So, jetzt will ich hier auch nochmal meinen Senf dazugeben, auch wenn ich damit das ein oder andere wiederhole.
Ich persönlich finde auch, dass der Beitrag eine Frechheit ist. Und um es nochmal klarzustellen: es geht hier nicht darum, dass sich die Jenaer Bürger auf den Schlips getreten fühlen, weil ihre Stadt nicht als Touristen-Metropole dargestellt wird. Oder dass hier die Situation schöngeredet und die rechte Szene wegdiskutiert wird.
Es geht darum, dass der Beitrag einfach nur unseriöse Stimmungsmache ist, ohne oder mit nur schlechten Recherchen als Basis. Und ja, es ist nun mal so, dass ich solche Form der Beiträge immer vom Fernsehkritiker kritisiert kenne, und diese Beiträge dann meistens aus den Redakteurköpfen irgendeiner Privatsenderschmiede stammen (um im weitesten Sinne auf den RTL-Vergleich einzugehen). Ehrlich gesagt habe ich den Sinn des Beitrags einfach nicht verstanden. Einen Münchener Autor zur rechten Szene Jenas bzw. Ostdeutschlands zu Wort kommen zu lassen ist in etwa genauso sinnvoll wie einen Berliner zur Lage der Ausländer in Stuttgart zu befragen. Der Stellungnahme von zdf (hier zu finden: https://www.facebook.com/aspekte.kultur … 4811458330) entnehme ich, dass man hier „dem Autor, der ein höchst subjektives, aber legitimes Angstgefühl hat, ein Forum gegeben hat“ (Wortwahl vom zdf, Satzstellung von mir). Ok. Aber warum dann diese Angst nicht hinterfragen? Warum nicht mit Fakten darauf eingehen, wie es heute ist? Und was soll diese Verallgemeinerung, die Situation in Jena mit ganz Ostdeutschland in einen Topf zu werfen? Der Beitrag ist genau das – ein schwammiger, vager Ausdruck subjektiv empfundener Angst. Und hier stimme ich dem Verfasser des offenen Briefs an die aspekte-Redaktion, Thomas Uhlemann, zu: „Eine Fläche von rund 108 000 km² wird einfach in zehn Minuten Sendezeit zur Sperrzone für einen nicht unbedeutenden Teil unserer Gesellschaft erklärt.“ Genau das brauchen wir: ein weiteres kleines Puzzlestück für Ost/West-Klischeedenken und auf Basis der aktuellen Schlagzeilen gezielt eingesetzte Panikmache. Und das Problematischste an der Sache: vor dem Hintergrund einer aspekte-Sendung wird der Beitrag von vielen Leuten sicherlich ernster genommen als wenn er zwischen „exklusiv“ und „RTL2-News“ positioniert wäre.
Und ich meine, ein paar Ansätze für einen guten Beitrag sind ja trotzdem da. Sich den NPD-Aussteiger Uwe Luthardt als Interviewpartner an Land zu ziehen ist keine schlechte Idee, nur wird nicht über viel mehr als das unklar formulierte „Angst haben/Angst zeigen“ geredet. Aber mal ehrlich: wenn der Mann als ehemaliger NPD-Vorstand (der laut des Sprechers jetzt in der Szene als Verräter gilt, was auch realistisch scheint) in die Kamera sagt, dass er keine Angst hat, kann die Lage doch so schlimm nicht sein. Und Lothar König erklärt auch recht gut und auf einfache Weise, wie die Situation in den 90ern war und wie es, mal banal formuliert, zur Entstehung der rechten Szene in Jena kam. Doch hier wird nicht weiter auf eine Entwicklung eingegangen, sondern es wird so getan, als wäre es heute immer noch so wie vor 15 Jahren, indem man das Gespräch mit ihm einfach unterbricht, um möglichst schnell einen Bezug zu den drei „Neonazis aus Jena“ herzustellen. Da wird ein Sprung von über 10 Jahren gemacht, was sich nur in den Worten „ die vor 13 Jahren aufgrund eines drohenden Strafverfahrens in den Untergrund gehen“ finden lässt. Denn wen interessiert schon, was da dazwischen war – viel wichtiger ist doch, warum diese drei plötzlich Serienmörder wurden. Und wir betreiben somit zum Schluss noch ein bisschen Psychologie. An sich finde ich die Statements dazu noch nicht mal so schlecht (als Autor eines solchen Buches macht man sich ja schon Gedanken darüber, woher diese Gefühle kommen, die sich in kriminellen Taten niederschlagen), nur gibt es da überhaupt keinen Bezug zu dem, was man vorher im Beitrag versucht hat zu ergründen. Denn ja, der Beitrag versucht ja irgendwie, seine Anfangsthese von „Jena – für Menschen mit Migrationshintergrund kein Paradies“ zu untermauern. Solche Fragestellungen sind da allerdings wenig hilfreich. Und nach alldem hat sich die Meinung des Autors natürlich nicht geändert – wie auch. Bei dieser dreisten Frage danach zum Schluss (in der Jena wieder mit Ostdeutschland gleichgesetzt wird – nach dem Motto: hat man eine Stadt gesehen, kennt man sie alle, sieht ja überall gleich aus) fällt mir nur noch eines ein: WAS SOLL DER MIST?
Und wenn dieser Beitrag übrigens Werbung für das Buch sein sollte – nun, das hat der Schwestersender ard besser hinbekommen, als das Buch im August frisch auf dem Markt kam:
http://www.tagesschau.de/kultur/adamsfuge100.html
Und das ohne einen pseudopolitischen Kulturbeitrag.
Und ja, im Vergleich zu dem, was sonst so im Fernsehen passiert, wenn Menschen vorgeführt oder abgezockt werden, wenn Kinder vor die Kamera gezerrt werden, da ist das tatsächlich „Korinthenkackerei“. Aber in meinen Augen dennoch schwerwiegender als so manches, was in Kurz kommentiert Erwähnung findet.