Einleitung:
Es sollen hier einige allgemeine Prinzipien des guten und sachgemäßen Diskutierens formuliert werden, die über die Regeln der Netiquette hinausgehen (und deswegen auch nicht in Konkurrenz zu den Forenregeln stehen). Denn auch bei gutem Willen können einem leicht einmal Fehler, etwa in Gestalt logischer Fehlschlüsse, unterkommen, und so mag es hilfreich sein, einen Verweis auf einen Thread mit dieser Thematik setzen zu können. Der Beitrag soll jeweils ergänzt werden, und über Hilfe, Vorschläge und Kritik würde ich mich natürlich sehr freuen.
(Nachträgliche Anmerkung. DerBeitrag ist ausführlich. Mir ist klar, dass nicht jeder das Interesse hat, ihn zu lesen. Aber Sinn und Zweck ist insbesondere, dass es möglich ist, in aktuellen Diksussionen auf einzelne Punkte zu verweisen, und dass dort dann hinreichend genau alles steht.)
Alle nun beschriebenen Normen sollen auf den Prinzipien von Logik, Argumentationstheorie oder schlichtweg der normalen Höflichkeit beruhen und daher allgemein akzeptabel sein. Allgemein heißt dabei: “Für jede vernünftige Person guten Willens.” Die nachfolgenden Prinzipien gelten insbesondere für Sachdebatten, also weniger für untethematische Konversationen.
Prinzipien der Diskussion
1. Es muss um die Sache gehen
Das wichtigste und allgemeinste Prinzip scheint zu sein, dass man nur an einer Diskussion teilnehmen sollte, wenn man überhaupt diskutieren will. Das klingt unglaublich banal, ist es aber absolut nicht. Denn in der Diskussion geht es ja um sachliche Klärung, um Erkentnis und Wahrheit, um Gründe und Vernunft. Und es gibt nun durchaus viele Menschen, die sich auf Diskussionen einlassen, aber denen es einfach darum geht, um jeden Preis im Recht zu sein, auch wenn sie es es nicht ist, oder einfach andere zu überzeugen, ohne ihnen zuzuhören, oder gar über andere zu triumphieren. Anders gesagt sind wesentliche subjektive Voraussetzungen für eine Diskussion notwendig, damit man adäquat Debattenführen kann. Schopenhauer rät deshalb:
“Die einzig sichere Gegenregel ist daher die, welche schon Aristoteles im letzten Kapitel der Topica gibt: Nicht mit dem Ersten dem Besten zu disputieren; sondern allein mit solchen, die man kennt und von denen man weiß, dass sie Verstand genug besitzen, nicht gar zu Absurdes vorzubringen und dadurch beschämt werden zu müssen; und um mit Gründen zu disputieren und nicht mit Machtsprüchen, und um auf Gründe zu hören und darauf einzugehen, und endlich, dass sie die Wahrheit schätzen, gute Gründe gern hören, auch aus dem Munde des Gegners, und Billigkeit genug haben, um es ertragen zu können Unrecht zu behalten, wenn die Wahrheit auf der anderen Seite liegt.”
Nun ist es in einem Forum natürlich unmöglich, sich die Diskussionspartner in solcher Weise auszussuchen; man muss vielmehr davon ausgehen dürfen, dass jeder, der sich an einer Diskussion beteiligt, es auch ernst meint und vernünftig mitreden möchte. Es ist also in einem Forum die Verantwortung jedes Teilnehmers, dass er angemessen diskutiert, denn der andere kann ja nicht erst eine Prüfung durchführen. Wer nicht sachlich diskutieren kann oder will, der sollte meines Erachtensso fair sein, sich einen anderen Zeitvertreib als das Führen von Diskussionen zu suchen.
- Sich normel höflich benehmen
Es gilt daher natürlich auch, dass man sich vernünftig benimmt, so wie man es auch selbst erwartet; so dass man von sich selbst ehrlicherweise sagen kann, dass man ein fairer und gutwilliger Diskussionspartner ist.
- Sachargumente versus persönliche Angriffe
Bei einer Sachdiskussion geht es um ein bestimmtes Thema, um eine bestimmte Sache. Daher sollte man, wenn man eine andere Meinung als der andere vertritt, seine Thesen und Argumente angreifen, nicht aber ihn als Person (“argumentum ad hominem” nennt man einen solchen persönlichen Angriff). Das bedeutet etwa, dass man dem anderen nicht Kompetenz, Intelligenz, Charekter oder psychische Gesundheit absprechen sollte
Warum gilt das, außer natürlich schon wegen der Höflichkeit? Weil ein Argument im Prinzip nichts anderes als ein logischer Schluss ist. Wenn ich beispielsweise dafür argumentiere, dass ein Draht elektrischen Strom leitet, dann kann ich darauf verweisen, dass er aus Kupfer besteht. Genau genommen handelt es sich bei dem Argument um einen logischen Schluss: “Was aus Kupfer ist, leitet Strom (1. Prämisse). Dieser Draht ist aus Kupfer (2. Prämisse). Also leitet dieser Draht Strom (Konklusion).” Dieser Schluss ist logisch gültig. Gewöhnlich werden einige Prämissen “unterdrückt” und nur mitgedacht, weil es viel zu langatmig wäre, sie explizit alle zu nennen.
Wenn ich, um im Beispiel zu bleiben, jemandem beweisen will, dass ein besstimmter Draht Strom leitet und meinem Gegenüber dazu sagen würde, dass er dumm sei, dann würde aus dieser Bemerkung natürlich keinesfalls logisch folgen, dass der Draht Strom leitet.
In diesem einfachen Fall ist das ganz einfach zu sehen, oft wird es jedoch übersehen, so dass nicht wenige meinen, durch persönliche Angriffe eine Diskussion für sich entscheiden zu können.
Logisch gesehen handelt es sich bei solch einem “Argument” jedoch um einen Fehlschluss. (Da solche Äußerungen darüber hinaus den anderen abwerten und provozieren, sind sie im Interesse einer sachlichen und respektvollen Diskussion zu vermdeiden.)
Es gibt natürlich Situationen, in denen es gerechtfertigt ist, den anderen als Person “anzugreifen”, etwa wenn jemand ständig nur völlig absurdes Zeug von sich gibt in der offensichtlichen Absicht, andere zu provozieren, oder wenn jemand ganz offensichtlich von einem Thema nicht die geringste Ahnung hat, sich aber ständig auf seine außerordentliche Kompetenz beruft. Hier kann man dann auch ein klares Wort sprechen. Man sollte jedoch auch dann korrekt sein; und vor allem sollte man extrem sparsam mit Argumenten gegen die Person sein und in aller Regel möglichst auf sie verzichten.
- Unterstellungen vermeiden
Ein Spezialfall des gerade besprochenen “argumenum ad hominem” wäre die Unterstellung. Beispiel: “Klar, dass die Pharma-Industrie behauptet, dass das Medikamment XY sicher ist; die will ja Geld verdienen!” Und unausgesprochen meint man damit auch: "Medikament XY ist in Wahrheit nämlich sehrwohl gefährlich!"
Das Problem ist hier: Das kann sein, muss aber nicht sein. Logisch gesehen wird hier implizit folgende Prämisse als wahr angenommen: “Wenn jemand etwas behauptet, was mit seinen wirtschaftlichen Interessen im Einklang steht, dann muss seine Behauptung notwendig falsch sein.” Das ist natürlich unsinnig, und deshalb ist dieses Argument auch ein Fehlschluss und somit ungültig. Es ist also nicht zulässig, eine These mit unbewiesenen Unterstellungen zu begründen.
Etwas ganz anderes ist es natürlich, wenn man überzeugende Sachargumente dafür hat, dass ein Medikement gefährlich ist, und diese Argumente auch allgemein bekannt sind. Daraus kann man dann auf die Geährlichkeit des Medikaments schließen, und auch darauf, dass die Pharma-Industrie ziemlich wahrscheinlich tatsächlich aus Profit-Gründen Gefahren kleinredet.
- Sachlichkeit im engeren Sinne
Sachlichkeit bedeutet, dass man sich auf die zur Debatte stehende Sache und auf die für die relevanten Sachverhalte konzentriert. Allgemeiner lässt sich sagen, dass man während einer Diskussion nichts vorbringen sollte, was für die Sache nicht relevant ist (wie beispielsweise Beleidigungen oder Argumete zu ganz anderen Themen). Nicht immer lässt sich das aber durchhalten, wie gerade unter 3. gesagt wurde. Insbesondere, wenn der andere unsachlich wird, darf man ihn natürlich hierauf aufmerksam machen und ihn bitten, zur Sachlchkeit zurückzukehren. Eine Meta-Diskussion - also eine Diskussion über die Diskussion - ist manchmal sinnvoll und sogar notwendig, obwohl es bei ihr nicht um die Sache selbst geht, sondern um das Diskutieren.
Und natürlich kann man ein Thema auch erweitern oder die Diskussion auf ein anderes Thema lenken; aber das sollte dann bewusst geschehen, und es sollte nicht zu einer falschen Vermischung kommen, wo man dann mit Argumenten für These 1 streitet, die in Wahrheit zu These 2 passen und umgekehrt.
- Argumentieren
Es ist natürlich legitim, dass man bei einer Debatte nicht argumentiert, sondern einfach nur seine Meinung kundtut. Allerdings sollte man dann von anderen nicht erwarten, dass sie die eigene Meinung als überzeugend begründet ansehen und als wahr anerkennen. Insbesondere dann, wenn bereits eine Sachdiskussion im Gange ist und verschiedene Argumente genannt wurden, sollte man sich überlegen, ob man seine Meinung ohne Argumente kundtun will.
Vor allem kann jedenfalls eine bloße Meinung oder Behauptung nicht gegen Argumente betstehen. Man sollte nicht versuchen, gegen eine These, die sachlich begründet wird, einfach dadurch anzugehen, dass man das Gegenteil nur behauptet, ohne seinerseits zu argumentieren oder die Argumente der Gegenseite sachlich zu kritisieren. Es ist unangenehm, wenn man lang und breit für etwas argumentiert und der andere dann nichts weiter zu sagen hat als: "Nein, Du hast unrecht, ich hab recht!"
Vorischt aber: Manche Argumente sehen nicht wie Argumente aus, sind aber dennoch gültig. Das kann etwa daran liegen, dass einfach ein Teil nur implizit mitgedacht, aber nicht ausgesprochen wird. Oder eine Behauptung ist aus sich derart offensichtlich, dass sie nicht weiter begründet werden muss oder nicht einmal weiter begründet werden kann. Auch dann ist sie ein Argument.
- Quellen und direkte Beweise
In einigen Fällen muss man für ein überzeugendes Argument Quellen nennen. Wenn jemand beispielsweise behauptet, dass ein Promi dies oder jenes getan hat, dann sollte er in der Lage sein, beispielsweise seriöse Presseberichte oder andere glaubhafte Quellen anzugeben; natürlich nur dann, wenn das nicht allgemein bekannt ist.
Manchmal sind Quellenangaben aber auch nicht notwendig oder auch nur möglich, sondern das Argument sollte in einem direkten Sachbeweis bestehen. Dass die Innenwinkelsumme des Dreiecks aus 180 Grad besteht, kann woh nahezu jedem durch einen einfachen mathemstischen Beweis demonstriert werden, was auch bereits früh im Geometrie-Unterricht getan wird. Es ist nicht angemessen, hier auf betimmte Lehrbücher der Mathematik als “Quellen” zu verweisen. Wenn also jemand gültig einen direkten Beweis erbringt, dann ist es unsinnig, ihm vorzuwerfen, dass er keinen Quellen anführe (was allerdings manchmal geschieht).
- Argument aus der Autorität
Es kann vorkommen, dass jemand keine sachlich überzeugenden Argumente angeben ann, sondern sich nur auf sein überlegenes Wissen zu berufen vermag. Dieses Argument kann gültig sein, beispielsweise wenn ein Physiker eine Behauptung aufstellt, deren Begründung ein jahrelanges Studium voraussetzen würde. Ob das Autoritätsargument aber subjektiv überzeugt, hängt von den genaueren Umständen ab. Wenn alle Physiker der Welt etwas behaupten, ist das glaubwürdiger als wenn irgendein Forenmitglied etwas sagt. Die persönliche Glaubwürdigkeit und fachliche Kompetenz der “Autorität” sind in solchen Fällen naheleigende Kriterien der Beurteilung. In manchen Fällen ist es das Beste zuzugestehen, dass man die Gültigkeit eines Arguments nicht beurteilen kann und sich eines Urteils zu enthalten möchte. Natürlich sollte man als Argumentierender versuchen, Autoritätsargumente zu vermeiden oder durch andere zu ergänzen, oder, falls das nicht möglich ist, sie so überzeugend wie möglich zu begründen; machmal geht das aber nur sehr beschränkt.
- Gültigkeit vs. subjektive Überzeugungskraft
Ein Argument kann gültig sein, ohne dass es jedem einsichtig wäre. Man denke etwa an Beweise der höheren Mathematik. In einigen Fällen ist es also das Beste, etwas einfach zu galuben (etwa wenn alle Experten etwas einstimmig glaubhaft versichern). Manchmal ist es hingegen wie gesagt das Beste, sich eines Urteils zu enthalten. In solchen Fällen solte man zwar das Argument des anderen nicht akzeptieren, ihm aber auch nicht ohne Weiteres vorwerfen, dass er nicht gültig argumentiert. Denn dieser Vorwurf wird dann manchmal erhoben, und er kann unbegründet sein.
- Unnötigkeit von Argumenten
In einigen Fällen ist es deswegen nicht nötig, zu argumentieren, weil die behaupteten Sachverhalte offensichtlich wahr, allgemein bekannt oder von allen Seiten akzsptiert sind. Dass Spanien an Frankreich grenzt, braucht man in einer Diskussion unter normalen Mitteleuropäern nicht erst zu beweisen; es kann vorausgesetzt werden.
- Beweislast
Wenn eine These umstritten ist und es auf den ersten Blick keinen besonderen Grund gibt, sie als wahr zu akzeptieren, dann trägt derjenige die Beweislast, der sie als wahr behauptet (vorausgesetzt, er will nicht nur seine Meinung kundtun, sondern andere überzeugen oder seine These als begründet darstellen). Daraus folgt aber nicht allgemeingültig, dass derjenige, der die These abstreitet, keine Beweislast trüge. Dieser Irrtum ist immer wieder anzutreffen. Vielmehr tragen prinzipiell erst mal beide Beweislast: Der eine für die Behauptung, dass die fragliche These gilt, der andere für die Behauptung, dass sie nicht gilt. Nur wer eine dritte Position einnimmt und sich aufgrund von noch nicht vorliegenden Beweisen eines Urteils enthält, ist frei von Beweislast.
Beispiel: Nehemn wir an, ich sehe ein Kaninchen und weiß nicht, ob es männlich oder weiblich ist. Dann habe ich keinen besonderen Grund zur Annahme, dass es männlich ist;ich habe aber auch keinen besonderen grund zur gegenteiligen Annahme, nämlich dass es nicht-männlich (also weiblich) ist. Guten Grund habe ich hingegen für die Aussag, dass beides mögliich und etwa gleich wahrscheinlich ist.
(Siehe einschränkend aber 13.)
- Argument der Unwissenheit
Grundsätzlich darf man nicht daraus, dass man etwas nicht kennt, schließen, dass es das nicht gibt. Das tun allerdings viele. Immer wieder kommt es vor, dass absolut vernünftige Aussagen oder vollkommen gültige Argumente von einigen Personen als “Nonsens”, “Phrasendrescherei” und ähnliches verschriehen werden, wenn besagte Personen die Aussagen oder Beweise schlichtweg nicht verstehen. (Oft werden sie dabei auch noch aggressiv, ausfallend und beleidigend.) Dies ist aber ein Fehlschluss, denn dahinter steht offenbar die Annahme: “Was ich nicht gleich verstehe, das muss blöd sein.” Das ist aber natürlich Unsinn. Dieser Fehler wird leider immer wieder gemacht und ist sehr lästig, eben weil er oft mit Unsachlichkeit einhergeht. (Zur Diskussionsfähigkeit gehört auch, dass man es ertragen kann, mal etwas nicht zu verstehen oder im Unrecht zu sein, was ja jedem passieren kann.)
- Beweis durch fehlenden Gegenbeweis
Ungeachtet des unter 11. Gesagten kann man in einigen Fällen daraus, dass man etwas nicht weiß, darauf schließen, dass etwas wahrscheinlich auch nicht der Fall ist. Das gilt dann, wenn eine Behauptung erst einmal als unwahrscheinlich gilt und sich keine Argumente für sie finden lassen. Wenn es etwa keine überzegenden Gründe für die Annahme gibt, dass eine Sache existiert, dann darf man es als wahrscheinlich ansehen, dass diese Sache tatsächlich nicht existiert. (Nach Meinung der meisten Physiker trifft das beispielsweise auf den Äther zu.) Es gilt außerdem, dass der, der die Existenz einer Sache behaupten möchte, dann die Beweislast trägt, nicht aber der, der die Existenz als unwahrscheinlich zurückweist.
Doch Vorsicht! Auch durchaus diskussionsfähige Zeitgenossen folgern mitunter in diesem Spezialfall aus der Tatsache, dass sie für die Existenz einer Sache keine Argumente kennen, dass es keine Argumente gibt. Dass ist aber ein Fehlschluss. Denn auch wenn diejenigen, die die Existenz behaupten, die Beweislast tragen, muss man erst prüfen, ob diese Leute nicht tatsächlich Beweise vorgelegt haben, bevor man behauptet, dass es keine Argumente gibt und daraus die Nicht-Existenz besagter Sache schlussfolgert.
- Argumente des anderen richtig verstehen (wollen)
Leider kommte es immer wieder vor, dass die Argumente des anderen absichtlich oder unabsichtlich missverstanden werden. Dabei wird aus dem Argument des Kontrahenten etwas geschlussfolgert wird, was vielleicht aus dem Argument folgt oder auch nicht, worauf der andere aber überhaupt nicht hinauswill. Dadurch wird das gegnerische Argument unredlich “abgebogen”. Dies ist deswegen möglich, weil Argumente gewöhnlich “verkürzt” verbalisiert werden und daher im Geiste ergänzt werden müssen (siehe 3.). Sie sollten dabei unbedingt “richtig” ergänzt werden, so wie sie offensichtlich gemeint sind.
Beispiel: Der frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor von und zu Guttenberg geriet unter öffentlichen Druck, weil er große Teile seiner Dissertation abgeschrieben hatte. Immer wieder war zu seiner Rechtfertigung zu hören, dass man auch ohne Doktor-Titel ein guter Verteidigungsminister sein könne. Die Bundeskanzlerin Angela Merken äußerte sogar, sie habe Guttenberg schließlich als Minister und nicht als wissenschaftlichen Assistenten berufen.
Es ist klar, dass hier die Argumentation der Guttenberg-Kritiker völlig sinnentstellt wurde. Denn die wollten natürlich darauf hinaus, dass Guttenberg ein akademischer Hochstapler sei und deswegen charakterlich für sein Amt ungeeeignet sei; und nicht darauf, dass man als Verteidigungsminister ein Dorktor sein müsse. (Dieses Beispiel zeigt übrigens, wie auch in der Öffentlichkeit unsachgemäßes Argumentieren “salonfähig” ist.)
- Sich informieren, bevor man urteilt
Selbstverständlich kann jemand auch zu einem Thema eine Meinung haben, von dem er wenig Ahnung hat. Er sollte dann aber so nett sein, seine Meinung auch als eine vorläufige Ansicht und Vermutung darzustellen, und nichtr als sichere Tatsache. Leider geschieht es aber oft anders. In vielen Fällen wäre es dabei sogar leicht, sich durch eine kurze Recherche wenigstens in etwa zu informieren.
Es ist ärgerlich, wenn jemand ohne jedes Wissen zur Sache irgendeine unsinnige, nachweislich falsche Behauptung von sich gibt und diese als feste und sichere Tatsache darstellt. Noch ärgerlicher ist es, wenn das gegenüber jemandem getan wird, der etwas von dem entsprechenden Thema versteht. Dabei kommt es aber immer wieder sogar vor, dqass derjenige, der wirklich etwas vom Thema versteht, von einem völlig Unwissenden als ahnungslos und inkompetent hingestellt wird. Zu einer fairen Diskussion gehört auch das Bewusstsein, nicht allwissend zu sein. Oder anders formuliert: Nur weil ich ich bin, folgt daraus noch nicht, dass ich alles besser als der Rest der Welt weiß.
- Nachdenken, bevor man etwas schreibt
Nicht immer muss man etwas gründlich durchdacht haben. Aber es wäre schon gut, wenn man wenigstens mal kurz über etwas nachdenkt, bevor man es schreibt oder sagt. Das scheint aber oft nicht zu geschehen, wenn bedacht wird, was alles so zu hörenund lesen ist.
- Kein Triumphalismus
Wenn es einem gelingt, zu erweisen, dass man selbst recht und der andere unrecht hatte, so ist Triumphalismus fehl am Platze. Jeder hat mal recht, und das ist kein Grund, auf die Pauke zu hauen. Und jeder irrt sich einmal, und das ist nicht schlimm. Schlimm ist es nur, wenn man nicht respektvoll und sachlich diskutieren kann.
- Der Wahrheit die Ehre geben
Wenn man merkt, dass der andere recht hat, dann sollte man die Wahrheit anerkennen. Einfach etwas gegen bessere Einsicht abzustreiten, weil man es nicht erträgt, einmal Unrecht zu haben, ist schlichtweg unehrlich und unredlich. Und es ist schon deswegen unfair, wil man ja auch von anderen erwartet, dass sie auch wahrhaftig genug sind, die Wahrheit nicht gegen besseree Wissen zu leugnen. Wenn man nicht zu dieser Ehrlichkeit bereit ist, dann belügt man im Grunde erst mal sich selbst - und disqaualifiziert sich für entszunehmende und faire Diskussionen.
- Zirkelschlüsse vermeiden
Eine zirkuläre Argumentation liegt dann vor, wenn eine These mit einem Beweis gestützt werden soll, der bereits voraussetzt, dass die These erwiesen und akzeptiert ist.
Beispiel: “Alles, was in der Bibel steht, ist wah. (These). Wir wissen das, weil es in der Bibel steht (Argument/Beweis).”
Dieses Beispiel dürfte aber wohl selten so zu finden sein, da es zu offensichtlich ist. Gefährlicher sind versteckte Zirkelschlüsse, bei denen beispielsweise die Begriffe im Argument und der These unterschiedlich sind, aber dasselbe bedeuten.
Beispiel nach Lenhard:
“Es ist erwiesen, dass Asbest eine karzinogene Substanz ist.
Alle karzinogenen Substanzen verursachen Krebs.
Also: Es ist erwiesen, dass Asbest Krebs verursacht.”
(“Karzinogen” und "krebsverursachend sind Synonyme, also Wörter mit derselen Bedeutung!)
Oder die zirkuläre Struktur ist auf andere Weise verborgen, beispielsweise, indem das Argument die zu beweisende These nicht explizit beinhaltet, wohl aber auf bestimmte Weise voraussetzt.
Beispiel nach Lenhard:
“Die Bibel ist Gottes Wort.
Gott ist allwissend und belügt die Menschen nicht.
Die Bibel sagt, dass Gott existiert.
Also: Gott existiert.”
Dass die Bibel das Wort Gottes ist, setzt bereits voraus, dass es gott gibt; diese Aussage, dass die Bibel Gottes Wort ist, wird man also nur akzeptieren, wenn man bereits (unter anderem!) glaubt, dass Gott existiert.
Oder auch (Beispiel nach Lenhard):
“Ein Stierkämpfer sollte ein Mann sein. Deshalb
sollten Frauen nicht am Stierkampf teilnehmen.”
Für Zirkelschlüsse gilt allgemein: Sie können einen nur dann überzeugen, wenn man ohnehin bereits überzeugt ist; sie sind somit argumentationnstheoretisch ungültig.
- Keine falschen Zirkel unterstellen
Oftmals wird dem anderen vorgeworfen, er argumentiere zirkulär, wenn dies gar nicht stimmt. So begründet jemand seine Behauptung vielleicht nicht hinreichend; aber das ist noch kein Zirkelschluss, sondern einfach eine schlechte Begründung. Ebenfalls kein Zirkel ist der Schluss auf die beste Erklärung (Abduktion). Beispiel:
“XY, der gesund ist, lallt und torkelt, so wie es ein Betrunkener tut. [Unausgesprochen, aber hinzugedacht: Die beste Erklärung für dieses Verhalten ist, dass XY betrunken ist.]” (Argument). Also ist er vermutlich betrunken." (These)
Manche sagen, dass dies zirkulär sei, weil man daraus, dass jemand lallt und torkelt, schlussfolgert, dass er vermutlich betrunken ist; und weil man andererseits mit der Betrunkenheit erklärt, wieso diese bestimmte Person lallt und torkelt.
Das ist jedoch keineswegs eine unerlaubte Zirkularität, sondern ein korrekter abduktiver Schluss: man schlussfolgert von einer Tatsache auf die korrekte Erklärung, und das geschieht ständig. (Ein echter Zirkelschluss hingegen ginge etwa so: “XY torkelt und lallt. Wir schließen daraus, dass er stark betrunken ist. Dass er aber tatsächlich lallt und torkelt, schließen wir daraus, dass er betrunken ist.”)
Natürlich werden in solch offensichtlichen Fällen keine nicht-existenten Zirkel unterstellt, aber sehrwohl in weniger offensichtlichen Fällen mit derselben logischen Struktur, bei denen es aber ebenfalls ungerechtfertigt ist. Dies geschieht gewöhnlich kaum mit böser Absicht, sondern aus Versehen.
To be continued…