorstellen, bzw. sie zu diesem anregen sollen (zwei gute Beispiele hierzu sind „Alien Nation“, eine Fernsehserie aus den USA (80er und 90er Jahre) die über eine fiktive Alienrasse die Rassen- und Zuwanderungsprobleme der USA thematisiert und Lösungsansätze dazu erarbeitet und „Star Trek“, wo die Dialektik des kalten Krieges über zwei Machtbereiche anfangs (TOS) als Handlungshilfe des Plots herangezogen und im späteren (TNG, DS9, Voyager) den aktuellen politischen Verhältnissen angepasst wird und danach sogar tatsächliche politische Probleme in der Serie thematisiert und gelöst werden).

Und genauso, wie man Kindergeschichten „entschärfen“ kann (was nutzt mir ein vor Angst schlotterndes Kind, das nachts von Albträumen geplagt nicht schläft) kann man sie auch weiter verschärfen, um das Ganze etwas mehr „zu verdeutlichen“. Die ursprünglichen Märchen waren in der Erzählweise schärfer (ähnlich dem Beispiel der britischen Variante), was aber damit zusammenhing, das früher Kindererziehung extem autoritär und nicht dialektisch war. Eltern sagen, Kind hat - egal was auch immer - zu befolgen. Und … die Eltern wissen schon, was gut für das Kind ist.

Fazit:
Märchen sind - sinnvoll eingesetzt - eine gute Erziehungshilfe, aber ich persönlich halte nichts von Märchen, die zwar die gewünschte Botschaft transportieren, aber das Kind in Angst und Schrecken versetzen.

Man kann es aber auch ganz anders erzählen … :mrgreen:

Und genauso, wie man Kindergeschichten „entschärfen“ kann (was nutzt mir ein vor Angst schlotterndes Kind, das nachts von Albträumen geplagt nicht schläft) kann man sie auch weiter verschärfen, um das Ganze etwas mehr „zu verdeutlichen“. Die ursprünglichen Märchen waren in der Erzählweise schärfer (ähnlich dem Beispiel der britischen Variante), was aber damit zusammenhing, das früher Kindererziehung extem autoritär und nicht dialektisch war.

Wie gut, dass die Kindergeschichten heute so entschärft sind und die Kindererziehung nicht mehr autoritär, aber dialektisch ist. Das erklärt das friedliebende Verhalten der Kinder wie Amok laufen, Rentner verprügeln, Leute totschlagen etc…

@ ostsee

Du willst mich jetzt partout mißinterpretieren, hmm?

Ist für Dich eigentlich jeder, der Kinder nicht mit dem Rohrstock oder extrem autoritär erzieht ein softgespülter Hippie, der Kinder mit falsch verstandener Behütung einpuppt und jeglicher Aggressionsbewältigung durch Negierung derselben entzieht?

Die Ausprägungen, die Du beschreibst, liegen nicht in der Erziehungsmethode, sondern darin begründet, das viele Eltern mit der Erziehung ihrer Kinder zum einen entweder überfordert oder zum anderen daran absolut nicht interessiert sind.

Kinder, die mit ihren Fragen sich selbst überlassen sind, holen sich die Antworten woanders … und das dann meistens bei denen, die selbst keinen Plan haben. :mrgreen:

Sie holen dich die Antworten auch immer öfter bei Denen die einen Plan haben, nur dieser Plan gefällt nicht wirklich…

Die Ausprägungen, die Du beschreibst, liegen nicht in der Erziehungsmethode, sondern darin begründet, das viele Eltern mit der Erziehung ihrer Kinder zum einen entweder überfordert oder zum anderen daran absolut nicht interessiert sind.

Ich glaube da nicht an Einzelfälle, sondern das hat schon Methode. Ich bin zum Beispiel mit dem heute umstrittenen „Struwwelpeter“ erzogen worden und fühle mich jetzt nicht traumatisiert. Die „Knaben“ heute dürfen ihre Natur nicht mehr ausleben und werden zu Mädchen erzogen. Wir konnten früher unsere Grenzen austesten und erfahren, dass es auch Stärkere gibt und das es weh tut, geschlagen zu werden. Folglich hatte man selbst beim Raufen eine Ethik, nämlich die, das es reicht, die Überlegenheit zu erkennen. Es ist nicht nötig, den Unterlegenen zusätzlich zu demütigen oder ihn totzuprügeln. Diese Grenzen lernen Jungs und zunehmend Mädels heute nicht mehr, weil sie ja alle „gewaltfrei“ erzogen werden müssen. Und früher oder später haben die Jungs es satt, sich wie Mädchen benehmen zu müssen und stehen ohne Regeln und Erfahrungen da.

Woher das kommt? Guckst du: http://www.youtube.com/watch?v=N2f2xyhoNok

Ich glaube da nicht an Einzelfälle, sondern das hat schon Methode. Ich bin zum Beispiel mit dem heute umstrittenen „Struwwelpeter“ erzogen worden und fühle mich jetzt nicht traumatisiert.

Die wenigsten halten sich für traumatisiert, egal ob sies sind oder nicht.

Anders herum halten sich viele für Traumatisiert dies garnicht sind, nur um im Therapeuten einen nichtwegrennbaren Volllaberzielpunkt zu haben.

Das eigenen Fühlen ist nur selten eine massgebliche Diskussionsgrösse.

@ Ostsee

Du hast vergessen, Deinen Beitrag als “Ironie” zu kennzeichnen, denn … wirklich ernst kannst Du das nicht meinen. :smt021

Nochmal - und ich schreib’ das jetzt gaaaanz langsam - ich bin kein Freund von gewaltfreier Erziehung im Sinne einer Verneinung derselben, sprich: alles, was irgendwie mit Gewalt oder kriegerischen Auseinandersetzungen zu tun hat, von den Kids fernzuhalten.

Und ja - damit hast Du völlig Recht - wenn wir damals mal 'n bißchen zu sehr den Colonel markiert und eine auf die Fresse gekriegt haben, dann war das eine Erfahrung, die nur bei den Blödesten zu einer Wiederholung führte. Aber heute erfahren Kinder in den Medien oder der Kultur immer häufiger, das Gewalt das erste Mittel zur Wahl ist, ein Junge nur in der Gang existieren kann und Mädels prinzipiell nur zur Bitch taugen.

Entsprechende Beispiele aus der Jugendkultur “über’n Teich” die hier kritiklos adaptiert werden zeigen das deutlich.

Aber nochmal:

Das zeigt nur Wirkung, wenn die Kids damit alleine gelassen werden und man sich mit ihnen nicht darüber auseinandersetzt. Ich habe keine Probleme damit, wenn ein Jugendlicher seine Aggressionen an einem Videospiel abreagiert (habe ich selbst auch gemacht) aber danach checkt, das es eben ein Videospiel, ergo eine virtuelle und nicht die tatsächliche Realität ist.

Jetzt verstanden?

Jetzt verstanden?

Ich habe schon lange verstanden. Scheiss blaue Pille…

Ich frag mich ohnehin, ob man Märchen unbedingt so billig verfilmen muss. Sie entwickeln ihren ureigenen Charme und ihre Eindringlichkeit doch eigentlich nur in der Fantasie des Kindes, wenn sie vorgelesen werden und möglichst wenig mit vorgegebenen Bildern gespickt sind.
Hab neulich in der DVD-Abteilung eine DVD gesehn, auf der Kindern aus Märchenbüchern vorgelesen wird. Fand das ein ganz schönes Sinnbild für die heutigen Methoden der Erziehung und den Zustand der Familie in unserer westlichen Gesellschaft. Dass man sich schon keine Zeit mehr nimmt dafür, Kindern Märchen selbst vorzulesen und sie einfach vor die Glotze setzt und sie ihren Fragen und Vorstellungen und Fantasien selbst überlässt.
Meine Eltern haben mir Märchen noch selbst vorgelesen und erzählt und mir jede Frage auch beantwortet und mir erklärt, was ich nicht verstanden habe. Genau dann kann man Märchen auch in ihrem ursprünglichen Zustand belassen, wenn man sich im Anschluss auch mit den Kindern beschäftigt und mit dem, was die Kinder beschäftigt. Solange geklärt ist für sie, was an dem Märchen wichtig ist für sie, was “die Moral der Geschicht” für sie ist und was daran real ist und was nicht, dann bringen ihnen Märchen auch was, wenn sie nicht gegendert sind und eine ethnische Minderheit berücksichtigen.

Was muss ich hier eigentlich alles lesen?
Es geht um die Märchenverfilmungen der ARD. Punkt.
Aber jetzt wird hier über Märchen per se diskutiert! Das kann man ja auch im Literatur-Unterforum machen.

Und btw. Geschichten sind einfach dazu prädestiniert verfilmt zu werden. Was erwartet man denn sonst? Ist bei Märchen auch nicht anders.

Nur dass Märchen einen sehr viel wichtigeren Stellenwert in unserer Gesellschaft einnehmen und man deshalb gründlich überlegen sollte, bevor man etwas macht und was man macht.