[U][B]“Deutschland von Sinnen” oder. Über die Grenzen der Meinungsfreiheit und die Notwendigkeit von Provokationen
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Nachdem hier ja schon der ein oder andere, unter anderem auch ich, jetzt von diesem Buch und dem billigen Zensurversuch des ZDF gehört hat, möchte ich darüber etwas detaillierter über meine Meinung darüber schreiben, vor allem warum dieses Buch wichtig ist.
[B]“Sowas wird man doch noch sagen dürfen?”[/B]
Wir sind uns sicher alle einig, das Thilo Sarrazin irgendwo nicht einmal ein Nazi, sondern halt ein gelangweilter Bankenfritze war, der mit Populismus seine Bücher recht gut verkaufen konnte. Es war auch sehr einfach für die Gesellschaft, egal ob Links, Grün, konserativ oder auch für die SPD selbst, das Buch in die rechte Ecke zu drängen, um bloß nicht mehr darüber reden zu können.
Diese ganze “Darüber darf man doch nicht sprechen”, “Man kann SO JEMANDEN doch nicht einladen”, “So jemand darf doch in diesem Land nicht frei sprechen” macht mich fuchsteufelswild. Wir leben in einem freien Land, mit freier Meinungsäußerung. In diesem Land hat es keine Gruppe, Partei, Institution oder noch irgendwer darüber zu bestimmen, was man in diesem Land sagen darf und was nicht. Das ist ganz einfach. Und doch scheinen gefühlt 90% der Deutschen mittlerweile zu blöd zu sein, ihre eigene Verfassung richtig zu lesen, sodass wir immer wieder denselben Blödsinn reden. Oder wie Volker Pispers einmal treffend sagte: "Ich hasse Leute die sagen: ‘Sowas kann man doch nicht sagen’ - Wenn man es doch gerade genau so gesagt hat!"
Dieses ganze Gebahren fasse ich zusammen unter dem Schlagwort “politische Korrektheit”. Wir können uns jetzt gerne seitenlang Duden-Definitionen oder Wikipedia-Artikel um die Ohren schlagen, für mich ist es ein Begriff, der genau das beschreibt was falsch läuft.
[B]“Gutmenschentum” - Ist das jetzt schlecht, anderen zu helfen?[/B]
Wenn jeder das Recht hat frei zu sagen was er möchte, dann kann er das natürlich auch nutzen, um andere Gruppen zu unterstützen. Gegen “politische Korrektheit” zu sein, das heißt ja nicht, das man Homophob ist oder rückwärtsgewandt oder was einem noch so als Schlagkeule einfällt, wenn man keine Lust hat sich ernsthaft damit zu beschäftigen. Es geht im Grunde erstmal nur darum, das es nicht sein kann, das man Gruppen vermeintlich unterstützen will, ohne ihre eigentliche Lebenswirklichkeit zu verstehen. Entweder aus Selbstsüchtigkeit, damit man wie ein strahlender Held da steht (Genau das was ich persönlich als Gutmensch verstehen würde), oder aus falschverstandener Toleranz.
Es kann NICHT sein, das in allerbester South-Park-Manier man nicht mehr eine Meinung vertreten darf, nur weil sie Nationalsozialistische Gruppen oder Rassisten ebenfalls vertreten. Jeder, selbst der dümmste Antifant weiß, das die Nazis jede Meinung aufnehmen die ihnen passt und ihnen hilft. So sind die Nazis den Grünen näher als jeder anderen Partei was Tierschutz, Arterhaltung und Naturschutz angeht - Aber aus (hoffentlich) anderen Gründen! Sind Grüne jetzt Nazis? (… Nein, nur eine Pädo-Partei scnr)
Anstatt das man sich heute wirklich damit befasst was eine Meinung wirklich rechts oder braunes Gedankengut enthält, scheinen die meisten heute nur noch auf die NPD-Webseite zu gehen und zu schauen ob man die gesagte Meinung irgendwie Nazionalsozialisitisch auslegen kann. Dann kommt noch “ey du nazi” (manchmal wird nicht einmal die Recherche bemüht sondern einfach aus dem Bauch heraus entschieden) und danke, damit ist das Gespräch dann auch beendet.
Das führt dazu, das 1) Kontroverse Meinungen absolut nicht mehr die notwendige Reflexion hervorrufen sondern nur noch das dreschen von Allerweltsphrasen und Totschlagargumenten und 2) man heute teilweise gar nicht mehr weiß, das seine Meinung eigentlich richtig braun ist, weil niemand mehr wirklich mit jemanden diskutiert sondern einfach nur abwimmelt.
Es sollte in diesem Land eigentlich kein Problem sein, Homophobe/rassistische Meinungen offen zugänglich zu machen. Das Verbieten und Zensieren ist die eigentliche Kapitulation gegenüber seinen eigenen Bürgern: Man hält andere schlicht für zu dumm, zu naiv, nicht gebildet genug um zu differenzieren.
Alleine die ganze Debatte um “Mein Kampf” zeigt doch, wieviel Angst wir davor haben andere eine eigene Meinung bilden zu lassen und vor allem die doch damit implizierte vermessene Annahme, wir alleine könnten darüber bestimmen ob eine Meinung zu “kontrovers” ist, oder ob man sie “nicht zumuten kann”.
Genau das ist Zensur. Genau das. Und genau das passiert in Deutschland in größerem Ausmaße als wir uns das eingestehen wollen.
[B]Warum brauchen wir also dieses Buch?
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Ich habe das Buch noch nicht gelesen, und vielleicht ist es einfach nur provokativ. Aber genau das brauchen wir. Wir brauchen vor allem Autoren, die man eben nicht so einfach ohne Diskurs in eine Ecke schieben kann.
DAS ist ein Zeichen von Meinungsfreiheit. Es ist ein dummer Spruch, aber er stimmt nun einmal: “Eine Demokratie MUSS sowas aushalten können”.
Wenn wir uns nur verkriechen und Angst vor solchen Provokationen und vielleicht auch dieser Ideologie haben, dann zeigen wir durch dieses Verhalten (“Sowas darf man nicht sagen”) doch nur, das wir keine Antwort darauf kennen. Wir können sie nicht widerlegen, vielleicht verletzt es unsere Komfortzone.
Wir haben uns viel zu lange darin ausgeruht, möglichst niemanden auf die Füße zu treten und werden dabei - mit Verlaub- von allen Seiten bereitwillig in den Arsch gefickt.
Man sieht doch durch dieses ganze Gehabe gar nicht, welche Gruppen davon profitieren, das wir uns so verhalten und uns selbst so viele Denkschranken geben. Gruppen, die nicht so dumm sind wie wir und das ausnutzen, hier ihre Kultur wieder aufleben lassen zu können die in ihrem Heimatland LÄNGST abgeschafft wurde, ist in etwa so wie es hier bereitwillig zu erlauben, das im Osten einige ihre Nazionalsozialistische Ideale ausleben… Oh. Achja. Tun wir ja auch.
Auf der anderen Seite spielen wir damit automatisch den nazis zu. Die brauchen nicht mehr tun als zu sagen: "Guck mal, die verbieten dir deine Meinung. Komm zu uns, da kannst du dann offen sprechen. Und wir zeigen dir noch andere tolle Bücher. Von richtigen Deutschen."
Es ist heute nicht schwer, Jugendliche zu finden, die schlau genug sind zu merken das hier nicht alles so frei ist wie man tut. Nur treibt man sie mit diesen Gebahren in die falsche Richtung.
[B]“Satire darf alles!” - Oder nicht?
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Ich bin ein Freund des Extremen. Ich finde "Satire muss ein Pickel am Arschloch der Gesellschaft sein "(frei nach Somuncu). Wir BRAUCHEN das. Wir brauchen einfach diese Karthasis, wir brauchen Leute die ZU weit gehen, damit wir selbst wieder neu definieren können, wo unsere Grenzen sind. Das tun die meisten heute nicht, verschmälern ihre Gedankengrenzen immer weiter, wie es anderen beliebt.
Wir müssen denen eine Plattform geben, die absichtlich zu weit gehen. Aber auch denen, die nicht wissen das sie zu weit gehen. Um sie in einem Diskurs mit Argumenten zu überzeugen oder zumindest denen, die ihm zustimmten. Durch Zensur und “dududu, das sagt man nicht!” erreichen wir nur das Gegenteil.
Unsere Gesellschaft ist so furchtbar stromlinig und gleichgeschaltet geworden, das so etwas einfach gut tut. Egal ob wir zustimmen oder nicht, die Aussagen für bedenklich halten - oder nicht.
Nur so werden wir mit unseren eigenen Grenzen immer wieder konfrontiert.
Nur so bleiben wir aktiv.
Nur so bilden wir unsere Meinungen und Standpunkte immer wieder neu.
Nur so erkennen wir auch die Intention derer, die uns verbieten wollen frei zu sprechen. So hart es klingt, aber genau das passiert hier jeden Tag, egal welches Medium, egal welches Thema.
Nur so bilden wir wirklich eigene Meinungen, eigene Grenzen, die von denen anderer abweichen
Nur so erreichen wir wirklich ein Limit von gesellschaftlicher Akzeptanz, wenn jeder seine Grenzen anders steckt, ist das gesunde Mittelmaß ein guter Kompromiss.
Und zu guter Letzt erkennen wir nur so, ob wir einer Sache folgen weil wir sie für richtig halten, oder ob wir sie unterstützen weil andere sagen das wir es unterstützen sollen oder gar müssen.
[B]Die Grenzen der Meinungsfreiheit
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Ich bin mir bewusst, das es gesetzliche Grenzen gibt, die wir einhalten müssen. Es gibt Gesetze, die uns Grenzen vorgeben, die wir nicht überschreiten dürfen.
Ich plädiere damit ausdrücklich nicht dafür, volksverhetzende oder ausschließlich auf nationalsozialistischem Gedankengut basierende Meinungen offen zur Verfügung zu stellen.
Das sind Zensuren, denen wir uns beugen müssen und die ihren Sinn haben.
Doch wer entscheidet das? ist es nicht letztendlich die Sache von Gerichten, nicht von Einzelnen zu entscheiden ob diese oder jene Aussage nun volksverhetzend ist oder nicht? Und schauen wir nicht zu selten darauf, ob diese Aussage nicht in einem Kontext zu sehen ist? Was am häufigsten auf der Strecke bliebt, ist das erkennen von Satire und Provokation. Alles wird sofort für voll genommen, nicht als das Stilmittel erkannt, das es ist. Und das ist eine bedenkliche Entwicklung. Der Postillon ist da eigentlich ein Negativbeispiel dafür, wie wenig Menschen überhaupt noch erkennen, was ernst gemeint ist und was nicht.
Doch es ist nun einmal das Wesen von Satire und Provokation, das Grenzen überwunden werden, sodass wir wieder lernen müssen zu differenzieren zwischen dem [I]Gesagten[/I] und dem [U]Gemeinten[/U]. Das das nicht immer dasselbe ist, müssten wir eigentlich alle in der weiterbildenden Schule einmal gelernt haben (Stichwort: Kommunikationsdreieck).
[B]“Politische Korrektheit” - Ein Nazi-Begriff?
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Und ich möchte auch noch ein paar Worte zum Begriff “politische Korrektheit” sagen. Es ist wahr, das Nazis diesen Begriff aufgeschnappt haben. Doch verstehen sie weder die Definition, noch das Gemeinte hinter diesem Begriff. Nazis nutzen ihn als Abgrenzung zwischen ihnen, den “Rechtschaffenden”, die nur die Wahrheit sprechen wollen dürfen - und den “Gutmenschen”, den bösen linken, die jedem seine Meinung verbieten und nur einen “Meinungsmainstream” erlauben.
Und ich bin ziemlich pissig auf diese Drecksärsche, nicht nur weil sie dumm wie Scheiße sind und halt Nazis, sondern weil sie Begriffe klauen und ins Gegenteil verkehren und damit jeden diskredditieren, der sie schon vor ihnen benutzt hat
Wie oben schon gesagt, die Methodik die auch schon in South Park thematisiert wurde: Dort war der KKK eigentlich auf der Seite derer, die nicht wollten das die rassistische Stadtflagge geändert wird. Sie wussten aber um ihre Außenwirkung und haben dann bewusst gesagt, sie wollen die Stadtflagge geändert haben, sodass alle rechtsschaffenden Bürger ihre Meinung geändert haben, weil sie sonst auf einer Seite mit den KKK stehen würden.
Ich benutze diese Begriffe nicht als Totschlagargument. “Gutmensch”, “Meinungsmainstream” und “politische Korrektheit” sind Begriffe, die ich für mich längst ausdifferenziert und definiert habe.
“Gutmenschen” sind ein Schlag von Menschen, die in einem Akt der Kant’schen Unmündigkeit ihre selbst auferlegte Unmündigkeit gegenüber denen aufrecht erhalten, die sich selbst die Deutungshoheit über Recht und Moral erheben.
Das sind also genau diejenigen, die - fast schon mit einem Beißreflex - gerne sagen, das man das gesagte nicht sagen darf. Es sind diejenigen, die sich selbst aber gar nicht damit ausseinandersetzen, was sie selbst okay finden oder nicht. Die nicht ihre eigene Meinung haben. Die ihr “Das darfst du nicht sagen” nicht begründen können.
“Meinungsmainstream” ist ein Wort das auch gerne von links und rechts zweckentfremdet wird, oft mit der Tendenz es wäre eine staatsgelenkte Aufgabe. Dabei ist meine Definition viel einfacher. Es ist einfach nur das Folgen weniger durch vielen. Wenige, die sich auserkoren sehen anderen ihre Moralvorstellungen und Auslegungen aufzudrängen. Ob das nun Linke, Rechte, Konservative, Vegetarier, Veganer oder was weiß ich sind. Es gibt scheinbar viele, die sich nur darüber definieren welcher Gruppe sie angehören.
DAS ist keine Aufklärung, das stellt sich auch hoffentlich niemand unter Aufklärung vor: Wenige, die ein hohes Maß an Sendungsbewusstsein haben und die Schafe (Ich weiß, gefährliches Wort), die zwar durchaus ihre eigenen Wertmaßstäbe besitzen und entwickeln, aber nicht offen kommunizieren, und daher nur folgen (“Was würde nur der Nachbar dazu sagen, wenn ich öffentlich eine differenzierte Meinung zu Pädophilie vertrete, oh oh oh”).
“politische Korrektheit” verbindet dieses Verhalten nun mit einer durchaus politisch gewollten Vereinheitlichung der gesellschaftlichen Maßstäbe. Dabei vergessen viele, das diese Maßstäbe einem bestimmten Interesse folgen und selten selbstlos sind. Es ist eine “Überkorrektheit” und die bloße Existenz dieses Begriffes, egal wie wortgeschöpft er ist: Es ist ein Zeichen dafür das ich nicht der einzige bin, der aus dieser “Überkorrektheit” und -politeness einen Ausweg sucht. Satire ist ein starkes Ventil dafür. Und wir bekommen jetzt die Rechnung dadurch, das wir sehen, das unsere Kinder glauben, das bloße Witze machen an gesellschaftlichen Konventionen vorbei (“wähh, das ist schwarzer Humor, das verstehst du nicht” ) wäre in Ordnung. Dadurch das wir die Augen davor verschließen das wir diese Ventile einfach brauchen, weil wir Menschen nun mal nicht so sind, sind zu den Ventilen noch Löcher entstanden, in denen dieses Bedürfnis nahezu ungefiltert und unkontrolliert ausströmt wie aus einer kaputten Luftmatratze.
[B]“politische Korrektheit” ist nur ein anderes Wort für die Verlogenheit des Menschen!
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Doch anstatt darauf zu reagieren tun wir so, als wären wir alle überkorrekt, weil niemand sieht was wir hinter geschlossenen Türen sagen. Wir lassen all jene, die nie gelernt haben zu differenzieren zwischen der Übertreibung und dem Kern der Wahrheit in jeder Satire zu unterscheiden, einfach darauf los. Und dann braucht sich auch keiner mehr darüber zu wundern, das viele Meinungen vertreten, von denen sie nicht einmal wissen von wem sie stammen. Das sie Satire ernst nehmen, und den wahren Kern dahinter verkennen. Das sie unbewusst Leuten folgen, denen sie gar nicht folgen wollen.
Dabei ist es immer auch ein Ausdruck von Neid, wie ich finde: “Das darfst du nicht sagen” ist irgendwo auch Neid,das man selbst nicht die Eier hat das Ventil zu öffnen (lies: Es muss nichts damit zu tun haben, ob man glaubt damit die “Wahrheit” zu sagen oder nicht) und das Bedürfnis nach kolossaler Intoleranz einfach mal zu befriedigen. Manchmal muss man einfach mal “Arschloch” schreien, selbst wenn man der netteste Mensch auf der Welt ist. Jedes Kind lernt irgendwann, das es nichts bringt Ärger herunterzuschlucken. Und genauso ist das mit dem Bedürfnis danach, einmal in welcher Form auch immer Arschloch sein zu dürfen. Deswegen boomen Internet-Foren. Kein Scheiß.
Wir müssen einfach nur lernen, das man damit nicht automatisch ein schlechterer Mensch ist. Sondern halt ein Mensch, mit dem Bedürfnis nach Karthasis und dem Ausbrechen aus dem Gewohnten. Nicht ohne Grund heißt es doch, das Verbieten von etwas macht es doch gerade erst so interessant für den Menschen…
Und irgendwo hat jeder eine Leiche im Keller, wodurch er besser die Klappe halten sollte, statt jemanden anderes den Bruch von Wertmaßstäben vorzuwerfen, die er selbst im geheimen nicht einhält. “Wer frei von Sünde ist, der werfe den ersten Stein” - Ich merke erst heute, was die Bibel damit sagen wollte.
Oder anders gesagt: “Das sind Leute, die dann sagen:“Ihh, er hat Kimme gesagt” - Aber privat geht er in den Kinderpuff und bumst Schweine” (Serdar Somuncu)