@ StefanBY:
Wenn die Nationalsozialisten in Deutschland 1933 an die Macht kamen, dann hat die „Mehrheit der Deutschen“ und heutige „Nationalsozialisten“, auch wenn diese die nicht gewählt haben, genauso etwas damit zu tun. VIelleicht wollten Sie nicht den Nationalsozialismus, aber sie haben im Endeffekt mitgemacht.
Inwiefern besteht hier eine Analogie zu den Muslimen in Deutschland? Gibt es hierzulande so etwas wie eine muslimische Sammelbewegung mit menschenfeindlichem Programm, die von bekennenden Feinden der Demokratie straff geführt und von der Mehrheit der Muslime unterstützt wird? Nochmals: Worin genau besteht die von Dir insinuierte Analogie?
Wenn die Islam-Vertreter allerdings dann im Umkehrschluss immer sagen: „DAs hat mit uns, mit dem Islam nichts zu tun, und wir brauchen mehr Islam in den Moscheen, um den Leuten den Frieden beizubringen“, dann ist das so, als würde ein heutiger REchtsextremist sagen: „Nationalsozialismus ist Frieden und wurde von Hitler missbraucht. Deshalb brauchen wir mehr Rechtsextremisten, um den Missbrauch der nationalsozialistischen Ideologie zu bekämpfen“.
Wiederum frage ich mich, worin hier die Analogie bestehen soll. Die Frage, was „die nationalsozialistische Ideologie“ ist, ist relativ einfach beantwortet: Die Ideologie der führenden Nazis, insbesondere von Hitler, so wie sie verkündet und praktiziert wurde. Der Nationalsozialismus ist ja letztlich sogar die Schöpfung von Hitler. [Man bezeichnet den Faschismus, wie er in anderen Ländern geherrscht hat, üblicherweise nicht als „Nationalsozialismus“.]
Was aber ist „der Islam“, wenn nicht ein Sammelbegriff für teils sehr verschiedene Ideen und Strömungen, die, wie übrigens auch „das Christentum“, in hohem Maße von kulturellen und geschichtlichen Gegebenheiten abhängig sind? Springt einem die Disanalogie hier nicht geradezu ins Auge?
Nochmals: Was genau verstehst Du unter dem Islam? Den Islam, wie er nach Auffassung der großen Islamgelehrten StefanBY eigentlich beschaffen sein müsste, sofern die Muslime ihn nur ernstnehmen würden (siehe dazu den Antwortbeitrag von Skafdir auf Dein Posting)? Oder das, was die Muslime hierzulande - denn es geht doch hier um Deutschland - typischerweise unter „Islam“ verstehen? Wenn Du „den“ Islam mit dem Nationalsozialismus vergleichst und es lächerlich findest, wenn Muslime Gewalttaten als Missbrauch als Islam ansehen, WAS genau ist dann für Dich „der Islam“? Wie genau definierst Du ihn? Und ist Deine Definition sinnvoll im Kontext einer politischen Diskussion, bei der es ja schließlich um real existierende Muslime und ihren real existierenden Glauben gehen muss?
Und ja, natürlich kann man über „den Islam“ sprechen, wie über „den Deutschen“. Warum keine Pauschalurteile?..Zu was braucht man da eine Differenzierung?
Erstens ist Dein unqualifizierter, sachlich außerordentlich schwacher Beitrag, dem man wohl durchaus auch demagogische Elemente bescheinigen könnte - man denke an die Vergleiche zwischen „dem“ Islam und den Nazis -, doch bereits Antwort genug; genau so etwas kommt dabei heraus. Zum Zweiten ergibt sich die Antwort doch ex definitione: Pauschal-Urteile berücksichtigen real bestehende Unterschiede nicht angemessen, sind also undifferenziert, werden also der Realität, auf die sie sich beziehen, nicht gerecht. Stell Dir beispielsweise mal vor, jemand würde vöiig undifferenziert sagen, dass „die Deutschen“ Hitler unterstützt haben und somit den Widerstand gegen ihn völlig unter den Tisch fallen lassen; und zwar würde er generell so sprechen, weil eine Differenzierung ja überflüssig sei. Fändest Du das gut?
Wie soll man auf Grundlage der völlig pauschlisierenden Verächtlichmachung „der“ Muslime, wie Du sie hier betreibst, eigentlich noch einen sinnvollen Dialog mit eben diesen Muslimen führen? Welchen Sinn hat Integration, wenn selbst die friedfertigsten Muslime bestenfalls mit den Unterstützern von Hitler, mit Rechtsextremen und Neonazis zu vergleichen sind, wenn nicht direkt mit den Nationalsozialisten selbst? Und selbst wenn es kein „Gleichsetzen“ ist: Das In-Bezug-Setzen ist hier deutlich genug. Wie soll da ein sinnvolles Miteinander gestaltet werden? Was trägt eine solche Verfemung des anderen zu einer Verständigung bei?
Man kann doch auch pauschal den Kommunismus und den Nationalsozialismus ablehnen. Zu was braucht man da eine Differenzierung?
Der Nationalsozialismus ist wie gesagt ein relativ monomorphes Phänomen ist, das sich relativ klar definieren lässt, und nun in einem ganz neuen Sinne von ihm zu sprechen wäre ein Fall von Bedeutungsverschiebung. Schon beim Kommunismus wird es viel schwieriger, denn da gibt es sehr verschiedene Varianten. Was hat beispielsweise ein Kommunist, der auf friedliche Weise eine klassenlose Gesellschaft anstrebt, mit dem „Marxismus-Leninismus“ zu tun? Oder gar dem Stalinismus? (Es geht mir jetzt nicht um die Frage, wie realistisch oder aber realitätsfern die Idee eine „klassenlose“ Gesellschaft" ist, oder wie erstrebenswert oder ablehnenswert sie sein mag.)
Aber gut, wenn Du willst können wir ja auch, wie Du es unverbrämt vorschlägst, auf Differenzierung verzichten und uns in Pauschalurteilen ergehen. Sprechen wir also über „die Muslime“. Und nicht unbedingt über die in Saudi-Arabien, sondern über die in Deutschland. Denn die sind ja - jedenfalls, soweit es um Integration geht - die relevante Größe. Die sind aber nach allem, was wir wissen, mehrheitlich friedlich eingestellt. Das zugehörige Pauschalurteil würde also lauten: „Die Muslime in Deutschland sind friedfertig.“ Aber lass mich raten: Plötzlich findest Du Pauschal-Urteile doch nicht mehr so geil. Ob ein Pauschal-Urteil begrüßenswert ist oder nicht, dürfte für Dich wohl davon abhängen, wie gut es zu Deinen Ressentiments passt.
@ alle:
Um nicht missverstanden zu werden sei nochmals betont, dass es auch m.E. natürlich absolut vernünftige Frage zu „dem“ Islam gibt. Beispielsweise, wie die Muslime oder die islamische Geistlichkeit mehrheitlich zu einer bestimmten Zeit oder in einem bestimmten Land denken; welche Ansichten von relevanten Minderheiten (auch hierzulande) gehegt werden; ob manche Einflüsse, wie sie der arabischen Welt (und besonders durch Wahabiten) auch zu uns kommen, nicht sehr bedenklich sind; ob eine Radikalisierung mancher Minderheiten droht, warum, und wie gegenzusteuern wäre; ob nicht zu hoffen wäre, dass es in der außereuropäischen muslimischen Welt zu einer Aufklärung kommt (wie diese in Europa bereits stattgefunden hat und dort Länder mit christlicher und muslimischer Bevölkerungsmehrheit prägt).
Man kann natürlich auch diskutieren, ob aufgrund bestimmter Stellen innerhalb des Korans eine friedliche Interpretation des Islam, die mit rechtsstaatlichen Standards vereinbar ist, erschwert wird. Aber auch eine solche Diskussion hätte die Diversität innerhalb des Islam zu berücksichtigen (es gibt eben auch tolerante Formen des Islam) und ebenso die Tatsache, dass das moderne Judentum mit Rechtsstaatlichkeit vereinbar ist, obwohl es viele Stellen im Tanach gibt, die bei einer wörtlichen Interpretation hiergegen zu sprechen scheinen. (Der Unterschied ist wohl nicht, dass die „blutigen“ Stellen im Tanach, die beispielsweise die Steinigung für Ehebrecher und „Götzendiener“ verlangen, als solche weniger deutlich wären als entsprechende Verlautbarungen im Koran, sondern dass das Judentum aufgrund seiner Geschichte faktisch anders geprägt ist als Teile der muslimischen Welt.)
Es geht mir nicht darum, dass ich etwas gegen (sachgemäße) Kritik an „dem“ Islam (bzw. Erscheinungen innerhalb „des“ Islam) hätte - es gibt Kritik, die ich für völlig berechtigt halte. Ich bin auch nicht „blauäugig“ gegenüber realen Problemen. Aber wenn überhaupt kein rational rekonstruierbarer Islam-Begriff vorliegt, oder besser: keine solchen geeigneten Islam-Begriffe (im Plural), worauf soll sich die Kritik dann beziehen?
Kann es eigentlich sein, dass viele Leute über „den Islam“ reden, ohne jemals auch nur im Ansatz reflektiert zu haben, was sie überhaupt unter „dem Islam“ verstehen? Und kann es sein, dass viele darunter so etwas begreifen wie das „wahre zeitlose Wesen des Islam“, so wie es nach ihrer (oft durch keinerlei Faktenwissen getrübten) Meinung „eigentlich“ von allen Muslimen verstanden werden müsste? Kann es sein, dass viele Leute sich genau dadurch eines Islam-Begriffs befleißigen, wie er nur vor dem Hintergrund eines muslimischen Glaubens Sinn macht, obwohl sie genau diesen Glauben aufs Entschiedenste ablehnen? Und dass sie dann auch noch diesen pseudo-normativen „eigentlichen“ Islam mit dem faktisch bestehenden Islam heillos konfundieren, also beispielsweise Aussagen über „die“ (realen) Muslime aus ihrem theoretischen Konstrukt des „wahren Islams“ ableiten?
Kann es sein, dass der „Islam-Begriff“, der weite Teile der Debatte prägt, ein völlig inkohärentes Konglomerat darstellt, das sich zusammensetzt zum einen aus einem pseudo-normativem „eigentlichen“ Islam, so wie er angeblich sein soll, und zum anderen aus den verschiedensten real existierenden islamischen Strömungen, die auch noch undifferenziert vermengt werden?
Wenn ja: Wie ist so etwas in diesem Umfang möglich in einem Land mit halbwegs vernünftigem Bildungssystem?? (Das ist keine rein rhetorische Frage; ich wäre wirklich auf eine Antwort gespannt.)