3sat Doku mit Unterstützung des NS-Propaganda-Ministeriums

1942 wollte die NS-Propaganda einen “Dokumentarfilm” produzieren, in dem man zur Beruhigung der heimischen Bevölkerung zeigen wollte, wie froh und munter die “umgesiedelten” Juden im Osten leben. Das Problem war, zu dem Zeitpunkt gab es natürlich kaum noch munteres jüdisches Leben in freier Wildbahn. Also was macht man da? Naklar, dasselbe was heute auch Tierfilmer machen: man nimmt einfach ein paar “Exemplare” aus dem Tierpark (oder in dem Fall aus dem Ghetto) und spielt damit das echte Leben nach. Für diese “Doku” wurden damals im Warschauer Ghetto Unmgenen Filmmeter mit gefakten Szenen gedreht, wo die Juden tanzten, ins Schwimmbad gingen oder sich im Theater vergnügten. Der Film wurde aus unbekannten Gründen nie fertig gestellt. Vermutlich einfach, weil sich um die deportierten Juden in der Heimat keiner so wirklich Sorgen machte. Aus dem wiederentdeckten Filmmaterial entstand aber 2009 eine vielbeachtete Doku “A Film Unfinished” über eben jene NS-Propaganda-Aktion.

Zum 70. Jahrestag des Aufstandes im Warschauer Ghetto zeigte 3sat diesen Film, zusammen mit einer weiteren Doku Jüdisches Leben im Ghetto von Armin Coerper, Korrespondent im ZDF-Studio Warschau. In diesem Film sollte vor allem auch das jüdische Leben in Warschau vor und nach der NS-Zeit gezeigt werden.

Tja und offenbar hatte Armin Coerper dasselbe Problem, wie bereits 70 Jahre zuvor die NS-Filmer: es gibt zum Thema wohl kaum oder garkein originales Filmmaterial. Ihr erratet sicher bereits die Lösung, oder? Logisch! Man fakt die Szenen wiederum einfach (Motto “Quelle: Internet”). Und zwar mittels just dieses alten Propaganda-Schinkens der Nazis…

Man sieht nun im 3sat-Film dieselben Statisten aus der NS-Fake-Doku ins Theater spazieren, dazu der Sprecher: "Vor dem Krieg gab es viele jüdische Theater. In Warschau pulsierte das jüdische Leben. Hier lebte die jüdische Kultur wie nirgends sonst in Europa. Es wurde getanzt, gespielt und gesungen." …unterlegt mit fröhlicher Klezmermusik.

Zum Vergleich:
Nazi-Fake und 3sat-Fake

Zumindest war dann das Warschauer Ghetto und die NS-Propaganda doch noch zu was gut. Da kann man draus schöne Dokus über das jüdische Leben für 3sat schnippseln.

Der Begriff “faken” suggeriert eine Absicht dahinter.
Ich gehe davon aus, dass es einfach nur schlechte Recherchearbeit war. Vermutlich lagen die in Archiven mit dem Label “jüdisches Leben” und “Warschau” und dort hat sie dann ein Praktikant gefunden.

Stimmt Baru. Da kann man dem Autor keinen Vorwurf machen, dass Guido Knopp mittlerweile das ganze ZDF-Archiv mit Nazi-Filmen zugemüllt hat und dort nun keiner mehr durchblickt.

Es fällt halt besonders auf, weil beide Dokus direkt hintereinander weg gesendet wurden. Und da fragt man sich dann schon, ob der zuständige Redakteur geschlafen hat.

Es hätte einem eigentlich schon an den Armbinden auffallen müssen. Aber naja Film ist Film.

Heute ein Artikel in der Welt mit der Antwort vom ZDF…

Nicht nur dem ZDF-Mann in Warschau fiel nichts auf, auch in der Zentrale in Mainz wunderte sich niemand, dass die Warschauer Juden Armbinden mit dem Davidstern am Ärmel trugen – vor dem Krieg! Als wäre diese Kennzeichnung schon immer üblich gewesen und nicht erst von den Nazis eingeführt worden.

Ein ZDF-Zuschauer freilich staunte und fragte bei dem Sender nach. Worauf ihm mitgeteilt wurde, “die kritisierte Szene aus dem jüdischen Theater” habe "das ZDF aus dem Archiv des Jüdischen Historischen Instituts in Warschau erhalten, wo auch eine DVD zum Kauf angeboten werde. Und: “In dem Kommentar zu den besagten Sequenzen der DVD des Instituts befindet sich keinerlei Hinweis, dass diese Aufnahmen unter Zwang entstanden sind. Es heißt dort, dass die Bewohner dem Hunger und der Not zum Trotz versuchten, ihr kulturelles Leben weiterzuführen… Aufgrund der Seriosität des Jüdischen Historischen Instituts hat der Autor keinen Anlass gesehen, die genaue Herkunft der Bilder noch einmal zu ermitteln.”

Vielleicht sollten wir eine Spendenaktion fürs ZDF machen, damit die sich mal einen Historiker und einen Journalisten leisten können…

Der eigentliche Skandal ist ja die Reaktion, wie Die Welt richtig schreibt ist man sich beim ZDF keiner Schuld bewusst, legitimiert diese Fälschung noch nachträglich als Quelle! Unglaublich.
Man sollte von dem Verantwortlichen[-]Vollhonk[/-] Redakteur zumindest ein fettes “mea culpa” erwarten können, vor allem bei diesem sensiblen Thema, aber man reagiert mit der neuerdings (?) typischen Arroganz :smt011

Vielleicht wäre das was für “Kurz kommentiert”, ergänzend zur Printmeldung?

Das Beispiel der Wehrmachtsausstellung sollte eigentlich eindrücklich gezeigt haben, wie sorgfältig man mit Bildern (oder in diesem Fall eben Bewegtbildern), ihrer Herkunft und den Aufnahmeumständen umgehen muss. Scheinbar haben nicht alle die entsprechenden Konsequenzen daraus gezogen.