Akademiker

Hallo, wertes Forum.
Heute habe ich über Bilbblogs 6 vor 9 Kategorie dieses interessante Video eines ehem. Philosophiestudenten der Universität Wien gesehen:

[video]https://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=QaSkouvCWoU#![/video]

Da ich selbst Philosophiestudent bin hat mich das sehr interessiert.
Vorneweg: Bestimmte Beleidigungen seinerseits sind leider sehr schade, aber - wie ich finde - verständlich auf den immensen Druck durch die (zwar selbst bestellten) Kameras und die dauernden “Gehen Sie jetzt!” Zwischenrufe.
Philosophisch gesehen kein wirklich neuer Erkenntnisgewinn, aber eine Debatte, die dieses Fach leider sehr braucht, aber das nur nebenher. Denn ich muss sagen, als Kunstprojekt finde ich das eigentlich sehr zu würdigen, auch wenn das Video natürlich hemmungslose Selbstinszenierung ist, so viel muss klar sein.
Ich kann die Arbeitsweise der Uni Wien nicht wirklich beurteilen, habe dort ja auch nie studiert, tendentiell habe ich aber ein ähnliches Gefühl. Du schreibst eine Bachelor-Arbeit, du schreibst eine Master-Arbeit und wenn du das falsche Studienfach (aka Philosophie aber auch Kunstgeschichte usw.) hast, dann bist du am Arsch. Deine Arbeiten interessieren - Hand aufs Herz - ohnehin keine Sau, im Zweifel wie er sagt nichtmal einen selbst.
Jetzt ist seine Position zwar sehr auf die Philosophie, allen vorran auf die Ethik bezogen (und der Afrika-Einwurf war nun wirklich Populismus pur), aber im Grunde hat er Recht und eine wichtige Debatte angestoßen, wie ich finde.

  1. Akademiker befinden sich im Prinzip in einer einzigen Filterbubble, abgeschirmt von der Realität, und denken ein wenig vor sich hin. Das kommt hier gerade übrigens selbst von jemandem, der später Akademiker sein wird.
  2. An der Uni lernst du meistens, Theorien anderer Leute nachzuvollziehen. An meiner Universität, die aber auch etwas kleiner ist (Osnabrück), werden zwar auch eigene Ideen ermutigt, aber im Allgemeinen ist es tatsächlich so, dass wir ganz entgegen der Kant’schen Definition (oh Gott ich fang auch schon an) leider doch Gedanken lernen, anstatt Denken zu lernen.

Der Abschluss als Akademiker soll einen prinzipiell qualifizieren und auszeichnen für eine bestimmte, geistige Leistung, die man erbracht hat. Diese Leistung ist aber mittlerweile Fließbandarbeit geworden. Du produzierst Hausarbeiten (die nun wirklich 0 Erkenntnisgewinn bringen), Bachelorarbeiten (auch nur Reproduktion) und ne Masterarbeit (in den seltensten Fällen was Eigenständiges, schon allein weil vielen der Mut fehlt). Am Ehesten kann man wirklich erst bei ner Diss oder ner Habil anfangen, von eigenständig erbrachter Leistung zu reden, aber selbst da selten genug.
Ich erwarte nicht, dass jeder Absolvent direkt mit neuen Ontologischen Thesen oder anderen neuen Theorien in ihren eigenen Fachbereichen kommen. Aber eigenes Denken wird an der Universität leider wirklich viel zu klein geschrieben.

Was haltet ihr davon? Ich konnte jetzt nur von meinem Fachbereich sprechen, aber hier ist natürlich auch alles außerhalb der Philosophie erlaubt, auch wenn der Mann Philosophie-Absolvent war.

Jetzt bin ich weder Student noch Akademiker, insofern nicht optimal Qualifiziert :wink:

  1. Ich hätte ihn gerne 5 Minutenlang zugehört um zu Erfahren was er glaubt zu sagen zu haben.
  2. Ich finde die Reaktion des Puplikums enttäuschend, es scheint ihm ja recht zu geben das im vorauseilenden Angepasstsein er weggebrüllt werden soll (obwohl der Prof es ja hinnimmt), oder sie fühlten sich in ihrer Akademikerehre gekrängt.
  3. Ich wohne direkt an einem Studentendorf mit vielen freunden dran und da gibt es 2 arten von lernenden, diejenigen die es spannend finden etwas zu lernen und lernen überprüfen wollen ob das was andere „schlaue“ Leute vor ihnen gedacht haben stimmt und diejenigen die es geil finden schlau zu wirken und mit Zitaten und Latein um sich schmeissen weil sie es so gut auswendig gelernt haben (viele auch hier im Forum) :wink:
  4. Die Kritik am Bildungswesen (die gleichen Probleme gibt es auf allen ebenen) und der Bildungselite trifft es so kurz es auch ist ganz gut, wer angepasst ist und vorgeformtes Wissen auswendig aufsagen kann ist gut, wer nachfragt oder selber denkt hat Probleme.
  5. Deinen Satz mit der Filterbubble mag ich und triftt auch bei vielen den Kern.
  6. Mag sein das er Arrogant rüberkommt aber ich glaube er sucht wirklich Antworten auf fragen, schade das sie ihm dort keiner beantworten kann.
  7. Das Afrika ding ist Populismus aber nunmal ein totschlagargument, wir haben so viele Gebildete scheinbar auch schlaue Leute im Land, nur irgendwie kommt dabei zu wenig „Weltverbeserndes“ (doofes Wort aber es kürzt einige Sätze ab) bei raus :wink:
  8. Das blödeste ist wenn sich Leute hinter ihrer scheinbaren Bildung verstecken und mit den Gedanken toter Leute Diskussionen umgehen wollen.

Hi Ladifari, ich finde deine Punkte gut. Nach kurzem Überlegen ist mir eigentlich aufgefallen, dass man das im Prinzip (mit ein paar Abschwächungen) auch auf das Schulsystem - zumindest hier in Deutschland - übertragen kann. In meiner Schule zumindest wurden nur Theorien von irgendwelchen hohen Menschen durchgenommen, eigene Beiträge waren ziemlich unerwünscht. Meine Deutschlehrerin der Oberstufe hat in der 13 (also kurz vorm Abitur) sogar mal noch zu uns gesagt, ihre Meinung sei mehr wert als unsere, weil sie das Fach studiert hat und wir ja nur dumme Schüler seien.

  1. Besonders da die Vorlesung meines Wissens nach sogar „Antiakademisches Philosophieren“ hieß, ist es eigentlich totale Ironie, dass die Studenten da sitzen und es nicht höhren wollen. Das ist mir zumindest bei den Älteren ein wenig aufgefallen, ich hatte den Eindruck, dass die Jüngeren ein wenig aufgeschlossener waren, obwohl es auch Zwischenrufe von jungen Männern gab, soweit ich gehört habe. Das bringt das ganze auf eine total ironische Ebene, im Endeffekt hat das ganze denke ich (gab ja auch Schnitte in dem Video) ca. eine Viertelstunde gedauert, also definitiv nicht übermäßig!
  2. Die Reaktion des Publikums spricht Bände für die Weltferne der Studenten.
  3. Deine Unterscheidung triffts schon relativ gut, aber ich würde noch eine Kategorie einführen (ohje, das gibt Haue):
    a) Die Studenten, die interessiert sind, lernen wollen und sich weiterbilden wollen (Und es ist ja an sich nichts schlechtes, Theorien anderer lernen zu wollen, um darauf aufbauend eigene Theorien zu entwickeln)
    b) Die Studenten, die sich nur mit oberflächlichen Fachkenntnissen profilieren wollen
    c) Lehramtsstudenten, die das Studium nur als nervigen Weg betrachten, dass man sie endlich auf die Kinder loslässt, und die fachlich keine Ahnung haben (davon sind mir echt schon zu viele über den Weg gelaufen und das sehen sogar einige Professoren von mir so)
  • Von daher finde ich das sehr schade, besonders da damit das Student-Sein ziemlich untergraben wird.
  1. Angepasst-Sein trifft man an der Uni tatsächlich weniger, ich hab hier schon wirklich einige Querschießer getroffen, v.A. in der Philosophie, das muss ich tatsächlich zugestehen, aber auch hier ist ein enormer Anpassungsdruck, insbesondere an bestimmte Theorien.
  2. Danke. :slight_smile:
  3. Ja mit der Philosophie ist das so eine Sache. In meiner Einführungsveranstaltung zur Philosophie hat unser Studiendekan sogar gesagt: „Wenn Ihr Antworten sucht, seid ihr hier falsch, hier findet ihr nur mehr Fragen“, insofern war das von ihm sogar ein wenig blauäugig, aber das zeigt eigentlich nur, wie Recht er hat.
  4. Das Afrika-Ding ist auch insofern Populismus, weil es durchaus verschiedene praxisorientierte Ansätze gibt, wie man die Probleme weniger schlimm machen könnte. Es liegt aber nicht nur an uns Akademikern, die Theorien umzusetze, sondern auch an internationaler Politik, die das umsetzen müsste. Insofern ist der Satz ein wenig unschön, aber mein Gott.
  5. Das stimmt. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass es nichts schlimmes ist, wenn man sich mit den Gedanken anderer befasst, aber bitte kritisch und immer auf der Suche nach Gegenargumenten und das möglicherweise auch mit dem Ziel, eigene Theorien aufzubauen. Ein Kommilitone von mir hat es unfreiwillig auf den Punkt gebracht, als er einmal zu einem Freund von mir nach einer Veranstaltung im 1. Semester sagte: „Du kannst doch nicht als Erstsemestler Kant kritisieren, das geht doch nicht“ - sprich: Da ist ein totaler Autoritätsglaube da, ein Totschlagargument. Und das unterwandert dann das gesamte akademische System, das eigentlich darauf ausgerichtet sein sollte, dass man es kann.

Ohne mich jetzt tiefer in die Diskussion einzumischen, gebe ich dem Mann zu 100% recht. Er hat, wie man so schön sagt, den Nagel auf den Kopf getroffen. Und die Reaktionen der Studenten sind mehr als Entlarvend.

Der Mann ist gut. Er hat völlig Recht meiner Meinung nach. Dass man mehr reproduziert und auswendig lernt ist echt an jedem Fach so an der Uni, aber gerade in einem Fach wie Philosophie ist das ja ganz besonders bitter.

Irgendwie erinnert mich das sehr stark an Kryptologie. Einige Systeme kannte ich schon im Vorfeld (wer hat noch nie etwas von Engima gehört? :wink: ), aber innerhalb meines - leider zu kurzen - Kryptologiekurses, habe ich viele neue kennengelernt. Es waren Menschen, die aus verschiedenen Gründen Verschlüsselungen entwickelt hatten und die ganze Materie dahinter zu beleuchten war eine spaßige Angelegenheit.
Jedenfalls hat es nicht damit aufgehört. Es gehörte zu diesem Kursus sich selbst Gedanken über Verschlüsselungen zu machen. Wir wurden also dazu angestiftet kreativ zu sein. Welche Schwächen hat eine mögliche Verschlüsselung? Wie aufwendig darf sie sein? Damit mussten wir uns beschäftigen. :smiley:

Also warum nur in der Theorie verhangen, wenn doch gerade die Praxis so viel Spaß macht?
Bei Kryptologie ist das wichtig, um eventuell ein Grundgefühl zu entwickeln, worauf es ankommt. ich stelle mir das bei Philosophie sogar noch wichtiger vor. Genau genommen erwarte ich das sogar wenn ich das Wort Philosoph höre. Da steckt doch schon im Namen.

Trotz dass auch ich dem Mann größtenteils Recht gebe möchte ich doch zu bedenken geben, dass man seine Aktion nicht unkritisch hinterfragt. Der Kerl hat ein aufwendiges Ton- und Kamerateam dabei, und von seiner Seite aus wirkt es sehr sehr inszeniert. Das sollte man nicht einfach so stehen lassen, sondern auch überlegen, welche Interessen, beispielsweise persönliche Aufmerksamkeit, er dabei verfolgt.
Dennoch, @BlackRaptor, ich wünschte, es wäre so, wie du es beschreibst: Dass man eigene Theorien entwickelt und zu falsifizieren versucht, aber das kommt leider selten genug vor, eigentlich allenfalls in Hobby-Gespräche, auch wenn Aufbaumodule definitiv darauf angewiesen sind, dass man eigenständig arbeiten und denken kann. Aber Philosoph bedeutet eigentlich griechisch nichts weiter als “Liebhaber des Wissens”, und viele Leute sehen das so, dass sie ganz viel wissen, sprich alte Theorien, kennen müssen, mehr nicht.
Dennoch möchte ich auch eine gewisse Lanze für Studenten brechen, denn ich erlebe die extrem engagiert; Gegen Flüchtlingslager, gegen Diskriminierung, sehr viele Proteste, Aktionen, Greenpeace, Menschenrechtsorganisationen, da geht hier schon ganz gut was. Aber einigen geht leider wirklich etwas ab.

Ich habe das Gefühl, dass er einige sehr unterschiedliche Punkte anspricht, die er an der Philosophie an zeitgenössischen Universitäten kritisiert, wobei mir bisher nur zwei davon zu identifizieren gelungen sind.

„Wie lächerlich ist doch die Annahme, dass wir durch Abschreiben aus irgendwelchen Büchern den Status einer objektiven Wissenschaftlichkeit erreichen können. Und noch viel lächerlicher, dass wir das überhaupt wollen.“ - „Wir sollten uns eingestehen, dass wir als Akademiker absolut das Gegenteil von Freidenkern sind. Wir sind die am besten angepassten Staatsbürger. Absolute Profis im Wiederholen von bereits Gesagtem.“

So wie ich das sehe, bemängelt er, dass die Philosophie im zeitgenössischen Bildungssystem zu einer stagnierenden, unkreativen Übung des Wiederholens verkommen ist, die jeglichen wissenschaftlichen oder freidenkenden Charakter entbehrt.
Meiner Meinung nach hat er damit in der Praxis teilweise Recht und ich kann seine Frustration sehr gut nachvollziehen. Wobei ich glaube, dass dies nicht unbedingt etwas mit der Philosophie als Wissenschaft zu tun hat, sondern eher ein strukturellen Problem der Industriegesellschaften ist. Der Punkt ist, dass höhere Bildung heutzutage ein Massengut ist. Universitäten werden wie Unternehmen geführt. Das führt dazu, dass die Ansprüche an Philosophiestudenten derart heruntergeschraubt werden, dass ein Minimum an eigenen Gedanken ausreicht, um den begehrten Abschluss zu erhalten. Quantität statt Qualität lautet die Devise. Wirklich einschlägige Beiträge zu jedweiger Wissenschaft sind sehr selten, da sehr schwierig, salopp ausgedrückt, und nur wenigen vorbehalten.
Dennoch ist die Universität natürlich auch der Ort, an dem neue Ideen und eigene Gedanken geboren und veröffentlicht werden. Er sagte ja auch, dass er in seiner Doktorarbeit nun einem anderen Weg folge und nicht mehr abschreiben würde. Warum ist er also so frustriert? Wird dies etwa nicht von seinem Doktorvater bzw. in der Fachwelt akzeptiert? Das wäre in der Tat sehr tragisch und zu bemängeln. Leider lässt er sich nicht wirklich darüber aus.

„Wir sollten uns ehrlich sein, wir lösen auf der Universität keine ethischen Probleme. Wie kann es (…) sein, dass alle 5 Sekunden ein unter 10-jähriges Kind an Hunger stirbt, während wir genug Lebensmittel für 12 Milliarden Menschen produzieren.“

Die Philosophie ist entkoppelt von der Realität und trägt nur extrem bedingt zur Lösung von realen Problemen der Welt bei. Er hat ja vollkommen Recht damit, nur:
Es hätte ihm vielleicht vorher klar sein müssen, dass Philosophie die wohl unpragmatischste Wissenschaft ist, die es gibt. Wenn er ethische Probleme lösen und Menschen vor dem Hungertod retten möchte, was ich sehr löblich finde, hätte er sich vielleicht eine andere berufliche bzw. Lebens-Laufbahn aussuchen müssen. Grundsätzlich kann die Philosophie ja nur „Empfehlungen“ aussprechen im Sinne von „Wenn Menschen trotz des relativen Wohlstandes, der auf der Erde herrscht, verhungern, ist das schlecht.“, was sie ja meines Wissens auch tut. Insofern kann ich seinen Kritikpunkt hier nicht wirklich nachvollziehen.

„Das, was wir alle machen, ist Müll, es ist Scheiße.“

Er hilft sich leider nicht wirklich selber dadurch, dass er ins Unsachliche abgleitet. Dafür hat er auch das falsche Publikum. Schade eigentlich, denn ich finde seine Aktion durchaus mutig und sinnvoll.

Interessant ist es allemal, aber ich würde sagen er verlangt einfach zuviel.

Das man sich als Student erst einmal durch haufenweise Theorien durcharbeiten muss ist durchaus sinnvoll, ansonsten wäre jede weitere Diskussion nichts weiter als Stammtisch auf hohem Niveau. Wenn wir nicht lernen müssten was vorher schon war, dann würde jeder Depp irgendeine Theorie aufstellen die schon hunderte Jahre alt ist und er wäre trotzdem superstolz auf seine tolle Leistung. (Im Internet darfst du nicht einmal einen zwei Stunden alten Witz erzählen ohne das dir jemand vorhält das es geklaut oder uralt wäre)

Es gibt ein größeres Problem dabei wenn man all die alten Theorien durchkaut. Man wird irgendwann Betriebsblind. Das ist es was Studenten vermeiden müssen, sie dürfen sich nicht von den klassischen Mustern beherrschen lassen. Erlernen ja, aber sie müssen in der Lage sein außerhalb der vorgegebenen Denkmuster zu arbeiten und das ist tatsächlich eine schwere Aufgabe.

Oder wie es einige meiner Dozenten sagen: Bis ihr euren Doktortitel habt müsst ihr machen was andere von euch wollen. Sobald ihr den Titel habt, könnt ihr schreiben was ihr wollt. <<< Das stimmt so kurz natürlich nicht, aber im Prinzip ist es nur eine Abwandlung eines altbekannten Spruchs.

“Lehrjahre sind keine Herrenjahre.” Und die Lehrjahre für einen Studenten sind natürlich ungleich länger als für jemand anderen.
Das bedeutet natürlich nicht das man seinen Dozenten nach dem Mund reden sollte, ich kenne aber auch nur sehr wenige Dozenten die das wollen. Problematisch wird es halt wenn die Argumente die du anbringst zu schwach oder schlicht und ergreifend falsch sind. Aber da darf ein Dozent auch zu Recht gegen halten.

Nun zu Ladifaris Aufzählung:

  1. Ich weiß nicht ob da so viel bei rumgekommen wäre, wenn er noch länger geredet hätte. Aber das Verhalten der Zuschauer ist trotzdem so nicht in Ordnung. Er hat zumindest zu Beginn versucht zu diskutieren, da hätte man auch entsprechend reagieren sollen. Immerhin gibt es Argumente gegen seine Ansichten. (siehe oben)
  2. siehe Antwort zu 1
  3. würde mich der Meinung von Mr.Morizon anschließen, den Lehramtstudenten aber ausweiten auf einen: “Ich studiere nur für den Abschluß Typ” <<< es sind nicht nur Lehramtstudenten die das Studium als qualvolle Notwendigkeit für das Ziel betrachten.
  4. Das greift meiner Meinung nach zu kurz. Man kann schon versuchen neue Theorien aufzustellen. Es ist halt nur der riskantere Weg weil man einfacher häufiger auf die Nase fällt. Eine neue Theorie kann man sich nicht mal eben zwischen zwei Veranstaltungen aus dem Ärmel schütteln. Das ist tatsächlich schwere Arbeit und sollte als solche auch gewürdigt werden. Aber ich habe bisher noch keinen Dozenten gesehen, der etwas gegen Hypothesen oder neue Fragen gesagt hätte. Eine gute Frage ist im Prinzip das einzige was ein Student wirklich leisten kann.
  5. Der Elfenbeinturm der Wissenschaft war schon immer ein Problem und wird es wohl auch immer bleiben. Den wer den ganzen Tag lang denken will, hat nicht die Zeit sich mit solch unwichtigen Sachen wie praktischer Arbeit den Tag zu versauen. Das ist nicht einmal so böse gemeint wie es klingt. Die Sache ist einfach: Ich kann keine hochtrabenden Theorien erstellen wenn ich mir gleichzeitig Gedanken darum machen muss wann ich welches Getreide aufs Feld bringen muss.
  6. Er erwartet praktische Lösungen von einer Institution zu finden die sich der Theoretisierung des praktischen Lebens verschrieben hat. Etwas weltfremd oder? An einer Universität werden Antworten auf Fragen gesucht und vielleicht Lösungswege vorgeschlagen. Wer praktisch etwas verändern will muss auch praktisch arbeiten.
  7. Siehe 6
  8. Nein das blödeste ist, wenn Leute glauben man würde eine Diskussion umgehen wollen nur weil man sich auf die Gedanken eines anderen beruft. Wenn ich in einer Argumentation vorbringe das meiner Meinung nach Sokrates mit XY vollkommen richtig lag. Dann erkläre ich damit nicht Sokrates zum Halbgott, sondern verweise auf eine schon erfolgte Argumentation. Wenn ich hingegen sage, dass XY richtig sein muss weil Sokrates es gesagt hat, dass ist ein Problem. Das leider tatsächlich zu häufig auftritt.
    Aber ich will darum bitten das dieser Unterschied beachtet wird. Sich auf alte Theorien berufen bedeutet nicht, dass man nicht selber denken könnte und es bedeutet auch nicht das man mit seinem Wissen “angeben” will.

Nun noch einmal zur drängensten Frage des Videos: Praktische Lösung vs. Universitäre Bildung

Erst einmal ist das ein Widerspruch. Den die praktische Lösung will eben genau das, eine Lösung zu einem Problem.
Universitäre Bildung will in erster Linie Wissen. Es geht um den Willen zum Wissen (Focault), erst einmal fernab von jeder Moral und von jedem Praxisbezug.

Hier stoßen wir dann auf ein richtiges ethisches System: Ich erforsche eine neue Relgionsgemeinschaft die ähm Gualalhalier (sehr gut Google sagt die gibt es wirklich nicht ^^) diese Gualalhalier sind davon überzeugt das es richtig ist kleine Kinder zu fressen. <<< Als Wissenschaftler darf ich mich da nicht einmischen. Dadurch würde ich mich nämlich zum religiösen Akteur machen und damit wäre ich selber Gegenstand meiner Forschung. Wenn ich aber selber in die Ergebnisse meiner Forschung eingreife kann ich nicht mehr Wissenschaftler sein.
Ergo: Moral und Ehtik widerspricht wissenschaftlichem Anspruch.

Wir wollen nichts verändern wir wollen beobachten. Ob und wenn ja welche Handlungskonsequenzen aus unseren Beobachtungen erwachsen ist das Problem anderer Leute.

Tja das ist zumindest so ziemlich die Einstellung vieler Akademiker. Meiner bescheidenen Meinung nach eine sehr problematische Einstellung über die ich auch schon eine etwas heftigere Diskussion mit einem Dozenten hatte, der genau das in aller Konsequenz vertreten hat.

Das Problem ist: Wissenschaftliche Objektivität verurteilt einen dazu. Aber ich würde sagen: Man ist eben nicht nur Wissenschaftler sondern auch Mensch und als Mensch ist man berechtigt Konsequenzen aus einen Erkenntnisen zu ziehen.

Der gute Herr ist einfach mit diesem Widerspruch nicht klar gekommen. Er hatte anscheinend gehofft durch sein Phiolosophiestudium ein verbindliches Moralsystem entwickeln zu können. Oder zumindest die armen afrikanischen Kinder zu ernähren. Was afrikanische Kinder davon haben sollen das er Philosophie studiert will mir aber nicht wirklich in den Kopf.

Also dann auf zum Fazit:
Seine Zustandsbeschreibung der universitären Bildung ist durchaus richtig. Aber bei weitem nicht so schlecht wie er es darstellt. Das meine Hausarbeiten kein Schwein interessieren ist mir klar. Wenn ihn selbst seine Hausarbeiten nicht interessieren, dann hat er einen großen Fehler gemacht was die Themenwahl angeht. Zumindest ich war mit den Themen meiner Hausarbeiten durchaus zufrieden bisher und viel wichtiger, sie haben mir alle einen Erkenntnisgewinn gebracht. Für mich selbst. Darum geht es erst einmal. Stellt euch doch nur mal vor man würde jeder Studienarbeit Aufmerksamkeit schenken. Meine Güte wir kämen aus der Diskussion von völlig banalen bis schwachsinnigen Thesen gar nicht mehr heraus.

Ich bin nicht in der Lage etwas neues zu entdecken, wie den auch? Klar kann es sein das ich zufällig über irgendetwas stolpere. Aber ich kann mich nicht hinsetzen und in einer 20-30 seitigen Hausarbeit die Welt neu erfinden.
Ich kann maximal Fragen stellen die dann dazu führen können das sich entweder andere Leute mit mehr Zeit als ich (oder ich selbst wenn ich mal das Geld und die Zeit dafür haben sollte) solange Gedanken darüber machen, bis sie durch die gestellte Frage die Welt neu erfunden haben.

Meine Forderung also (Thema Handlungskonsequenz): Es ist legitim das sich Studenten in Demut üben müssen. Nicht legitim ist es wenn diese Demut tatsächlich zu Denkverboten führt. Fragen dürfen immer und zu jedem Thema gestellt werden. Auch von Studenten.

[spoiler][Der Fragende muss nur auch damit umgehen können, wenn die Anwort anders ausfällt als erhofft. ^^][/spoiler]

Schlusssatz: Es gibt viele Sachen die man an unserem Bildungssystem zu recht kritisieren kann, ein angeblich existierendes Denkverbot gehört aber nicht dazu. [Ausnahmen in Form von einzelnen Dozenten existieren mit Sicherheit]

Ich finde, dass er mit seiner Kritik nicht ganz Unrecht hat.
Auch in meinem Studium merke ich immer wieder, dass eigentlich nur bereits Gesagtes wiederholt wird.

Schlimm finde ich die Reaktionen des Publikums, die die Kritik einfach nicht ertragen können. Vor allem die Älteren.
Warum sitzen überhaupt so viele Alte in dieser Vorlesung?

Sehr interessant finde ich seinen CV, seine Erwartungen an das Philosphiestudium wurden enttäuscht und nach seinem Magister entschloss er vermehrt vor der Kamera zu arbeiten und spielte in Kurzfilmem mit.

Da stellt sich mir die Frage, ob diese Aktion nicht mit dem Dozenten abgesprochen wurde.
Eine solche Aktion kann wunderbar als Eisbrecher dienen und eine aktive Diskussion entfesseln.
Das Menschen im hohen alter nocheinmal eine Universität oder Hochschule besuchen kann ich mir vorstellen,
ich habe noch keine Vorlesung besucht mit einem so hohen Anteil an Ü50, wie in diesem Kurzfilm.

Das Studium lehrt einem das Handwerk, der Student muss den Rest selbst erlernen.
In einem Mathematikstudium werden Beweise und Vorgänge bis zum erbrechen wiederholt,
nur dann ist es möglich die richtigen Gesetze anzuwenden und eine richtige Lösung zu erhalten.
Dies lässt sich auf viele Studiengänge übertragen und ist ein Teil der Ausbildung.

Also ich kann die Reaktionen des Publikums vollkommen verstehen. Immerhin sind die Zuhörer nicht zur Vorlesung gekommen, um ihm beim Meckern zuzuhören. Persönlich sind mir solche Leute, die es für ihr gottgegebenes Recht halten, dass man ihnen zuhört, sehr unsympathisch und auch wenn er sehr interessante Denkanstöße zum besten gibt, dürfte sein Anliegen nicht zwangsläufig jeden interessieren. Schlussendlich disqualifiziert er sich dadurch, dass er in Unsachlichkeit abgleitet. Auch ist sein Vortrag nicht wirklich gut vorbereitet, vergleichsweise unstrukturiert, die Grundgedanken sind nicht wirklich klar und werden nicht besonders weit gedacht.

Mir brennt das Thema “Im Studium werden Ideen nur wiedergekäut und nichts eigenes hinzugefügt” auf den Nägeln. Ich habe im Bacholer Literatur, Linguistik und Geschichte studiert und dann im Master Deutsch als Fremdsprache und Literatur. Meine Erfahrung ist die, dass das ganze Studium darauf angelegt ist sehr wohl aus dem großen Fundus verschiedener Theorien etwas eigenes zu machen. Wenn man will, kann man im Laufe seines Studiums zwei Dutzend Hausarbeiten bei beeindruckend freier Themenwahl schreiben. Man kann natürlich auch mit Klausuren und Referatsausarbeitungen durchs Studium fahren. Neben den Pflichtklausuren, die es zu absolvieren galt, habe ich Referatsausarbeitungen immer vermieden. Mir ist es suspekt, worin der Sinn besteht, akademische Anfänger 90 Prozent des Seminars kontrollieren zu lassen. Das artet entweder darin aus, dass der Dozent/die Dozentin jeden zweiten Halbsatz korrigiert und die Referate nie fertig werden. Oder man ist in ein Seminar voller Lehrämtler geraten und erinnert sich mit Gänsehaut daran, warum Schule häufig so schrecklich war.

ABER: Je länger das Studium dauert, desto freier darf man Essays und Hausarbeiten halten. In meiner BA-Thesis habe ich zwei Theorien aus zwei verschiedenen Denklagern genommen und darauf basierend versucht zu erklären, wie man es schafft seinen eigenen Einkaufszettel zu verstehen. Natürlich habe ich in weiten Teilen der Arbeit Theorien wiedergekäut. Aber das ging schnell, da ich beide Ideen schon aus meinem Studium kannte. Was folgte waren dann immerhin 20 Seiten Eigenanteil.

Was ich sagen will: Man darf mehr als man denkt. Und es liegt nicht unbedingt an den Strukturen der Universitäten, dass viele nicht den Mumm haben, ihr eigenes Wissen kreativer anzuwenden.

Ich gebe ihm recht. Leider konnte er ja nicht viel sagen.

Gibt einige Studiengänge (und auch viele Ausbildungen) die absolut sinnlos sind und einfach überhaupt keinen Nutzen für die Gesellschaft haben.
Wo man am Ende von dem Geld lebt was die Mittel- und Oberschicht für Unterhaltung/Kunst/Kultur ect übrig hat, oder was man anderen Leuten aus der Tasche zieht, anstatt produktive Arbeiten für die Gesellschaft zu übernehmen.

Edit:
[video]http://www.youtube.com/watch?v=AyRxr11VskE&feature=plcp[/video]

Ist das der selbe Typ?

Für mich scheint der Gedanke sehr plausibel, dass es sich hierbei um einen geplanten Anstoß zur lebhaften Diskussion innerhalb des Themas „antiakademisches Philosophieren“ handelt.

Wieviel (plakativ) antiakademischer als hier vorgeführt kann Philosophieren denn sein?

Zu seiner Kritik des fortwährenden Wiederholens älteren Wissens/von Wissen anerkannter Philosophen muss man aber entgegen halten, dass, wie schon andere hier erwähnt haben, ohne Verweise auf dieses ältere Wissen, Denkprozesse immer wieder von grundauf neu gedacht werden müssten.

Das kann den Vorteil vorurteilsfreier und frischer Ergebnisse bringen, birgt aber genauso die Gefahr der Stagnation auf einer Erkenntnisebene. Auf dieser nach 30 Jahren angestrengten Grübelns erreichbarer Erkenntnisebene finden wir dann viele verschiedene Thesen, deren Sinnhaftigkeit erst geprüft werden müssten, bevor man weitergehende Schlüsse ziehen kann. Will man weiter kommen, muss man gewisse etablierte Thesen berücksichtigen, um eben schneller bzw. weiter an Erkenntnissen zu gewinnen.

Skafdir hat das schon ganz gut erklärt: Es bringt nichts, nur altes Wissen auswendig zu lernen. Wirklich hilfreich kann nur das Berücksichtigen existierenden Wissens sein, das dennoch kritisch hinterfragt werden muss, damit man es auch soweit verstehen kann, um darauf aufbauend eventuell eigene Ideen zu entwickeln (die dann höchstwahrscheinlich auch schon von anderen entwickelt wurden).

Mein persönliches Fazit:

Es kann nicht Ziel sein, auf Krampf eigenes Wissen produzieren zu wollen, wenn man nicht umsichtig genug ist, die eigenen Vordenker zu entdecken, so es sie schon gibt.
Ebenso verkehrt ist es, sein ganzes Leben damit zu verbringen, die existierenden Theorien zu meistern, ohne jemals Impulse zum Aufbruch in neue Ideen zu setzen. Denn niemand kann heutzutage noch alles wissen.

Stattdessen sollte man Zeit verwenden, sowohl die Ideen der Vergangenheit kennenzulernen als auch die Methoden zu verinnerlichen, wie man Ideen entwickelt. Darauf aufbauend sollte man nach eigenen Präferenzen eigene Ideen entwickeln.

Im heutigen Wissensstand der Gesellschaft wird man so sicherlich meist nur Räder erneut erfinden und nur gelegentlich wirklich Neues entdecken. Jeder andere Anspruch wäre aber ohnehin vermessen.

Freilich sind sich dessen wohl nicht genügend Leute bewusst beziehungsweise fehlt ihnen die Motivation dazu. Einer Einteilung dieser Gruppen haben sich ja schon Vorposter gewidmet. :wink:

EDIT: Nach kritischem Hinterfragen der Rechtschreibung Tippfehler korrigiert. :ugly

Ulkigerweise hatten wir am Montag in Französischer Literaturgeschichte eine ähnliche Diskussion. Unser bald in Ruhestand gehender Prof hat unterschwellig seine Enttäuschung darüber zu Protokoll gegeben, dass wir so wenig nachfragten und kommentierten.

Was folgte, war ein viertelstündiger Austausch über Erwartungshaltungen zur Vorlesung, wobei die Quintessenz gewissermaßen folgendes:

  1. Literaturgeschichte ist schwer zu diskutieren, denn es werden Fakten vermittelt. Baudelaire hat seine Lyrik Mitte des 19. Jahrhunderts veröffentlicht, da gibt es nichts zu streiten. Streitbar wäre der im vorigen Semester behandelte Stoff der Literaturwissenschaft gewesen.
  2. Unter den Studis gab es drei Gruppen: Zum einen die, die den Stoff zum ersten Mal durchgenommen haben. Und wie hier bereits geschrieben wurde, muss man nun erstmal den aktuellen Forschungsstand verinnerlichen, bevor man selber anfangen kann, Neuland zu betreten. Dann diejenigen, die nur nach der Klausur schielen (oben erwähnte „Nur auf Abschluss-Studierenden“). Und zuletzt die Gruppe, zu der ich gehöre, die das ganze jetzt schon zum zweiten oder dritten Mal durchkauen (Studiere noch Germanistik und Russistik, da war das gleiche Programm am Start). Ich persönlich hab mir schon meine Gedanken gemacht, fand es aber ein wenig off-topic, immer z.B. mit der Parallelentwicklung in Deutschland um die Ecke zu kommen.
  3. Habe ich auch mehr das Gefühl, meine eigenen Gedanken in Ruhe zuhause machen und formulieren zu können, statt in der Vorlesung. Insofern plädiere ich an der Uni sogar für mehr selbstbestimmte Hausarbeiten, denn nur da hat man (im Semester) den Raum, selbst Gedanken in strukturierter Weise aufgrund bekannter Theorien zu fassen.
    Teilweise behelfen sich unsere Dozenten aber auch kreativ, um uns einen Tritt in den Hintern zu geben :wink: Heute musste ich beispielsweise als Klausur zur Kulturlinguistik ein dreiseitiges Essay schreiben, in der ich mich kritisch mit einer behandelten Theorie auseinandersetzen musste (Ernst Cassirers Begriff der symbolischen Formen, wenn es jemanden interessiert). Es geht auch so - leider geht das nicht immer, denn die Klausuren dürfen nicht beliebig gestaltet werden …

Soviel zu der Meinung der Studenten. Unser Prof hielt dagegen, früher hätte es auch mehr Meldungen und Anmerkungen gegeben. Und ich denke, dass da unterm Strich der Hund begraben liegt: Bachelor tötet tatsächlich Kreativität. Nicht in dem Maße wie befürchtet, aber ich merke es. Ich hätte sehr gerne auch mal z.B. ein Semester mal philosophische Veranstaltungen, das kann ich des „Workloads“ wegen vergessen. Ich hab schlichtweg keine Zeit. Es ist auch die Mentalität, die mitschwingt: Man studiert nicht mehr um des Studierens willen. Man studiert, um später einen Job zu haben. Auch wenn ich versuche, mich dem zu entziehen, geht das nur in einem gewissen Rahmen. Jede verdammte Studienverlaufsplanabweichung muss ich beim Prüfungsamt melden. Nach dem 3. Versuch, eine Klausur zu bestehen, fliegt man. An manchen Unis ist es sogar Usus, die Studierenden zu 6 Semestern Regelstudienzeit zu zwingen (hier bin ich nicht gezwungen, habe aber auch nicht unendlichen Spielraum)! Insbesondere in der Germanistik gibt es zuhauf von den benannten Studenten, für die Studium nur eine nervige Hürde ist, weil sie nicht wussten, was sie sonst nach dem Abi machen sollten. Und das deprimiert, wenn 20 Leute in einem Seminar angemeldet sind aber nur 3 tatsächlich leidenschaftlich über die Lektüre diskutieren, während der Rest das Buch noch nichteinmal gelesen hat.

Es ist nicht so, dass ich unbedingt 14 Semester studieren wollte bis zum ersten Abschluss. Aber etwas mehr Zeit und Ruhe, um sich eben auch um das zu kümmern, was einen jenseits der eigenen „Filterbubble“ interessiert, wäre gar nicht so schlecht. Ich liebe die Fächer, die ich studiere. Wie schon bei Poppstar mitschwang, ist aber das Wissen, was man sich aneignen muss, so unglaublich viel, dass es mich nicht wundert, dass die meisten selbständigen Arbeiten erst ab dem Doktorgrad auftauchen. Allein Literaturwissenschaft ist schon ein riesiges Feld, mit vielen unterschiedlichen Ansätzen.

Trotzdem finde auch ich, dass die Aussagen in dem Video nur teilweise anwendbar sind. Philosophie ist ein Orchideenfach, das ist schade, liegt aber in der Natur des Faches. Wenn der Herr Wendefilm nicht gerade eine zweite Kritik der reinen Vernunft oder zumindest eine Didaktik der Aufklärung schreibt, wird seine Schriften nur ein sehr kleiner Personenkreis interessieren. Ist in der Literaturwissenschaft genauso. Das muss man aber als gegeben hinnehmen. Wenn er hätte weltliche Probleme lösen wollen, hätte er Agrarwissenschaften, Physik oder Chemie studieren müssen.
Was aber nichts daran ändert, dass die Reaktionen des Publikums unter aller Sau waren. Sowas kindisches bei Philosphiestundenten (zum Teil buchstäblich „älteren“ Semesters!).

Allerdings denke ich, dass auch Geisteswissenschaften mit der richtigen Themenwahl durchaus auch in Bachelorarbeiten wenigstens ansatzweise Neues bringen oder zumindest breitere Interessengruppen ansprechen können. Da muss man sich aber an praktischeren Themen orientieren. Ich überlege z.B. derzeit, meine Bachelorarbeit in Linguistik zum Thema „Sexismus in der französischen Sprache“ zu schreiben. Das dürfte doch wenigstens die französischen feministischen Organisationen interessieren und ist auch noch nicht so ausgereizt wie die 20. Behandlung de Saussures Zeichenmodell und seine Anwendbarkeit :wink:
Auch in der Philosophie ist das durchaus möglich. Aber dann muss man auch seine Arbeit ein wenig vermarkten, im Bibliotheksregal wird sie (zurecht?) verstauben …
Insofern ist m.M.n. für das Video zu sagen, guter Ansatz, aber gewollt plakativ und deswegen auch in einem gewissen Rahmen erfolgreich, wenn auch nicht ganz korrekt.

Silverchen

So, ich meld mich auch nochmal.
Ich stimm dem Großteil hier im Prinzip definitiv zu, schön, dass wir hier einen relativen Konsens haben und sogar Seite 2 ohne Beleidigungen, sondern sachlich erreicht haben. :wink:
Besonders Silverchens Beitrag hat mir aus der Seele gesprochen, da ich das kenne. Ich hab z.B. im Moment ein Seminar zu Novellen von Günter Grass und bin mehr oder minder der einzige, der wirklich an Diskussionen interessiert ist und einer von wenigen, die die Texte gelesen haben (und einige hattens sogar im Abi). Ich finde, es spricht für sich selbst, dass die Professoren des Öfteren sogar sagen: „Kommen wir zu dem, was sie vermutlich am Meisten interessiert: Wie sie Ihre Punkte kriegen.“ - und es stimmt leider. Du musst wirklich achten und planen: „Wo krieg ich meine Punkte“ etc. - ist mir jetzt wieder bei der Stundenplanerstellung fürs 3. Semester aufgefallen. Ich durchforste die Veranstaltungen und denke nur „Bringt dir nichts, weil du das Modul schon hattest“ und dann fällt mir auf, dass ichs ja auch interessehalber machen kann. Werde ich bei ein paar Sachen auch definitiv machen, weils mich interessiert.
Philosophie ist da sogar noch relativ gut bei uns, weil mans hier in Osnabrück a) nur im Bachelor und b) nicht auf Lehramt machen kann. Sprich: Die dies machen, machen es, wie letztens eine sagte, um „den Horizont zu erweitern“, die stehen dann in etwa auf einer Stufe mit den Menschen älteren Semesters in dem Video, die das belegen, um sich selbst einen Mehrwehrt zugestehen glauben zu können, oder sie machen das wirklich mit Herzblut und aus Begeisterung. Eine Bekannte von mir schreibt z.B. ihre Philosophie-Bachelorarbeit über „Neuro-Enhancing“ im Ethik-Bereich, was ich total spannend finde, inklusive der möglichen moralischen Implikationen, die das mit sich bringen könnte (Könnte man verlangen, dass alle das betreiben? Müssen Dicke dann mehr Krankenkassenbeiträge zahlen weil Risikogruppe? Was ist mit genetischen Dispositionen ohne eigenes Verschulden? usw.).

Ernüchterung habe ich allerdings ein wenig erfahren, als ich (okay ich bin auch erst im 2. Semester, von daher ist die Planung wirklich sehr weit hergeholt) mit zwei Dozenten über ein mögliches Bachelorarbeitsthema gesprochen habe (Phänomen des Burnouts als mögliche Lesart Franz Kafkas ‚Die Verwandlung‘) und sie mir sagten, dass das definitiv interessant ist, aber dass „die Bachelorarbeit ja im Prinzip nur eine größere Hausarbeit ist, mit der sie beweisen sollen, dass Sie wissenschaftlich arbeiten können“, sprich - der wird nicht arg zu viel Bedeutung beigemessen und keine Sau außer den Prüfern wirds lesen. Nichtsdestotrotz wurde ich natürlich ermutigt, aber es nervt dann eben auch ein wenig.

Am Ehesten merke ich das aber bei einer „Einführung in die Ethik“-Vorlesung: Der Prof handhabt es so, dass das Modul aufgeteilt in Vorlesung und Seminar ist und man die gesamte Punktzahl für eine Hausarbeit erhält, in der Vorlesung redet nur er und im Seminar kann drüber diskutiert werden, und in dem Seminar ist vielleicht ein Bruchteil der Teilnehmenden der Vorlesung da. Natürlich kann nicht jeder mit ihm und der Vorlesung was anfangen, aber dieses Desinteresse zur Diskussion fällt mir regelmäßig auf.

Und wie gesagt: Niemand kann eine zweite „Kritik der reinen Vernunft“ o.ä. eben aus dem Ärmel schütteln und das verlangt auch keiner. Aber ne neue Gettier-Problematik, das wär doch schön. :wink: Nein, Spaß, nicht jeder kann mit was großartigem aufkommen, aber mir geht es prinzipiell um den Willen, der den meisten abgeht, und ich freue mich, dass es anscheinend nicht nur mir so geht.

Nochmal zum Video: Da stimmen wir, denke ich, alle überein, dass es 1. plakativ und 2. Selbstinszenierung ist, aber wie auch das andere Video von ihm zeigt: Es geht ihm glaube ich eher darum, die Leute wachzurütteln und Kunst damit zu machen. Und unter diesem Aspekt gelingt ihm das ganz gut.

Als Ingenieursstudent stehe ich diesen “Schwafelfächern” eh skeptisch gegenüber. Zumal es hier in Dresden sowieso noch extra Spannungen zwischen den geisteswissenschaftlern und den Ingenieuren gibt. So haben z.B. die studentischen Vertreter aus den Geisteswissenschaften im Senat dafür gestimmt, dass die Studiengänge im Ingenieursbereich in Bachelor/Master umgewandelt werden sollen. Wie kann man seinen Kommilitonen ur so in den Rücken fallen. Zum Glück wurden sie überstimmt und die TU Dresden wird auch weiterhin Diplom-Ing. ausbilden. Aber das nur mal so am Rande.

Als erstes bin ich der Meinung wer anfängt Philosophie zu studieren um irgendwelche Probleme in der Welt zu lösen hat den Sinn der ganzen Sache nicht verstanden. Wer sich für Philosophie interresiert der kann das ja ruhig studieren. Aber irgendwie scheint das ja genauso wie Soziologie gerade so ein Modefach zu sein. Aber für was brauchen wir jedes Jahr tausende von Philosophie-Absolventen.

Zum Thema Abschluss- und Hausarbeiten. Zunächst muss ich sagen wie verwundert ich bin, dass selbst am Sonntag immer massig Studenten bei uns in die Bibliothek rennen um dort ihre Arbeiten zu schreiben. Wie kann man sich nur sowas freiwillig antun? Und ich denke bei der Masse an Hausarbeiten die an den deutschen Unis angefertigt wird, ist es klar das die meisten doch eher inhaltlich unbedeutend sind und nur den Zweck erfüllen “wissenschaftliches” Arbeiten zu erlernen.
Ich bin dagegen schon im 8. Semester und schreibe gerade erst meine zweite Belegarbeit. Und selbst diese hat nur einen Umfang von ca 15 Seiten. Der Hauptteil der Arbeit stellt nämlich die Umsetzung eines Algorithmus am PC dar. Und dieser wird garantiert nicht in der Versenkung verschwinden wie die Masse an Hausarbeiten sondern wird am Lehrstuhl dringend gebraucht.

Dann gibt es eine weitere Sache die mich am Video verwundert hat. Hat der Sprecher da indirekt angedeutet der Prof. müsste seine Lebensprobleme lösen? Es ist ja wohl nicht die Aufgabe der Mitarbeiter an den Lehrstühlen deine Probleme zu lösen sondern nur dich auf den richtigen Weg zu schubsen damit man sie selbst löst. Reichlich komische Einstellung die der Kerl da hat.
Und über die Betreuungssituation an den Unis kann man sich ja auch vorher informieren. Es gibt genügend Uni-Rankings und außerdem oft genug sog. Uni-Tage bei denen man sich über die Uni informieren kann und auch mit Studenten ins Gespräch kommen kann.
Sicherlich ist das keine allg. Lösung für das Betreuungsproblem an den Unis aber auf Grund der knappen Kassen wird sich daran in den nächsten Jahren nichts ändern.

Als Ingenieursstudent stehe ich diesen „Schwafelfächern“ eh skeptisch gegenüber.

Achtung!! Es schreibt ein Chemiestudent im 2. Semester:
Die Geistes- oder Gesellschaftswissenschaften als „Schwafelfächer“ abzutun halte ich für komplett daneben, weil auch unser persönliches/politisches Umfeld wurde von Gesellschaftswissenschaftker (Stichwort: Aufklärung -> Kant) geprägt. Und es ist ja nicht so, als ob sich nicht auch Naturwissenschaftler auch mit Philosophie auseinandergesetzt hätten, Bsp. Heisenberg).
Diese Meinung spiegelt etwas wieder, was mit schon negativ in Kommentaren bei „Zeit-Online“ aufgefallen ist.
Dort wurde sehr gerne mit „hard science“ (Ingenieurs- oder Naturwissenschaften) und „soft science“ (Geistes- oder Gesellschaftswissenschaften) argumentiert. Und das finde ich falsch. Alle Spektren haben einen wesentlich Teil zur Aufklärung beigetragen und deshalb ist Wissenschaft für mich Wissenschaft, ohne irgendeine Unterscheidung.

Als erstes bin ich der Meinung wer anfängt Philosophie zu studieren um irgendwelche Probleme in der Welt zu lösen hat den Sinn der ganzen Sache nicht verstanden.

Ich hoffe tatsächlich, dass man in erster Linie Philosophie studiert, weil einem das Spaß macht. Das mit der „Welt verbessern“ scheint mit doch eher populistisch und nicht argumentativ gemeint zu sein.
Doch wie oben schon beschrieben, beziehst du die Wirkungskraft von philosophischen Schriften nicht in deine Argumentation mit ein.

Leider hat auch die Wirkungskraft von gesellschaftswissenschaftlichen Publikationen nachgelassen.
Das liegt für mich unter anderem daran, dass sich die Wissenschaft noch immer in ihren Elfenbeintürmen aufhält.
Die Wissenschaft muss endlich raus ins Volk!!

Es ist ja v.a. auch so, dass den Anfang aller Naturwissenschaften die Philosophie gelegt hat, Stichwort Pythagoräische Schule, Euklid, Thales usw. Die gesamte antike Philosophie war wie selbstverständlich mit Mathematik, Physik etc. verwoben. Natürlich da deutlich dilletantischer, als wir es heute können, weshalb diese hochkomplexen Fachbereiche ja auch schon vor langer Zeit ausgegliedert wurden, aber bei uns nahmen sie ihren Anfang. Es war bis vor ner bestimmten Zeit auch noch üblich, dass Philosophen mindestens gute Kenntnisse in der Mathematik hatten und die anderen auch nicht vernachlässigten, wir sind ja einfach im Prinzip von nem großen Wissensdurst getrieben.
Ohnehin ist es verfehlt, zumindest die Philosophie als Laberfach zu bezeichnen. Alle Wissenschaften sind von großer Diskussion getrieben, und die “Philosophie des Geistes” hat nun wirklich in der Neurobiologie auch einen wichtigen Status, Bewusstseinsforschung etc., von daher - wir sind nicht gerade unwichtig.

Aber gut, sehen wir mal von der Philosophie ab, nehmen wir andere geisteswissenschaftliche Fächer: Was soll ich denn darunter erstmal fassen? Fällt Psychologie darunter? Der spricht wohl niemand einen großen praktischen Nutzen ab. Sozialwissenschaften? Die sind sehr stark empirisch und auch praktisch anwendbar. Gut, nehmen wir mal die anderen Fächer, wie siehts denn mit der Germanistik aus?
Sprachwissenschaft ist enorm wichtig, damit wir versuchen können zu verstehen, wie unsere Sprache in etwa funktioniert und wie Didaktik darin funktioniert, damit wir Nicht-Muttersprachlern einen möglichst effizienten Unterricht anbieten können. Ebenso übrigens auch die Erziehungswissenschaften, die sehr auf Pädagogik hinarbeiten. Ist das jetzt etwa nicht praktisch anwendbar?
Picken wir uns doch einmal so die wirklich verpöhntesten Fächer heraus, Literaturwissenschaft und Kunst (wer andere findet, darf sie mir natürlich gern nennen). Sind die unwichtig? Ich denke nicht, denn in Kunst (darunter fass ich jetzt auch mal Literatur) spiegelt sich auch immer gesellschaftliche Bewältigung aktueller Problematiken wieder, was auch kollektive Züge annehmen kann. Siehe Günter Grass’ “Blechtrommel”, die viele Rückbezüge auf NS und Neuentwurf der Literatur nimmt. Oder Kunst (Skulpturen, Gemälde, etc.), die die NS-Zeit (ist wirklich n gutes Beispiel für sowas) bewältigen will. Alles überflüssig? Und selbst wenn man keinen direkten praktischen Nutzen daraus zieht, macht es das schlechter? Mir ist diese Gesellschaft zu Nutzenorientiert, das gefällt mir nicht wirklich, weil eben dadurch die ganzen Kunstsachen erstmal wegrationalisiert werden, und so etwas sollte nicht sein.
Ich hoffe, ich konnte erläutern, warum unsere Fächer, nur weil wir nicht Maschinenbau / Ingenieurswesen / Chemie / whatever studieren, auch einen Nutzen haben können.