Die beste Welt des Fernsehens

Diskussion über den Blog-Artikel: Die beste Welt des Fernsehens

Manche Sätze hört man immer und immer wieder – vermutlich, damit wir sie dann wirklich irgendwann für wahrhaftig halten. Zu diesen Sätzen gehört: „Das deutsche Fernsehen ist das Beste der Welt.“ Gerade kürzlich hat diesen Satz der ehemalige Endemol-Chef Borris Brandt gebracht – im Zusammenhang mit den fernsehkritischen Torpedos von Marcel Reich-Ranicki und Elke Heidenreich. Und auch andere Fernsehmanager stellen diese Behauptung regelmäßig auf – merkwürdigerweise nur sie, denn angesichts der E-Mails, die ich so bekomme (auch die sind natürlich nicht repräsentativ, schon klar), drängelt sich mir eher der Eindruck auf, dass der gemeine Zuschauer dies ganz anders sieht.
Mich würde interessieren, woran die Damen und Herren aus den Chefetagen der Sender ihre These eigentlich festmachen. Was ist es, das das deutsche Fernsehen angeblich zum besten Fernsehen der Welt macht? Ist es so toll, weil wir so viele Sender haben? Oder weil wir alle freiwillig und freudig unsere Fernsehgebühren zahlen (und wir nicht in Kino- und Fernsehclips extra freundlich dazu aufgefordert werden müssen)? Oder ist es die grenzenlose Kreativität der Macher, die uns täglich das Herz erwärmt? Wohl kaum.
Kürzlich war ich in London (Reise-Filmbericht folgt demnächst) und habe dabei natürlich auch mal im Hotelzimmer durch das britische Fernsehen gezappt. Binnen kurzer Zeit habe ich die britischen Versionen von „Wer wird Millionär?“, „Ab durch die Wand“ und „Der Schwächste fliegt“ gesehen. Als ich im Mai in den USA war, begegneten mir nach kurzem Durchzappen ebenfalls US-Varianten von „Let’s Dance“, „Deutschland sucht den Superstar“ und „Deal or no Deal“. Und in Wien, wo ich im Juni war, sah ich die österreichische Version von „Bauer sucht Frau“. Die Kulisse, die Musik der Shows – alles genauso wie bei uns. Das deutsche Fernsehen besteht inzwischen zu großen Teilen aus Sendungen, die weltweit vermarktet werden. Oder anders ausgedrückt: Es ist eigentlich fast egal, in welchem Land man die Mattscheibe einschaltet. Immer wieder begegnen einem dieselben doofen Formate. Wenn es denn wenigstens so wäre, dass der Ursprung dieser TV-Welterfolge in Deutschland läge – doch weit gefehlt. Lediglich „Schlag den Raab“ hat es in den letzten Jahren geschafft, sich als deutsche Idee in andere Länder zu verkaufen. Warum nun ist das deutsche Fernsehen das Beste der Welt? Und vor allem: Für wen?

Kann man als Fernsehproduzent damit hausieren gehen, dass man primär Dreck produziert? Nein. Versucht man den Zuschauer einzulullen und am Fernsehapperat zu halten? Wohl eher.

Man muss eine Lüge nur oft genug wiederholen, dann wird sie Wahrheit. :wink:

Gute Frage,… sehr schwere Antwort.

Wie soll ein Mensch, der 80% des deutschen Fernsehens für Ausschuß hält, Argumente dafür finden, das die Herren Programmdirektoren das anders sehen?

Lassen wir doch einige Herren selber zu Wort kommen:

Friedrich Küppersbusch (Chef der Fernsehproduktionsfirma probono) meint hier:

Wie sehen Sie die Qualität des deutschen Fernsehens?

Das deutsche Fernsehen ist, neben dem britischen und dem amerikanischen, das beste in der Welt. Gerade weil die öffentlich-rechtlichen Sender im Nachrichtenbereich die Latte so hoch gelegt haben, machen die Privatsender praktisch keine politischen Formate. Die englischen Kollegen kommen nach Köln und spielen hier „Schlag den Raab“, deutsche Sendungen und Formate werden in alle Welt verkauft. […]

Die Frage ist doch nicht, ob wir neben Arte und 3Sat noch einen Sender für die Hochbegabtenförderung brauchen, um neben der Theater-, Bücher- und Film- auch noch die Musiklobby zu bedienen. Die Frage ist, wie man dem weniger gebildeten Zuschauer eine Alternative zu den Schamlippenpiercing-Runden auf den Privatsendern bietet.

In der Hessische/Niedersächsische Allgemeine meint Ulrich Wickert zu dem Thema:

Ist das deutsche Fernsehen wirklich so schlecht, wie es jetzt von vielen geredet wird?

Nein, das deutsche TV ist das beste der Welt. Ich kann das sagen. Ich habe in meinem Leben viel Fernsehen in anderen Ländern geschaut. In den USA ist es eine Katastrophe. In Frankreich ist das Fernsehen in jedem Fall schlechter als hier zu Lande. Das Schöne in Deutschland ist, dass es sehr viele Sparten gibt. Nehmen Sie die digitalen Angebote von ARD und ZDF wie etwa den ZDF-Theaterkanal. Selbst bei RTL oder Vox findet man manchmal sehr gute Sachen. Das sind Angebote, die man in anderen Ländern vergeblich sucht.

Nun gut.

Nehmen wir diese beiden mal als symptomatisch für die Aussage. Dann kann man davon ausgehen, das die Öffentlich-Rechtlichen den Qualitätsanspruch des Deutschen Fernsehens für sich verbuchen und daraufhin eben diese Aussage begründen, etwa nach dem Tenor: „Das deutsche Fernsehen ist das beste, weil wir die Qualität hochhalten und die Privaten die Vielfalt und den Konterpart!“ Da man die Attacke von Marcel Reich-Ranicki ausschliesslich in Richtung der Privaten gezielt sieht, sehen die ÖR auch nicht zwingend eigenen Handlungsbedarf.

Das ist - in meinen Augen - bornierte Sch…

Genauso sehen es die Programmvorstände von RTL, Pro7 und Sat1, die in der Süddeutschen einvernehmlich erklären:

Der Programmvorstand von Pro Sieben Sat 1 sieht keinen Grund, der angestoßenen Debatte zu folgen. „Ich sehe keinen Handlungsbedarf. Wir bieten genügend Qualität und genügend Populäres“, glaubt er.

[…]

Auch von RTL kommt kein Beifall. „Wer so pauschal kritisiert, kennt sich entweder kaum aus oder ist an einer echten Diskussion nicht interessiert“,

Also … getreu dem Motto, „Wem die Jacke passt, der zieht sie sich an!“ bleibt das von MRR geschneiderte Kleidungsstück an der Garderobe hängen und findet keinen Träger. :smiley:

Fazit:
Das deutsche Fernsehen ist deshalb das beste der Welt,… weil es eben nicht schlecht ist. Das ist die Kernaussage und damit der blödsinnigste Grund, den man sich vorstellen kann. Die ÖR definieren ihre Qualität, in Sendungen, die nur einem kleinen Teil des Publikums zugänglich sind, weil ihnen die Quoten eh egal sind,… die Privaten gehen nach dem Markt (weil sie’s halt müssen) und die breite Masse der Quotenlieferanten steht nunmal auf die leichte und unkomplizierte Unterhaltung (um’s mal vorsichtig zu formulieren).

Das deutsche Fernsehen ist sicherlich vielseitig und professionell.

These No.1 -> Kein anderes Land kennt so viele frei empfangbare Kanäle wie wir (ca. 35) …

… jedoch befällt mich regelmäßig unsägliche Langeweile und ich greife lieber auf mein DVD-Archiv oder meine Festplatte zurück, um mich gepflegt zu unterhalten.

These No.2 -> Das deutsche Fernsehen verfügt über größeres Können als andere Nationen.´

… diese Skills bestehen im perfekten Kopieren ausländischer Formate. Dabei gelingt es den deutschen Sendern oftmals, das Original zu verbessern (z.B. ist “Wer wird Millionär” um Längen unterhaltsamer als die britische Version; genauer: Günther Jauch ist vielseitiger und eloquenter als Chris Tarrant)

Empirisches Fazit meinerseits:

Das britische Fernsehen ist trotz lediglich fünf frei empfangbarer Kanäle unterhaltsamer als 35 deutsche Sender. Dies mag meinem persönlichem Geschmack geschuldet sein, aber ich habe selten einen langweiligen Abend vor der königlichen Glotze verbracht, während mich die teutonische TV-Landschaft regelmäßig (angesichts öden Killefitzes) den digitalen Alternativen in die Arme treibt.

Trotz unsäglichen Schrotts (Dating-Shows, Archäologie-Dokusoaps, “Peter Zwegat-meets-Auktionshaus”), habe ich niemals einen innovativeren, wagemutigeren Sender als BBC2 erlebt:

Dort erlebt man täglich ein ansprechendes Panoptikum von Filmklassikern zur Mittagszeit, über die inkommensurable Sadismus-Quizshow “The Weakest Link” bis zu waghalsigen Comedy-Formaten zur besten Sendezeit (“Never Mind the Buzzcocks”; “Time Trumpet”). Und wer dann noch nicht befriedigt ist, bekommt desnachts ungekürzte, cineastische Leckerbissen serviert, die meines Wissens noch nie im deutschen TV zu sehen waren: Romeros Zombie-Trilogie, Medium Cool, Altmans Nashville.

Hinzu kommen bahnbrechende Dokumentationen auf Channel4 und die seltenen Perlen der massenkompatiblen BBC1, wie z.B. “Have I Got News For You” und “The Andrew Marr Show”.

Natürlich versendet man dort ebenso viel Müll wie hierzulande, aber der Zuschauer, der als zahlender Kunde begriffen wird, wird durch tägliches Qualitätsprogramm entschädigt. In Deutschland kommt man sich hingegen all zu oft als GEZ-zahlender Bittsteller vor…

Ergo: Deutsches Fernsehen ist Wasser und Brot:

-> Wir fressen’s, weil wir nix anderes bekommen.

Britisches Fernsehen ist Muttis Küche:

-> Es schmeckt nicht immer, aber es setzt unsere Geschmacksstandards und im Idealfall gibt’s nix Leckereres.

Romeros Zombie-Trilogie

Lief schon auf arte. :wink:

Hm, mach mich von mir aus fertig, aber ich glaube, das deutsche Fernsehen ist tatsächlich im Vergleich zu anderen Ländern ziemlich gut. Wie gesagt, im Vergleich, ich behaupte nicht, dass es absolut gesehen gut ist.
Nehmt als Beispiel mal die Wahlberichterstattung von CNN: Aufgeblasen mit nichtsagenden Animationen, unwichtigen Berühmtheiten, überflüssigen Statistiken und sinnlosen Effekten (http://www.xenesis.net/blog/2008/11/05/ … t-im-netz/).
Außerdem gibt es bei uns wenigstens etwas Kontrolle, in den USA gibt es zum Beispiel fast gar keine Kontrolle. Oder sagen wir mal eine sehr seltsame schizophrene Kontrolle. Man braucht sich ja nur mal amerikanische Talkshows anzuschauen, da sind ja unsere im Vergleich seriös und informativ :mrgreen: .

Allerdings sollte man aufgrund des unterirdische Niveau der Anderen nicht darauf schließen, das wir etwa gutes Fernsehen hätten. Vielleicht schlechtes Fernsehen, das im Vergleich gut aussieht.

@Xenesis: das ist mir auch auf anhieb eingefallen. Ich kenne das Fernsehen anderer Länder zuwenig, aber das Deutsche ist mal definitiv besser als z.B. das polnische und das italienische, und ansonsten will ich mir kein Urteil anmaßen. Ich fürchte aber das wir mittlerweile fast weltweit die selbe Schei***e haben, und da könnten die Öffentlich Rechtlichen, so teuer und kritisierenswert sie einerseits sind, noch einen entscheidenten Schritt nach oben sein, verglichen mit andern Ländern die etwas derartiges nicht oder in anderer art haben.