Okay, erst einmal @strohaLm,- was meine Person angeht: Intention FAIL. Es war nicht meine Absicht, mit Dir eine Diskussion über Strafverhältnismäßigkeit zu führen, was sowieso aufgrund unterschiedlicher ideologischer Präferenzen - das von mir persönlich (fernab jeder Fachlichkeit) präferierte Justizsystem würde Dir Angst und bange machen - zu nichts führen würde.
Ich will darauf jetzt ganz allgemein eingehen: Maximal 4-6 mal im Jahr gibt es einen Einzelfall, der dazu führt, dass - angeheizt durch entsprechende Publikationen und das Fernsehen - eine Masse an Leuten Rückschlüsse vom Einzelnen aufs Allgemeine ziehen. Da wird dann anhand von Einzelfällen erläutert, warum das bestehende Justizsystem ja viel zu milde sei. Außer Acht gelassen wird die Tatsache, dass das Justizsystem sich nicht an den 0,02% grausigen Fällen orientiert, sondern an einer Majorität an Vergehen, die es weder auf Seite 1 noch auf Seite 40 schaffen - jene, die tagtäglich behandelt werden. Wenn bsplw. zwei Gangs sich gegenseitig verprügeln, was in unserem Justizsystem als „gefährliche Körperverletzung“ gilt, da sie gemeinschaftlich stattfindet. Wobei „Gangs“ ein dehnbarer Begriff ist - eine „Gang“ kann durchaus auch aus zwei Gruppen Neuntklässlern bestehen, die auf dieselbe Schule gehen und sich gegenseitig nicht leiden können. Wer jenseits der 40 ist und das kritisiert, der schaue sich die Mutproben in Filmen wie „Vorstadtkrokodile“ an oder erinnere sich mal an die Rockergangs, die sich mit den Vietnamesen gekabbelt haben, bevor er demnächst in das „So-was-hat-es-früher-nicht-gegeben“-Horn stößt.
Um beim Thema zu bleiben: Das Justizsystem ist erdacht, um auf ein großes Spektrum verschiedener Einzelfälle angewandt zu werden. So kann bsplw. (aber man kann sich nicht darauf berufen) der Tod eines Angreifers, nachdem das Opfer immer wieder auf ihn eingeprügelt hat (wie Du es schildertest) als „Notwehrexzess“ gehandelt werden, aus welchem heraus das Opfer nicht in der Lage war, eine realitätsnahe Einschätzung der Bedrohungssituation abzugeben. In Einzelfällen kann ein Richter darauf entscheiden - dies ist ein Instrument, das es erlaubt, Gesetzesformulierungen auf individuelle Tatkonstrukte anzuwenden.
Wenn wir über das Jugendrecht sprechen, so befinden wir uns auf einem Terrain, das zu 98% von extrem nebensächlichen Taten mit geringem Schaden begleitet ist - willst Du eine Gruppe aus 14jährigen - um es mit dem Lieblingswort vieler Reaktionärer zu sagen - „Wegsperren“, weil sie sich auf offener Straße mit anderen Mitschülern gekabbelt haben und einer eine blutige Nase bekommen hat? Du kannst nicht das Jugendrecht an den schlimmsten Einzelfällen orientieren, die immer noch eine Seltenheit sind, und es auch bleiben werden.
Und das ominöse „Wegsperren“ hat sich mir noch nie ganz erschlossen. Nicht nur, dass dies ein absolut ineffektiver (sowohl ökonomisch als auch kriminologisch) Ansatz ist, es führt zu einer Parallelkultur, die einen großen Einfluß auf das Leben „da draußen“ hat. Schau’ mal in die USA - die haben eine ähnliche „Wegsperrmentalität“, die dazu führt, dass sich die „Weggesperrten“ zusammen tun und Netzwerke bis über die Grenzen des Knastes hinweg bilden, um von dort aus weiterhin Kriminalität zu koordinieren. Schlußendlich hat auch die Anzahl der „Weggesperrten“ selten etwas mit der Anzahl neu verübter Vergehen zu tun; die Legalbewährung liegt bei allen Tatspektren und Tätergruppen über 50%. (Je nach Vergehen und Alters- und Geschlechtsstruktur variiert der tatsächliche Wert, aber er liegt immer über 50%, in den meisten Fällen weit darüber). D.h., dass eine Mehrheit der eingesperrten Täter während der Bewährungszeit nicht mehr straffällig wird, was es sehr wahrscheinlich macht, dass der betreffende Täter auch außerhalb der Bewährungszeit nicht wieder straffällig wird. Daraus wiederum folgt, dass das ominöse „Wegsperren“ in den meisten Fällen keine Taten verhindert; Täter wachsen nach. Wer meint, dass er besonders geschützt sei, weil ein Täter für seine Tat in den Bau kommt, der irrt fundamental. Aber für dieses vermeintliche Sicherheitsgefühl ist man - aufgestachelt durch hetzerische Medien, die Einzelfälle über Monate ausschlachten - selbstverständlich bereit, jegliche Vernunft über Bord zu werfen.
Ein nennenswerte Schutz vor Straftaten ist durch drakonische Strafen nicht gegeben - wie man wunderbar am Beispiele der USA sieht. Wenn man eine Tat rächen möchte, dann ist dies ein anderes Argument, das sicherlich recht legitim ist - aber das hat nichts mit „Schutz“ zu tun, auch wenn Medien einem das immer wieder unter die Nase jubeln wollen. Wenn Du allerdings den Schutz mal aus der Nähe sehen willst - ein Besuch in Killadelph… ähem Philadelphia kann nicht schaden.
Dieses Zitat allerdings
Aber Recht muss sich eben auch an die Gesellschaft anpassen und deswegen unbedingt die Allgemeinheit vor solchem, ich sags ganz direkt, Abschaum schützen.
kann ich nur mit einem Verweis auf John Heith, Leo Frank, dem Vigilantentum im unerschlossenem Westen der U.S.A. im Allgemeinen und dem Ku Klux Klan beantworten. Im Gegenteil ist das Recht u.a. gerade dazu da, den Angeklagten (der nicht verurteilt ist) vor dem Mob zu schützen.