Diskussion über den Blog-Artikel: Auch Zwerge haben klein angefangen
TELE 5-Chef Kai Blasberg ist ein guter Mann. Der Kerl hat die Chuzpe, unpopuläre Wahrheiten zu sprechen (bitte unbedingt sein Interview im Studio D anschauen!), und obendrein wagt er es, intelligenten Minderheitenformaten auf seinem Sender eine Plattform zu geben.
Letzten Donnerstag startete TELE 5 die groß angekündigte Satireoffensive. Mit durchwachsenen Ergebnissen.
Rüttens Bullshit Universum (11.10.; 22:15 - 22:40 Uhr - ganze Folge in der Mediathek)
Die althergebrachten Konventionen des Spießbürgertums werden schon zu Beginn des Wochenendes gegen den Strich gebürstet: Das Beste kommt am Anfang.
Ich erinnere mich mit Wonne an meine Pubertät (die bis heute andauert). Als damals, so irgendwann um 1991, Fritz Langs Nibelungen im Nachmittagsprogramm lief, habe ich einen guten Kumpel angerufen, damit wir den Stummfilmschinken mit verteilten Rollen übers Telefon witzisch neu synchronisierten. Auf genau diesem Prinzip basiert diese wunderbare kleine Sendung.
Wie Peter Rütten den servilen Indianer in einem B-Movie der frühen Fünfziger seziert, ist schlauer Quatsch auf höchstem Niveau. Schade, dass die Sendung nur gut 20 Minuten netto dauert. Aber man darf sich auf jede neue Folge freuen
…und sei es auch nur die cineastische Herausforderung, die verhohnepiepelten Trashfilme zu identifizieren.
Damit findet die Lobhudelei für die neue Satireschiene jedoch ein jähes Ende!
Ulmen.tv (11.10.; 22:40 - 23:10 Uhr - ganze Folge in der Mediathek)
Vielleicht hatte ich zu viel erwartet. Leider kennt man als interessierter Zuschauer die an dieser Stelle abgespulten Clips bereits seit satten vier Jahren von Christian Ulmens Homepage. So entlarvend das Interview Knut Hansens mit dem bayerischen Dorfbürgermeister auch sein mag, so kalt ist der Kaffee mittlerweile.
Stuckrad-Barre (11.10.; 23:10 - 23:55 Uhr - ganze Folge in der Mediathek)
Womit wir beim schwächsten Glied (sic!) in der Kette angekommen wären. Seitdem der SPIEGEL den selbstherrlichen Fatzke S-B entsandt hat, um mit unqualifizierten Nachrufen auf die Gräber von Robert Gernhardt und Walter Kempowski zu pissen, hege ich einen immerwährenden Hass gegen den Mann, der sich für einen Poeten hält, weil er Thomas Bernhards lustigstes Stück verschlimmbessert hat.
Eine Late Night Show lebt von zwei Dingen: Guten Pointen und außergewöhnlichen Ideen. Beides sucht man in dieser Sendung vergebens. Wenn man schon einen dankbaren Gast wie Boheme-Pirat Ponader, der einem gewieften Komiker qua Existenz alle nur erdenklichen Steilvorlagen liefert, sein eigen nennen darf, dann sollte man wenigstens den Anschein erwecken, etwas draus machen zu wollen.
Stattdessen herrscht bei diesem absurden Zweipersonenstück permanente Langeweile. Das Parlando der beiden Intelligenzabstinenzler kommt zu keinem Zeitpunkt über Kneipenniveau hinaus. (*)
Bunte IKEA-Bälle und ein kleines Mädchen, das angeblich Peer Steinbrück darstellen soll, sind als Gimmicks gut genug fürs Oberstufenkabarett. Eine Satiresendung im frei empfangbaren Fernsehen darf sich gerne einen arbeitslosen Autor mit Talent von der ARGE schicken lassen, damit es beim nächsten Mal witziger wird.
Kalkofes Mattscheibe (12.10.; 20:00 - 20:15 Uhr - ganze Folge in der Mediathek)
Ich weiß es, Leute! Die erste Folge ist kein Maßstab. Ich meckere ohne Grund, ich muss die Entwicklung abwarten und soll es erst einmal besser machen. Habe verstanden, Fanboys and - girls!
Die erste Mattscheibe nach langer Abstinenz - wie habe ich ihr entgegen gefiebert! - war eine Riesenenttäuchung! Wenn sich der Gehalt der kommenden 30 Folgen auf Boulevardtrash beschränkt, dann unterfordert Kalkman sowohl sich selbst, wie auch seine Zuschauer…
Satire hat im günstigsten Fall didaktische Wirkung; jedoch nicht in dem schulmeisterlichen Duktus von Ollis Pures Leben-Nummer. Dabei war das noch der stärkste Part der aktuellen Episode. Die Zoten der Markus Becker-Sequenz hätte man ebenso gut in einer Büttenrede der Siegerländer Fastnacht verbraten können. Da besteht noch ordentlich Luft nach oben!
So leid es mir tut, es ist höchste Zeit für einen Brief von Franz-Josef Wagner:
[i]Mein lieber Kai Blasberg!
Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Kinder töpfern ihrer Mama eine Vase zum Muttertag, die nicht aufrecht stehen kann. Trotzdem lieben wir unsere Kinder, denn sie sind unsere Zukunft. Und so ist es auch mit Ihnen. Wir haben unser Fernsehen von TELE 5 nur geliehen. Gehen wir sorgsam damit um, denn morgen ist heute schon gestern.
Täglich sterben deutsche Soldaten in Afghanistan für unsere Freiheit, damit wir einen Scheiß wie Stuckrad-Barre sehen müssen können. Dafür liebe ich Sie.
Herzlichst
F.J. Wagner[/i]
(*) Scheiße! Jetzt habe ich doch das dünkelhafte Unwort “Niveau” benutzt! Ich werde mich dafür geißeln.