Bioshock Infinite war das bisher einzige Spiel dieses Jahr, welches ich mir gleich zu Release gekauft habe. Die beiden Vorgänger habe ich verschlungen, Teil 1 alleine habe ich 4 oder 5 mal durchgespielt (Teil 2 einmal weniger). Ich hatte sehr hohe Erwartungen und hatte nach dem Durchspielen auf keinen Fall ein Gefühl der Enttäuschung, auch, wenn ich manche Dinge vermisst habe. Aber der Reihe nach:
[B]Setting/Atmosphäre[/B]
Rapture war in Sachen Art-Design eine kleine Offenbarung für mich. Selten hat mir eine Spielwelt so gut gefallen und einen so bleibenden Eindruck hinterlassen. Besonders das erste Drittel von Teil 1 hat mich gebannt und hatte stellenweise Horror-Flair. Beklemmend, düster und ein toller Anblick.
Mit Teil 2 war das Setting aber schon etwas abgenutzt und so fand ich es gut, dass man eine ganz andere Richtung eingeschlagen hat als diese typischen in Trümmer liegenden, gescheiterten Utopiae(?). Die Himmelstadt hat mich mindestens genauso beeindruckt. Vor allem hat man den Zeitgeist sehr gut getroffen, der die Fassade schnell bröckeln lässt, da vor allem der Rassismus immer wieder thematisiert wird. Hinter den prunkvollen Anwesen versteckt sind die Baracken der Arbeiterklasse. Die Licht- und Schattenseiten, die auch in einer solch majestätischen Stadt nahe beieinander liegen, wurden gekonnt dargestellt.
Verloren gegangen sind gruselige Stellen so wie ein Teil der Bedrohlichkeit der Vorgänger, zumal man es jetzt überwiegend mit Menschen und nicht mit entstellten, drogenabhängigen Wahnsinnigen zu tun hat, aber fesselnd ist auch diese Welt ohne Frage.
[B]Story/Charaktere[/B]
Das Story-Telling dürfte hier klar das beste innerhalb der Bioshock-Reihe sein. Die Nachrichten per Tonbänder sind erhalten geblieben. In anderen Bereichen hat sich dagegen viel getan. Es passiert viel mehr in der Welt und es gibt dadurch, dass man diesmal einen Protagonisten mit Profil und Geschichte spielt, mehr Dialoge. Spätestens, wenn Elizabeth ihre Kräfte mehr und mehr entdeckt, kommt eine weitere Facette hinzu, die ich hier mal offen lasse. Auch zum Ende will ich mich nicht näher äußern, aber es sollte für die meisten befriedigend sein, da alle wichtigen Punkte geklärt werden. Eine nette Anspielung auf die Vorgänger und die Ähnlichkeiten zu Rapture wird ebenfalls geboten.
Elizabeth ist bei den Charakteren am meisten hervorzuheben. Sie ist, kurz gesagt, für mich die beste KI-Begleitung, die ich in einem Videospiel bisher erlebt habe. Sie ist das komplette Gegenteil von Charakteren wie Ashley aus Resident Evil 4, die vielen auf den Geist gehen, weil man sie hüten muss wie Kindergartenkinder, die wirklich nichts intelligentes von selbst auf die Reihe bringen. Elizabeth ist eine Hilfe im Kampf, zu keinem Zeitpunkt eine Last, verhält sich außerhalb der Kämpfe sehr natürlich, wenn sie sich eigenständig umsieht oder Geld findet. Man könnte fast vergessen, dass sie eine künstliche Intelligenz ist. Sie und ihr Verhältnis zu Booker sind für mich der stärkste Teil des Spiels.
[B]Gameplay/Kämpfe[/B]
Der einzige Teil, der sich Kritik gefallen lassen muss. Ich würde nicht so weit gehen wie andere, die die Kämpfe ertragen, weil sie wissen wollen, wie die Geschichte weitergeht, aber ich bin hier auch nicht mit jeder Entwicklung glücklich.
Insgesamt, so mein Eindruck, wurde mehr Wert auf Action gelegt (schon das Einführen eines sich regenerierenden Schildes lässt erfahrene Zocker schnell erahnen, wohin die Reise geht). Stealth-Varianten gibt es leider keine mehr, die ich in den Vorgänger hauptsächlich gespielt habe (in Teil 2 konnte man bei gutem Umgang mit dem Scout-Plasmid Räume von mehreren Gegnern befreien, ohne überhaupt in dem Raum zu sein). Auch begegnet man jetzt hauptsächlich Gegnerwellen, die es zu besiegen gilt und nicht mehr einzelne Gegner oder Kleingruppen. Das Abarbeiten von Gegnerwellen ist eigentlich eine Unsitte, die die Ausnahme in modernen Titeln sein sollten, ABER kein Drama, wenn das Kämpfen Spaß macht. Hier bin ich allerdings gespalten. Nicht nur, weil die Gegner zwar effektiv, aber stumpf und oft unlogisch vorgehen (oft habe ich schon Fallen verschwendet, weil die Gegner mir einfach nicht folgen wollten).
Sehr schade finde ich, dass man sich dem Mainstream gebeugt hat und man nur noch 2 Waffen gleichzeitig nutzen kann (wobei die Nahkampfwaffe jederzeit zur Verfügung steht), aber so will man vielleicht auch etwas verschleiern, dass die Waffen nur noch absolut gewöhnlich sind. Keine Exoten wie den Chemowerfer oder alternative Munition, mit der auch normale Waffen sehr interessant wurden - man bekommt nur noch, was man von jedem durchschnittlichen Ego-Shooter kennt. Die Gegner sind auch eher gewöhnlich und bieten keine größeren Überraschungen, lediglich ein Gegnertyp gegen Ende bringt noch etwas Abwechslung.
Gut, immerhin wird diese Action-Orientierung dadurch unterstützt, dass man nun jederzeit seine Kleidungsstücke (die ‘‘neuen Tonika’’) ändern und sich schnell Situationen anpassen kann. Auch sorgen die Sky Lines sowie die Kräfte von Elizabeth dafür, dass man auf verschiedene Optionen im Kampf zurückgreifen kann. Trotzdem laufen die Gefechte allesamt sehr ähnlich ab. Die Kräfte können das auch nur bedingt beeinflussen. Zwar können 2 verschiedene Kräfte jetzt einen neuen Effekt bilden, das ist allerdings nie zwingend notwendig. Während ich in Inifite irgendwo dafür loben will, dass ich nicht mehr machen kann, was ich will (die Vorgänger waren auch auf den höchsten Stufen nur anfangs schwer, in Teil 2 ist mit guter Vorbereitung schon die 2. Big Sister nicht mehr schwer), fühle ich mich doch sehr eingeschränkt bei der Entwicklung meiner Fähigkeiten. Das war der große Punkt, der mich an Teil 2 so begeistert hat und so locker das verbrauchte (aber dennoch tolle!) Setting kompensiert hat. Hier fühlt sich Infinite wie ein Schritt zurück an, was ausgesprochen schade ist, da es bei fast allem abseits der Kämpfe überdurchschnittliche Qualität liefert.
Als Gesamtprodukt würde ich Bioshock Infinite trotzdem ‘‘überdurchschnittlich’’ nennen. Die Kämpfe hinken etwas, aber die Geschichte ist enorm stark, wird später sehr verzwickt, am Ende dennoch gekonnt aufgelöst und an Elizabeth können sich alle Entwickler ein Beispiel nehmen, wenn es um KI-Partner geht und wie sie ein Spiel bereichern und NICHT dem Spieler auf die Nerven gehen.