Vorneweg: Ich bin kein Profi und gebe hier nur meine persönliche Einschätzung ab. Ich neige auch dazu, Kritik recht direkt und undiplomatisch auszudrücken. Das ist nicht böse gemeint, sondern dient nur der Klarheit. Wenn man Kritik hinter schönen Worten versteckt, kommt der eigentliche Punkt oft nicht an.
Außerdem sollte immer bedacht werden, dass Kritik an Formaten bzw. an ihrer Außenwirkung nicht zwangsläufig heißt, dass man dogmatisch postuliert kein Zuschauer könne an dem Programm Freude haben.
[B]Das Problem[/B]
So wie ich das sehe hat das Portal im Moment zwischen 4000 und 5000 Abonnenten. Gerade wegen der Anwaltskosten ist das langfristig zu wenig, um zu überleben. Das beweist die aktuelle Spendenaktion ja eindeutig. Zudem denke ich mal, dass die Beteiligten lange nicht so gut bezahlt werden, wie sie es eigentlich verdient hätten. Und auch die ein oder andere unbezahlte Überstunde wird wohl in das Projekt Massengeschmack fließen.
Der momentane Zustand kann also nur als Provisorium angesehen werden, denn langfristig werden die Leute besser bezahlt und die Anwaltskosten aus eigener Kraft gestemmt werden müssen. Es muss eine größere Zahl Abonennten her.
Begegnen möchte Holger diesem Problem mit einer Verbreiterung des Angebots, also mehr Formate, um mehr Abonnenten zu werben. Mag auf den ersten Blick nicht völlig absurd klingen, ist aber in meinen Augen der komplett falsche Ansatz. Bevor ich diesbezüglich ins Detail gehe, aber erst noch einmal ein paar andere Punkte.
[B]Production Values & Präsentation[/B]
Seien wir mal ehrlich: Die Production Values und auch die Präsentation durch die Moderatoren vieler Sendungen auf Massengeschmack sind nicht unbedingt auf hohem Level.
FernsehkritikTV ist ein stimmiges Gesamtpaket, genau wie Netzprediger und (bei guter Tagesform) auch ab und an mal Presseschlau.
Aber wenn ich mir z.B. alleine die Intros anderer Formate wie PaschTV, Tonangeber oder gar Hoaxilla anschau, dann wirken die wie gewollt und nicht gekonnt. Die Zeiten, in denen 3D-Animation “hip” war, sind bereits lange vorbei. Schlecht gemachte CGI wirkt nicht professionell, sondern stümperhaft. Selbst eine schlichte 2D-Title-Card mit dezent zoomendem Logo/Schrift wäre da besser.
Bezüglich der Präsentation durch die Moderatoren sind vor allem zwei Formate kritikwürdig in meinen Augen: Sakura und zu einem gewissen Grad auch Hoaxilla. Über die Unsicherheit der Moderatoren bei Sakura wurde ja schon genug gesagt, aber bei Hoaxilla ist es insofern besonders tragisch, weil das Format hin und wieder großartig ist. Immer dann, wenn ein Gast zum Interview da ist, sind die Hoaxilla-Folgen grandios. Alex und Alexa kommen dann komplett entspannt und kompetent rüber, auch der rote Faden in den Interviews ist immer sehr gut. Sobald es aber dann “normale” Folgen geht, macht das alles einen sehr verkrampften Eindruck. Ein richtiger Fluss will beim runterrattern des Drehbuchs nicht aufkommen und es fehlt einfach eine gewisse Dynamik, die der Sendung Spannung verleiht. Mein Vorschlag an die Beiden: Nutzt eure Stärken auch für die normalen Folgen, denn dafür braucht es nicht zwangsläufig einen Interviewgast. Da ihr eh immer zu zweit seid, könntet ihr die Sendung als Diskussion gestalten, bei der einer von euch die Verschwörungstheorie vertritt und der andere die Argumentation entkräftet. Das freie Sprechen liegt euch einfach viel mehr als das Ablesen von Texten, die Sendung würde davon in meinen Augen unglaublich profitieren. Im Zweifel kann man es ja einfach mal ausprobieren und schauen was dabei rauskommt/wie es ankommt.
[B]Quantität oder Qualität?[/B]
Holger möchte ja in die Breite gehen, um neue Abonnenten zu gewinnen. Ich glaube aber, dass mit besserer Qualität viel eher neue Abonnenten gewonnen werden könnten. Wenn man den Leuten abseits von FKTV oder NP Formate von Massengeschmackt zeigt, kommt oft ein Kommentar in der Richtung "Dafür zahlst du?"
Das sollte auch bei der Werbung bedacht werden. Es macht wenig Sinn, bei den MG-Häppchen Folgen von “Das Studio” hochzuladen. Jeglicher Unterhaltungsfaktor bei dieser Sendung entsteht nur dadurch, dass man die Protagonisten aus den anderen Sendungen kennt. Fehlt dieser Hintergrund, laufen die Selbstironie und damit fast alle Gags komplett ins Leere. Was bleibt ist Fremdschämen und wieder die Frage: "Dafür soll ich zahlen?"
Dass der Kontext bei der Werbung außer Acht gelassen wird, das ist mir auch bei einem Werbeclip auf der FKTV-Seite zu Hoaxilla letztens aufgefallen. Da sah man Alexa, die so ungefähr sagte: “In Folge X von Hoaxilla beschäftigen wir uns mit der Theorie, dass die Erde von Reptilenmenschen beherrscht wird, die unerkannt unter uns leben.” Und dann war der Werbeclip auch schon zu Ende. Wer das nur flüchtig schaut, wie man das bei Werbung halt so macht, dem erschließt sich in keiner Weise, dass dort ein wissenschaftlich-kritisches Magazin beworben wird. Die hölzerne und abgelesene Moderation weckt vielmehr Assoziationen mit weltverschwörerischen Spinnern.
Es wird viel zu wenig bedacht, wie das Portal nach Außen hin auf Leute wirkt, die weder die Beteiligten noch die angebotenen Formate kennen. Und auch die Außenwirkung der Formate selbst muss besser werden, was nur mit besseren Production-Values geht. Noch mehr Formate auf Trash-Niveau werden meiner Einschätzung nach kaum mehr Abonnenten bringen. Schlimmer noch: Da in diese Formate ja trotzdem einiges an Zeit fließen muss, leiden die bestehenden Sendungen qualitativ vielleicht sogar unter der Verbreiterung des Programms.
[B]Infotainment und die USPs[/B]
Massengeschmack soll ein Infotainment-Portal sein, dessen USPs Werbefreiheit und Unabhängigkeit sind. Im Moment scheint sich das Portal mehr und mehr Richtung Entertainment zu bewegen, was in meinen Augen ein Fehler ist.
Werbefreie Unterhaltung bekomme ich auch mit Youtube + Adblocker. Unabhängige Informationen zu wichtigen Themen, aufbereitet in Form von Videos, sind aber Mangelware. Und das nicht zuletzt, weil gute Recherche mehr Zeit kostet, als die Einnahmen über Youtube rechtfertigen. Genau hier könnte ein Videoangebot hinter der Paywall seine Stärken so richtig ausspielen. Filmkritiken, Musikempfehlungen und Brettspiele in allen Ehren, aber das kann man weitestgehend auch problemlos auf Youtube machen. (So lange man bei Filmen auf Bildzitate verzichtet, zugegebenermaßen) Aber Informationen zu den wirklich wichtigen Themen dieser Welt, aus einer unabhängigen Quelle und in Videoform, das gibt es in Deutschland so im Moment nicht.
[B]Radikaler Vorschlag[/B]
Mein Vorschlag wäre: Radikal Formate zusammenstreichen und die USP unabhängige Information in den Vordergrund stellen. Konkret würde das bedeuten:
[ul]
[li]PaschTV, Tonangeber und Pantoffel-TV zusammenlegen.[/li]In jeder Folge wird dann in der Runde ein Film, ein Musikalbum und ein Brettspiel besprochen. Das heißt man hätte weniger Arbeit mit dem Schnitt, müsste weniger Filme/Musikalben vorbereiten und würde auf diese Weise ein bisschen was Kapazitäten einsparen.
[li]HoaxillaTV wie oben beschrieben konzeptionell verändern[/li][li]Sakura und Asynchron absetzen[/li]Sakura scheint bei der Zielgruppe nicht so richtig authentisch anzukommen und denen wegen der Fokussierung auf den deutschen Markt wenig echte Neuigkeiten zu bieten. Ich habe zwar keine konkreten Zahlen, aber bei dem Feedback würde ich jetzt erstmal nicht davon ausgehen, dass sich durch das Format viele neue Abos ergeben haben. Vielmehr ist es halt eine weiteres Format, das von Komplettabonennten eben irgendwie mitgenommen wird. Letzterer Punkt trifft meiner Einschätzung nach auch auf Asynchron zu.
(@MG-TV-Team: Wenn die Zahlen was anderes sagen als ich vermute, berichtigt mich bitte)
[li]Das Studio absetzen[/li]Eine billig aussehende Soap mit schlechten Schauspielern und flachen Witzen ist nicht unbedingt ein gutes Verkaufsargument, Die Zeit könnte man sinnvoller nutzen.
[li]Ein wöchentlich erscheinendes Nachrichtenformat einführen.[/li]Einmal die Woche, am besten jeden Sonntag, wird auf die wichtigsten Nachrichten der Woche zurückgeblickt und ordentlich recherchiert, was eigentlich dahinter steckt. So ein Format lässt sich gut bewerben und gut verkaufen. Denn vergleichbares gibt es in Videoform im Moment in Deutschland nicht Online zu sehen.
[/ul]
Eine Sache noch zum Abschluss: Es versteht sich von selbst, dass man bei so radikalen Änderungen auch einen Teil seiner bestehenden Zuschauerschaft verliert. Und es ist unbestritten, dass man dadurch ein Risiko eingeht.
Aber der aktuelle Kurs scheint nicht zu einer signifikanten Steigerung der Abo-Zahlen zu führen, sodass das langfristige Bestehen sowieso schon gefährdet ist. In einer Situation, in der die momentane Zuschauerschaft nicht ausreicht, um das Projekt langfristig zu refinanzieren, kann man sich bei Entscheidungen nicht nur nach den aktuellen Abonennten richten. Man muss auch die potentiellen Neukunden im Blick haben und bedenken, was man diesen gut verkaufen kann.
Lieber eine Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. Um mal ein Klischee zu bedienen.
PS: Sich automatisch verlängernde Abos müssen unbedigt eingeführt werden. Denn wenn das abo ausläuft, heißt es bei vielen Leuten: “Da muss ich mich demnächst um die Verlängerung kümmern.” Wie dieses “demnächst” gemeint ist, das wissen wir alle.