Absurder Empörungs-Journalismus

Das Thema stelle ich mal hier rein, obwohl ich es über Spiegel Online habe; aber ich denke, dass es auch im Feernsehen für Empörung gesorgt hat oder sorgen wird und daher vielleicht vom fK verwurstet werden kann.

Es geht darum, dass Heiner Geißler, der Shclichter des Stuttgart-21-Projekts, die konfliktparteien mit den Worten “Wollt ihr den totalen Krieg” zur Räson bringen wollte. Das scheint einige zutiefst zu empören:

http://www.spiegel.de/politik/deutschla … 20,00.html

Wenn Geißler sich mit konstruierten Ausreden aus der Affäre ziehen will, dann ist das bedenklich.
Aber was ist denn nun eigentlich an dem Goebbels-Zitat schlimm?

Alles, was Geißler getan hat, ist es, Goebbels zu zitieren. Das ist aber erst einmal in keinster Weise problematisch oder gar verwerflich, genau so wenig wie wenn jemand Hitler oder andere Nazi-Grössen zitieren würe. Problematisch würde es erst dann, wenn die Zitate menschenverachtend wären, oder wenn der Eindruck entstehen würde, dass man sich auf diese Weise auf die Nazis als positive Autorität berufen oder mit ihnen sympathisieren würde.

Das ist hier aber ganz offensichtlich nicht der Fall. Mit seiner launigen, wenn vielleicht auch depalzierten Redeweise hat Geißler, wie bereits von anderen gesagt wurde, kein Opfer verhöhnt und kein Nazi-Verbrechen gerechtfertigt; noch wird jemand ernsthaft behaupten wollen, dass die Nazis dadurch aufgewertet würden.

Besonders erstaunlich ist deshalb, dass der SPON es offenbar gar nicht für nötig hält, zu begründen, was denn nun am ursprünglichen Ausspruch Geisßlers verwerflich sein könnte. Das einzige, was der Autor tut, besteht darin, Geißler indirekt zu unterstellen, dass er jemanden mit Goebbels verglichen habe:

“Zumal er selbst schon Mitte der achtziger Jahre mit Goebbels-Vergleichen konfrontiert war.”

Nur hat Geißler ja überhaupt niemanden mit Goebbels verglichen, nicht einmal andeutungsweise. Hätte er die Parteien gefragt, ob sie sich denn wie Goebbels verhalten wollten oder etwas ähnliches, dann könnte man wenigstens noch einen andeutungsweisen Goebbels-Vergleich in seine Worte hineininterpretieren; so aber fällt diese Option völlig weg. Wenn überhaupt, dann hat Geißler die von ihm Angesprochenen indirekt mit dem Auditorium von Goebbels verglichen, indem er ihnen dieselbe Frage stellte; aber selbst eine solche Unterstellung ist offenbar absurd.

Bemerkenswert: Da wird Geißler angeprangert, dass er Gobbels zitiert hat, aber niemand erklärt, was daran verwerflich sein soll, außer mit der eindeutig falschen Behauptung, er habe damit einen Goebbels-Vergleich gezogen; diese haltlose Behauptung wird aber ihererseits in keinster Weise begründet, sondern einfach mal aufgestellt - und eine überzeugende Begründung dürfte auch nicht möglich sein.

Ein wunderschönes Beispiel von “Empörungsjournalismus”: Man echauffiert sich, sagt aber nicht warum; aber man klagt so laut an, dass hoffentlich niemand auf die Idee kommen möge, überhaupt nachzufragen. (Berechtigt hingegn halte ich die Kritik an faulen Ausreden.)

Hier haben wir eine “Political Correctness”, die nicht der Achtung von Menschenwürde und Freiheit dient, sondern sinnlos die Meinungsäußerung einengt und für den Schutz der Menschenwürde und eine angemessene Sensibilisierung vermutlich eher abträglich als zuträglich ist.

Da hatte Herr Geißler wohl seinen inneren Reichsparteitag.

Tja, jedem das seine kann ich da nur sagen. :mrgreen:

Aber ernsthaft:
Den Spruch von Geißler finde ich nicht nur nicht unangemessen, sondern durchaus passend, im Sinne eines sinnlosen, weil schon entschiedenen Kampfes.

Edit:

Könnte mir vorstellen, dass bei Natural Born Nazis wie H.Geißler (Baujahr 1930) der “Nazometer” etwas empfindlicher reagiert als z.B. bei der 68er Generation.

Man kann es auch übertreiben, ich sehe darin in diesem Zusammenhang auch keinerlei Problem.

Ich schließe mich daher voll der Meinung meiner Vorposter an.

Wobei ich es auch besser gefunden hätte, wenn vom Herrn G. statt halbgarrer Ausreden stattdessen Worte gekommen wären die klar machen das er zu seiner getroffenen Wortwahl steht.

Unabhängig davon verstehe ich die Logik Hinter S21 schon lange nichtmehr, was jede weitere Geißler Diskussion eh überflüssig macht, aber das gehört hier nicht zum Thema.

Das Thema wird auch bei netzpolitik.org diskutiert.
Dort ist auch das Transkript des DLF-Beitrages verlinkt.

Interessant finde ich z.B. diesen Kommentar. Der Interviewer ist ja anscheinend auch nicht ganz unschuldig.

Mich empört diese Art von Empörungsjournalismus!

daran sieht man wie weit wir mit der aufarbeitung unserer vergangenheit wirklich sind.

der nächste skandal wird,das thilo sarazin fordert,dass sich alle migranten die den deutschen pass wollen zu ihrer erbschuld am nationalsozialismus bekennen.oder so.

Meine erste geöffnete Seite war SpOn, dort sah ich dann den Artikel über diese angebliche Entgleisung Geislers.
Als ich dann hier die aktiven Topics mir anzeigen ließ, wusste ich schon durch den Titel worum es hier geht. :ugly

Aber ja, das ist reiner Empörungsjournalismus. Ich gehöre nicht zu den Vertretern der absoluten Meinungsfreiheit, bin eindeutig gegen Rechts und gegen eine Relativierungspolitik/meinung bezüglich dem dritten Reich.

Aber bitte, nur weil Goebbels dieses Satz geprägt hat, sollten wir nicht gleich von jedem eine Entschuldigung fordern, nur weil er einen solchen Satz gesagt hat. Dahinter steckt keine Relativierung des dritten Reiches oder des 2. Weltkrieges, dadurch wurden keine Opfer dieser Zeit verhöhnt.

Man sollte vielleicht auch bedenken, dass einem beim Reden gerade solche geflügelten Wörter schnell über die Lippen kommen, ohne dass man wie beim Schreiben abgewogen hat. Mit Sicherheit wird er in Zukunft diesen Satz eher vermeiden, aber hier eine Entschuldigung zu fordern ist albern, weil es ein moralisches Fehlverhalten voraussetzt und das liegt meiner Meinung nach nicht vor.

Zum Glück war es Kennedy und nicht Hitler, Honecker oder Stalin, der gesagt hat “Ich bin ein Berliner”, sonst hätten die Berliner bei der Frage ihrer Herkunft immer wieder Probleme…

Edit:
Und es war tatsächlich nicht Goebbels, laut Wiki, der den Begriff als erster geprägt hat. Goebbels hat ihn nur übernommen für seine Rhetorik.

[…] “Als Totaler Krieg wird eine Kriegsführung bezeichnet die auf eine vollständige Ausnutzung des wirtschaftlichen und personellen Potenzials abzielt”

Das kann man so problemlos auf beide Seiten in Stuttgart übertragen. Wer nun diesen Satz wann vor ihm gesagt hat spielt in diesem Kontext überhaupt keine Rolle. […]

Kommentar bei netzpolitik.org

Wenn man sich mal anschaut, mit welchen harten Bandagen da z.T. um S21 gekämpft wird, hat Geißler meiner Ansicht nach mehr als Recht mit seiner Frage.

Dürfte man nichts mehr sagen, was in den tausend Jahren zwischen 33 und 45 für die Zwecke der Nazis missbraucht wurde, könnten wir unsere Sprache gleich begraben.

Klar ist das Empörungsjournalismus und klar ist es mir persönlich auch ziemlich egal, aber…

…WIESO IST DER TYP SO DÄMLICH?!?

Mit so einen Satz schaufelt man sich in Deutschland nun mal sein politisches Grab, da ist man schneller weg vom Fenster als wenn man illegale Spendengelder annimmt oder seine Doktorarbeit fälscht.

Also entweder hat Geisler kein Bock mehr auf den Job oder er wird senil, anders kann ich mir das nicht erklären. (Oder er hat Eier und es ist ihm egal, aber dann wäre er kaum in die Politik gegangen…)

Weil man im Allgemeinen beim Reden schneller bestimmte Worte ausspricht als man darüber reflektieren kann.
Bei einem halbwegs gutem Redner fließen die Worte, da ist keine Zeit zum reflektieren. Man sieht das unter anderem daran, wie schnell man Satzbau und Grammatikfehler beim Sprechen macht. Das hat also weniger etwas mit dämlich zu tun.

Es ist aber ein Unterschied, ob man solche Worte relativ unreflektiert bringt oder ob man sich deswegen entschuldigen muss oder sie zurück ziehen muss.

Wäre ich an Geisslers Stelle würde ich einfach den Leuten “Leckt mich am Arsch” sagen und noch viel Spaß beim sinnlosem Dauerkonflikt wünschen und mich zurückziehen aus dem Vermittlertum.

HG ist über 80, da könnte also sowohl Schnauze voll als auch senil zutreffen. Oder beides, oder keines …

Aber auf derartige Zitate, egal in welchem Zusammenhang, springt die Presse wohl auch in 100 Jahren noch an wie Nachbars Lumpi. Wobei: deartiges soll ja auch schon der einen oderen Person im TV zum Verhängnis geworden sein :twisted:

Dem Mann ist doch alles egal. Er sagt was er will, fernab von irgendwelchen Parteirichtlinien oder Grenzen des Unsagbaren.

Der Dösbaddel hätte statt Klumpfuß-Jupp besser den Großen Vorsitzenden Walter Ulbricht zitiert: “Niemand hat die Absicht einen Bahnhof zu errichten.”

Das beste wird wohl sein, wenn sich Heiner Geißler öffentlich entschuldigt, um die Wogen der Empörung zu glätten.
Mein Tipp:
Er bittet um Verzeihung in der nächsten Wetten dass…?-Ausgabe, im Frack an einen Flügel gelehnt, und danach singt er ein Medley der schönsten Johannes Heesters-Songs zwischen 1933-1945.

Zum einen regt es mich auf, dass man in Deutschland nichtmal “Nazi” sagen darf weil man da gleich selbst einer ist zum anderen find ich Geißlers Aussage einfach dämlich. Passt einfach nicht. Der Satz kann ja von mir aus von Churchill oder noch älter sein aber er ist so eng mit Goebbels verbunden, dass man ihn nicht erwähnen sollte, jedenfalls nicht öffentlich. Was hat er denn erwartet was er mit dem Satz erreicht?

Geißler sollte sich nicht entschuldigen. Er hat halt einfach nur etwas gesagt, was einigen in den Magen geschlagen hat. Total unbeabsichtig und aus dem Zusammenhang gerissen.
Also ich finde Merkel mit ihren ganzen Formulierungen weitaus schlimmer, als dieses belanglose Geißler-Nazi-Zitat. Und in China fällt 'n Sack Reis um.

Mag sein…aber dann gibt es noch keinen Grund für eine große allgemeine Empöfung.

Der Satz kann ja von mir aus von Churchill oder noch älter sein aber er ist so eng mit Goebbels verbunden, dass man ihn nicht erwähnen sollte, jedenfalls nicht öffentlich.

Warum sollte man einen Satz nur deshalb nicht erwähnen düfen, weil er mit Goebbels „verknüpft“ ist? Wenn eine solche Zitation den Eindruck erwecken würde, daß Goebbels aufgewertet wird…aber das ist ja nicht der Fall. Was also ist schlimm daran? Vielleicht ein kleines bisschen unsensibel, vielleicht etwas unpassend, aber ansonsten nicht gross der Rede wert.

Zur Abgrenzung gegen die Nazis gehört auch, dass die freie Rede nicht mehr als wirklich notwendig einer Selbst- oder Fremdzensur unterworfen wird. Respekt vor den Opfern, Takt und so weiter - alles gut und richtig. Das bedeutet aber nicht, dass Dinge tabuisiert werden sollten, für deren Tabuisierung es objektiv keinen Grund gibt.

Welche Gesellschaft distanziert sich eigentlich glaubwürdiger von den Nazis: Eine, die großen Wert auf freie Meinungs- und Ausdrucksweise legt und nur dort empfindlich reagiert, wo es für solche Empfindlichkeit auch wirklich gute Gründe gibt - oder eine, die harmlose Verhaltensweisen tabuisiert und die berüchtigte „Schere im Kopf“ begünstigt?

Ehrt es eine angeblich so demokratische und freiheitliche Gesellschaft wirklich, wenn selbst jemand, der definitiv über jeden Nazi-Verdacht erhaben ist, jederzeit wegen einer streitbaren und vielleicht etwas unbedachten Äußerung mit der Nazi-Keule verprügelt werden kann?

Dann braucht man sich auch nicht zu wundern, wenn Rechtspopulisten unter dem „Das wird man doch noch sagen dürfen“ - Motto auftreten.

Was hat er denn erwartet was er mit dem Satz erreicht?

Wahrscheinlich hat er sich weder groß etwas gedacht noch groß etwas erwartet. Warum auch? Es gibt ja auch keinen Grund zur Empörung.

Naja, er dürfte auf jeden Fall erreicht haben, dass Bahn und Gegner für ein paar Tage aufhören, sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen und ihn nur irritiert anschauen.
Und wenn das wenigstens bei ein paar Beteiligten dazu geführt hat, dass man einen Moment innehält und noch einmal darüber nachdenkt, was man da eigentlich tut und wie es so weit gekommen ist, hatte er doch Erfolg.

Warum sollte man einen Satz nur deshalb nicht erwähnen düfen, weil er mit Goebbels „verknüpft“ ist? Wenn eine solche Zitation den Eindruck erwecken würde, daß Goebbels aufgewertet wird…aber das ist ja nicht der Fall. Was also ist schlimm daran? Vielleicht ein kleines bisschen unsensibel, vielleicht etwas unpassend, aber ansonsten nicht gross der Rede wert.

Zur Abgrenzung gegen die Nazis gehört auch, dass die freie Rede nicht mehr als wirklich notwendig einer Selbst- oder Fremdzensur unterworfen wird. Respekt vor den Opfern, Takt und so weiter - alles gut und richtig. Das bedeutet aber nicht, dass Dinge tabuisiert werden sollten, für deren Tabuisierung es objektiv keinen Grund gibt.

Welche Gesellschaft distanziert sich eigentlich glaubwürdiger von den Nazis: Eine, die großen Wert auf freie Meinungs- und Ausdrucksweise legt und nur dort empfindlich reagiert, wo es für solche Empfindlichkeit auch wirklich gute Gründe gibt - oder eine, die harmlose Verhaltensweisen tabuisiert und die berüchtigte „Schere im Kopf“ begünstigt?

Die Frage ist: wo ziehst du bei solchen Sätzen eine Grenze? Wenns so einfach wär dann renn doch einfach mal durch die Straßen und ruf n paar Mal: „Heil Merkel“
Erstens glaub ich nicht, dass du das machst und zweitens wird wohl auch hier niemand mehr im Forum so etwas gutheißen.
Oder mal mal überhall Hakenkreuze hin. Natürlich linksherum weil das war ja auch nur ein Glückssymbol vor der Nazizeit also muss man da auch keine Hemmungen haben…
Du siehst, so einfach ist es nicht, dass wir ALLES sagen können was mit dieser Zeit zu tun hat und ich finde „Wollt ihr den totalen Krieg?“ gehört dazu.