Kann mir jemand erklären warum? Am besten sogar belegen? Im Prinzip lese ich nur Unterstellungen.
Ich glaube nicht, dass es sich hierbei um Antisemitismus handelt, bis ich etwas schlüssiges gegenteiliges lese. Ich halte es zwar für falsch, aber nicht für antisemitisch.
Ich hab’s in meinem Vorpost schon versucht zu erklären.
Das perfide an der Judenhetze heutzutage ist, dass sie als solche kaum zu beweisen ist.
Sie bedient sich der Mehrdeutigkeit von Sprache, arbeitet mit Doppeldeutigkeiten, Anspielungen, macht sich das Vorwissen der Empfänger zu Nutze.
Deshalb tobt ja Broder rum wie ein zorniges Rumpelstilzchen und übertreibt und unterstellt. Das ist die pure Verzweiflung.
Eigentlich müsste man ja sagen: Geschieht diesem Troll ganz Recht, denn tut er doch, wenn’s um den Islam geht, auf die selbe schwer zu verifizierende Weise schmähen. Doch das Thema ist leider zu Ernst, um nicht ein Scheusal wie diesen Broder zu verteidigen.
Die Leute kennen die direkten Hasstiraden gegen die Juden, und deshalb haben es die indirekten Hasstiraden (Augstein-Kolummne, Grass-Gedicht) nicht schwer, diese Datenbank an Informationsgift beim Empfänger subtil über den Subtext abzurufen und für sich arbeiten zu lassen.
In der Hinsicht gleicht das Geschreibe eines Augstein oder das Gedicht eines Grass vielen der faschistoiden Foren-Beiträge, die bekanntermaßen - als provokanter Brei aus Halbwahrheiten und Vorurteilen flott hingerotzt - sich auch nur mühsam wieder auseinanderklamüsern lassen, will man sie als haltlos entlarven.
Und was hier im Forum nicht funktioniert, nämlich den Schmu auf eine sinnvolle Art und Weise, sprich, Bedeutungsebene und Aussageebene beachtend zu thematisieren, klappt natürlich auf der großen Bühne schon gar nicht, nicht bei solch einem heißen Stoff, eigentlich bei gar keinem Stoff.
Diese verschleierte Art und Weise lässt also nur zwei Möglichkeiten offen, den enthaltenen Antisemitismus/ Rassismus aufzuzeigen und zu begründen.
Entweder man erringt die Interpretationshoheit, weshalb wohl Broder so auf die Kacke haut.
Oder man beweist, dass die Mehrheit der Leser/Rezipienten den Antisemitismus erkennt und sich auch davon beeinflussen läßt, z.B. indem bestehende Vorurteile bestärkt werden.
Letzteres dürfte wohl schwer werden, da wohl mindestens eine sozialwissenschaftliche Untersuchung dazu nötig wäre.
Ersteres scheint mir da schon machbarer, und im Falle des Grassgedichts positionierten sich die Stimmen der intellektuellen Elite eher im Lager, dass das Gedicht antisemitisch ist, im Gegensatz zu der Mehrheit des Volkes, erkennbar an den Meinungsäußerungen hier im Forum und sonst im Netz, die eher Grass seinen Vorstoß verteidigten.
Doch wie es ausschaut, ist die jetzige Position andersherum. Der Vorwurf des Antisemitismus wird mehrheitlich von Volk und Presse abgelehnt.
Das Gedicht „Was gesagt werden muss“ ist eigentlich ein ganz gutes Beispiel für die Subtilität des neuen Antisemitismus.
Was diesen lyrischen Ausschiß so „ekelhaft“ und zu einer „Gemeinheit“ macht, ist nämlich, dass sich hier einer unantastbar macht, indem er antijüdische Hetze im mehrdeutigen Subtext eines Gedichts versteckt.
Sozusagen erstmal raushauen und abwarten, wie die Reaktionen ausschauen, um dann in einem einstündigen Interview soweit zurückzurudern wie von Nöten.
Dass Grass die Mehrheitsgesellschaft - von der Mitte auf und abwärts - hinter sich haben wird, war abzusehen bei diesem Sujet. Die interessantere Frage ist, ob die Empörung darüber, als Antisemit bezeichnet zu werden, zum Showprogramm gehörte oder ob der kaschubische Bauer wirklich mit einer kleingläubigeren Reaktion der intellektuellen Elite gerechnet hat?
Der eine oder andere kann sich bestimmt gut vorstellen, dass man sich gegen Anschuldigungen kaum wehren kann, die hintenherum, durch zu Nutze Machung von Doppeldeutigkeiten ausgesprochen werden.
Vor allem, wenn man völlig zu Unrecht bezichtigt wird, kann man sowas nur als Psychoterror bezeichnen.
Doch sollte man hier nicht der doppelzüngigen Agitation auf den Leim gehen und Ursache und Wirkung, Opfer und Täter verwechseln?
Grass war nicht der Geschädigte der „gleichgeschalteten Presse“, sondern - wie immer eigentlich - die Juden die Leidtragenden seiner Hetzerei. Das, was Grass „Kampagne“ nennt, ist die einzig vernünftige Möglichkeit auf seine hinterfotzige „Trollerei“ zu reagieren.
Tatsache ist: Judenhetze in ein pseudoseriöses Gewand zu hüllen ist selbst für den sprachlich unbegabtesten kein Problem, geschweige denn für einen Grass. Im Gegenteil dürfte es ihm schwer gefallen sein, allzu anspruchsvolle Subtilitäten zu vermeiden, um nicht über’s Ziel hinauszuschießen.
Vielleicht erklärt das die Wahl, sich per Prosagedicht zu äußern.
Um nochmal konkreter auf die Frage von „Gutmensch“ und dem subtilen Antisemitismus zurückzukommen…
Der alte Studentenaufwiegler „Adorno“ hat’s schon vor fast fünf Jahrzehnten so erklärt:
„Ein Agitator sagt zum Beispiel: ‚Jene dunklen Mächte, Sie wissen schon, wen ich meine‘, und die Zuhörer verstehen sofort, dass seine Bemerkungen gegen die Juden gerichtet sind. So werden die Zuhörer als In-Group behandelt, die schon alles weiß, was der Redner ihr sagen will, und die noch vor jeder Erklärung mit ihm übereinstimmt.“
Wer mal bei Youtube „Zionismus“ eingibt und ein bißchen rumsurft, dürfte schnell erkennen, dass sich auch vierzig Jahre nach Adorno nichts geändert hat.
Die klassischen Vorurteile in neuesten Gewändern spucken immer noch in den Köpfen rum.
Bei Kulturzeit in einem Beitrag sagte die Mutter von NSU-Leiche „Uwe Böhnhardt“ in einem Interview, dass ihr, nachdem der Sohnemann in die Neonazi-Szene gerutscht ist, vor allem seine antisemitischen Äußerungen aufgefallen sind, die sie und ihr Mann leider nicht Ernst genug genommen haben.
Nun sagen viele im Geiste Blinden:
„Andere Staaten werden auch hart angegangen und dämonisiert, ohne dass man bei unsinnigen Vorwürfen gleich den Personen Rassismus unterstellt.“
Selbstverständlich, aber bei Israel wird folgendes selten berücksichtigt:
Israel ist das einzige westliche Land mit mehrheitlich semitisch-jüdischer Bevölkerung.
Die Staat gewordene jüdische Minderheit, wenn man so viel.
Viele Experten, die sich mit dem Antisemitismus neuester Prägung beschäftigen, sagen nicht umsonst, dass Israel zum imaginierten „Kollektivjuden“ mutiert ist.
Wenn’s um Israel geht, wird gern mit zweierlei Maß gemessen, nämlich, indem man sich sturr weigert mit zweierlei Maß zu messen. Analog zu den latenten Rassisten, die - fehlende Chancengleichheiten außer Acht lassend - sich z.B. gegen Ausländerquoten aussprechen, mit der Begründung, dass alle Bürger gefälligst gleich behandelt werden sollen.
Auch der Staat Israel mit seinem arabisch-palästinensischen Überproblem (Überproblem weil keine Lösung in Sicht) wird gerne bewertet, ohne die Ausweglosigkeiten in der Innen- und Außenpolitik zu berücksichtigen.
Auch die angeblich so zionistisch verseuchten Medien vernachlässigen oft ihren Aufklärungsauftrag zu Gunsten von Halbwahrheiten.
Z.B. dem lyrischen Apell von „Grass“, sich mit der Auslieferung des Wiedergutmachungs-Unterseeboots an Israel nicht mitschuldig zu machen - an was auch immer -, wurde an der oberflächlich wirkenden Diskussionsfront die folgende Wahrheit nicht entgegengesetzt:
Fakt ist, dass Deutschland trotz üppigem Reparationsrabatt an Israel am Verkauf des Boots, bzw. der sechs Boote verdient, und Israel ein Kunde ist, kein Erpresser.
Weder muss Deutschland aus geschichtlicher Verpflichtung heraus, diese Geschäfte tätigen, noch ist Israel völlig aufgeschmissen ohne dieses Geschäft, denn mit Atomraketen bestückbare U-Boote können auch andere Staaten produzieren und verkaufen. Unter anderem haben die Israelis z.B. mit der Niederlande verhandelt.
Anscheinend dachte man sich bei der Bundesregierung eher: Auch ein kleiner Gewinn ist ein Gewinn. Und Warum sollen wir das Geschäft der ausländischen Konkurrenz überlassen?
Mit diesen Informationen hätte sich doch das Grasssche Geheule von der Bürde und Schuld des Deutschen Volkes ganz anders angehört.
Die Unterstellung - meist an unbekannte Adresse - , dass Kritik am Staate Israel stets als Antisemitismus abgestraft wird, ist selbst eine Unterstellung.
Oder aus jüdischer oder israelischer Sicht gesehen: Der Vorwurf unerwünschte Kritik mit der Antisemitismuskeule abzuwehren, ist selbst ein antisemitischer Vorwurf.
Es sind also die üblichen Verdächtigen aus dem Ressentimentkatalog, von der jüdischen Antisemitismuskeule gegen unerwünschte Kritik bis zum Juden als Weltbrandstifter, propagiert irgendwo zwischen rundheraus und durch die Blume.
Bei solchen Fällen, die öffentlich für Furore sorgen, wie Grass und Augstein, erkenne ich schon beim ersten Lesen, was Sache ist, und habe keine Zweifel, dass derjenige Schreiber gegen Juden hetzt.
Und ich wundere mich immer, wie es Menschen geben kann, die das nicht erkennen oder nicht erkennen wollen.
Wie ich schon angemerkt habe, das Säbelrasseln in Richung Iran ist durchaus angebracht.
Ich seh’ es eher andersherum.
Das Säbelrasseln gegen den Iran dient heuchlerischen, wirtschaftsimperialistischen Zwecken, während viele Handlungen Israels im Nahostkonflikt und der Palästinenserproblematik tolerierbar, angebracht bis vernünftig sind, aber als Verstöße gegen die Menschlichkeit gesehen und verkauft werden.